Beratung für Eltern und Schüler:Welches Internat passt zum Kind?

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Immer mit Strohhut: Schüler des englischen Elite-Internats Harrow School in London. (Foto: REUTERS)

Teure Elite-Schule oder familiäres Internat auf dem Land? Sportschwerpunkt, kleine Klassen oder zweisprachiger Unterricht? Worauf es bei der Suche nach dem richtigen Internat ankommt.

Von Christine Demmer

William aus Hamburg, Rugby-Spieler und Fan des Inselkönigreiches, wollte ins Internat. "Natürlich nach England. Viele in unserer Familie waren auf einem englischen Internat", erklärt seine Mutter Marina Mahlberg ( Name von der Redaktion geändert). Das Problem waren Williams eher mittelmäßige Leistungen in der Schule zu Hause, sagt sie. "Für eine britische Schule ist es gefährlich, einen schlechten Schüler zu nehmen, weil das den Schnitt der Boarding School senken kann. Dann kann sie nicht mehr unter den besten Kandidaten wählen."

Eine Münchner Agentur fand trotzdem drei Internate, die den damals 15-Jährigen mit Handkuss genommen hätten. "Wir haben jedes einen halben Tag lang besucht und mit einigen ehemaligen Schülern telefoniert. Das reicht total", erzählt die Mutter, eine alleinerziehende Strategieberaterin. Der Filius entschied sich für eine Wohnschule auf der Isle of Man, mitten in der irischen See. Dort konnte er Rugby und Theater spielen, entdeckte seine Leidenschaft für Dramaturgie und machte in diesem Sommer ein gutes internationales Abitur. Zufrieden sagt die Mutter über ihren 18-jährigen Sohn: "Der hatte die Zeit seines Lebens."

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Wenn das Kind und das Internat so gut wie im Fall des jungen Hamburgers zusammenpassen, kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. "Ab etwa zwölf oder 13 Jahren werden die meisten Kinder den Aufenthalt in einem Internat genießen", versichert Internatsberaterin Sophie Weidlich, von Geburt halb Schwedin, halb Engländerin. Vorausgesetzt, man nehme sich Zeit bei der Auswahl. Die meisten Eltern, die zu ihr kämen, hätten sich vorher im Internet und bei Freunden erkundigt und wollten sicherheitshalber eine professionelle Meinung einholen. "Ich frage zuerst nach der Wunschregion", sagt Weidlich. "In ganz Deutschland gibt es gute Internate. Aber nicht jeder, der in Hamburg lebt, will sein Kind nach Süddeutschland schicken und umgekehrt. Auch wenn es aufgrund der vielen Ferien doch meistens nur sechs Wochen am Stück von zu Hause fort ist."

15 000 bis 40 000 Euro im Jahr

Wenxin Zhang, in Deutschland aufgewachsene Chinesin und Geschäftsführerin von German Education Partners in Düsseldorf, geht anders vor. Sie fragt ihre Kunden, bei denen es sich vor allem um Eltern aus China und anderen asiatischen Ländern handelt, als erstes nach dem Budget für die Erziehung des Sprösslings. "Die Preisspanne reicht von etwa 15 000 bis 40 000 Euro im Jahr, aber die teuersten Internate sind nicht immer die besten", sagt Zhang. Manche Schule wirbt mit einem Fünf-Sterne-Angebot, Tennisplätze, Hallenbad, Reitställe, eigener Hafen und Riesencampus inklusive. In der Lehrqualität seien sie aber gleich, meint Zhang. Den Unterschied machen die Ausstattung, das Flair und die Schülerschaft. "Schule Schloss Salem und Louisenlund in Schleswig-Holstein reisen auf der Eliteschiene, da kriegt das Kind kostenlos die Kontakte zur Prominenz mit", sagt Zhang.

Manche Eltern halten das für unverzichtbar. Andere wollen, dass ihr Kind sportlich aufgepeppt oder firm in fremden Sprachen wird. Wieder andere geben ihr Kind nur ungern außer Haus, zum Beispiel, weil sie beruflich auf einen anderen Kontinent ziehen müssen und es dort keine passende Schule gibt. "Die suchen dann ein kleines Internat mit einem familiären Ambiente", berichtet Zhang. Auch das lässt sich unter den ungefähr 400 Internaten in Deutschland finden.

Nach dem Eindruck von Weidlich geht die Nachfrage deutscher Eltern allerdings zurück. Dafür fragen mehr Väter und Mütter aus Russland und China an. "Deutschland hat einen guten Ruf", vermutet die Beraterin, "es ist wirtschaftlich stark, und es lohnt sich, hier zur Schule zu gehen, zu studieren und später hier zu arbeiten." Wenxin Zhang bestätigt das. Die junge Betriebswirtin kooperiert mit Partneragenturen in China und bald auch in anderen Ländern Asiens und weiß, dass sich wohlhabende Eltern in Fernost die internationale Ausbildung ihres Kindes viel Geld kosten lassen.

Deutsche hingegen fragen häufig nach Zuschüssen. Daran sei überhaupt nichts Ehrenrühriges, findet Weidlich. Schwieriger sei es nur, wenn man ein ganz normales, durchschnittliches Kind ohne Auffälligkeiten in dieser oder jener Richtung habe. "Für das muss man selber bezahlen", sagt die Internate-Kennerin. Aber für alle anderen stehe immer irgendwo ein Fördertopf offen. Mit ein bisschen Nachbohren bei den Eltern und beim Kind lässt sich oft ein spezielles Talent oder wenigstens ein verschärftes Interesse entdecken. "Häufig sagen Eltern: Wir haben ein nettes Kind, aber wir können nur soundsoviel bezahlen", erzählt Weidlich. Sie tröste sie damit, dass sie etliche Möglichkeiten kenne, um Zuschüsse zu erhalten.

Auch in finanziellen Fragen helfen mehr als ein Dutzend Internatsberater in Deutschland. "Die Eltern bekommen viele Informationen von den Internaten, aber sie können sie alleine kaum bewerten", sagt Detlef Kulessa vom Institut Töchter und Söhne in Wiesbaden. Für die persönliche Beratung seien die Eltern dankbar. "Die Schulen beteiligen uns an ihren Erfolgen", sagt Kulessa mit Offenheit, "aber wir fühlen uns trotzdem auf neutralem Boden, weil wir eine sehr restriktive Auswahl vornehmen. Das sagen wir auch den Eltern." Als Informationsquellen dienen den Beratern Besuche in Internaten; außerdem pflegen sie Kontakte zu Eltern und Kindern, die sich mit Internaten auskennen.

Dabei ist die Grundstruktur aller deutschen Internate ziemlich gleich. Die Kinder und Jugendlichen leben in einer Gruppe und werden von einer Haupt- und von einer Nebenperson betreut. In der Regel sind die Betreuer Akademiker, meist Pädagogen, Psychologen oder Sozialarbeiter. In der Unter- und Mittelstufe wohnen die Kinder in Zweier-, in der Oberstufe meist in Einzelzimmern. Vormittags ist Unterricht, nachmittags gehen die Zöglinge ihren eigenen Vorlieben nach, stets sind die Betreuer in der Nähe.

Mit Auto, Boot und Pferd

Manche Internate entlassen die Kinder an jedem zweiten Wochenende nach Hause. Andere raten den Eltern, die Heimreise auf die Schulferien zu beschränken. In einige Internaten kann man eigene Pferde, Autos und sogar Boote mitbringen. In anderen lernt man zu reiten und wird auf den Führerschein vorbereitet. Es gibt Klassen mit hohem und Klassen mit geringem Ausländeranteil, Internate, die sich um die Inklusion behinderter Kinder bemühen und solche, die Kinder mit Handicaps nur in Ausnahmefällen aufnehmen. Im Interesse der Eltern wird fast jedes Interesse der Kinder bedient.

"Nur gegen das anfängliche Heimweh ist noch kein Kraut gewachsen", sagt Sophie Weidlich. Fast immer sei es zwar nach ein paar Wochen verschwunden. Eltern sollten dem Kind vorschlagen: "Wir probieren es jetzt noch einmal, und dann reden wir miteinander." Wenn der Nachwuchs partout nicht im Internat bleiben wolle, dürfe man nicht darüber hinweggehen, man solle mit dem Kind zusammen eine andere Lösung suchen. Was bei William aus Hamburg nicht nötig war. Ihm hat sein Internatsaufenthalt so gut gefallen und so viel Lust auf die Welt gemacht, dass er jetzt mit dem Gedanken spielt, im Ausland Dramaturgie zu studieren.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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