Bildung:Koalitionsknatsch um Prien-Vorstoß für Kita-Pflichtjahr

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Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archivbild)

Kita-Pflicht für Kinder mit Sprachdefiziten? Das schlägt die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Prien in einem Alleingang vor. Die zuständige Sozialministerin Touré sagt Nein. Auch aus der Opposition erntet die CDU-Politikerin massive Kritik.

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Kiel (dpa/lno) - Für Kinder mit Sprachdefiziten sollte nach Ansicht von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien mindestens das letzte Kita-Jahr verpflichtend sein. Das sagte die CDU-Politikerin und Präsidentin der Kultusministerkonferenz den „Kieler Nachrichten“ (Dienstag). Mit ihrem Vorstoß, der nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nicht mit der für Kitas zuständigen Sozialministerin Aminata Touré von den Grünen abgestimmt war und diese überraschte, löste Prien Wirbel in der Koalition und in der Landespolitik insgesamt aus. Touré machte klar, dass sie Priens Idee nicht unterstützt.

„Spätestens mit viereinhalb Jahren müssen wir den Sprachstand eines Kindes überprüfen, damit bis zu seiner Einschulung nötige Fördermaßnahmen ergriffen werden können“, sagte Prien den „Kieler Nachrichten“. Wer dabei nicht gut abschneide, müsse zumindest das letzte Kita-Jahr absolvieren. „Eine Verpflichtung ist für diese Kinder der richtige Weg, um die Bildungschancen zu verbessern.“

Auf die Frage, ob es hier vorwiegend um Flüchtlinge und Kinder mit Migrationshintergrund gehe, sagte die Ministerin dem Blatt: „Nein, es geht um alle Kinder. Aber der Trend ist bei Kindern mit Zuwanderungshintergrund besonders stark.“

Touré ließ die Anfrage, ob sie die Forderung nach einem Kita-Pflichtjahr für Kinder mit Sprachdefiziten teilt, klar verneinen. „Verpflichtende Kitabesuche sind bewusst nicht Teil der Koalitionsvereinbarung und damit auch nicht für diese Legislatur vorgesehen“, betonte sie. Wichtig seien systematische Schuleingangsuntersuchungen. Zusätzlich könnte im Einzugsbereich von Perspektiv-Schulen, also Problemschulen in Brennpunkten, ein Screening vor der Einschulung erprobt werden. Das befürworte sie nach wie vor, mehr aber nicht.

Auch die Opposition reagierte mit vehementer Kritik auf Priens Vorstoß. Für eine Kita-Pflicht für Kinder mit Sprachförderbedarf fehlten die Grundvoraussetzungen, meinte die kitapolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sophia Schiebe. So fehlten noch immer viele Tausend Kita-Plätze. „Vorhandene Einrichtungen leiden unter Personalmangel und müssen teilweise ihre Angebote einschränken.“ Die Sprachförderung in Kitas sei bisher finanziell nicht abgesichert und Sprachfachkräfte wüssten nicht, ob sie ihre Arbeit im neuen Jahr fortführen können, monierte Schiebe. „Wir benötigen erst einmal genügend Kita-Plätze, eine Fachkräfteoffensive für mehr Personal, eine Ausbildungsreform, ausreichend Sprachfachkräfte in den Kitas sowie qualitative Standards für die Vorschularbeit, damit die Kinder gut auf die Schule vorbereitet werden.“

Auch die FDP reagierte heftig. „Irgendjemand in der Landesregierung sollte Karin Prien dringend erklären, dass sie für die Kitas ungefähr so sehr zuständig ist wie für die Baumschulen ­ nämlich gar nicht“, sagte Fraktionschef Christopher Vogt. Prien sollte den alarmierenden Absturz der Leistungen in den Grundschulen weder schönreden noch versuchen, die Verantwortung dafür abzuschieben. „Man kann sich gut vorstellen, was im zuständigen Familienministerium los war, als man dort dieses Interview gelesen hat“, meinte Vogt. „Anstatt Nebelkerzen zu werfen und mit ollen Kamellen ihre Kabinettskollegin Touré zu nerven, sollte Karin Prien schlichtweg ihre Hausaufgaben machen: Unsere Grundschulen müssen durch mehr Stunden pro Woche und besseren Unterricht gestärkt werden.“

Die Unterrichtsversorgung müsse besonders an den Grundschulen dauerhaft verbessert werden, forderte der FDP-Fraktionschef. Schulen mit besonderen sozialen Herausforderungen und vielen Kindern mit Migrationshintergrund bräuchten noch stärkere Unterstützung des Landes. „Es hilft auch nicht, die Inklusion als Problem auszumachen, sondern das Bildungsministerium muss die Umsetzung der Inklusion verbessern.“ Und was sollten bei Priens Forderung nach einer Kita-Pflicht die Eltern denken, die seit Monaten auf einen Kita-Platz warten?, fragte Vogt. „Für diese Familien sind solche unausgegorenen Vorstöße doch ein blanker Hohn.“

© dpa-infocom, dpa:221025-99-252843/3

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