Zwischenparlament in Bayern:Noch einmal mit Zwei-Drittel-Mehrheit

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Eigentlich ist der alte Landtag abgewählt. Wegen der Finanzkrise muss Bayern ein Sonderparlament zusammenrufen - mit skurrilen Folgen.

A. Ramelsberger

Es ist fast so, als spielte man im bayerischen Landtag einen Film ab, eine Mixtur aus "Zurück in die Zukunft" und "Fluch der Vergangenheit". Drei Wochen nach der Landtagswahl, bei der die CSU nach 46 Jahren die absolute Mehrheit verloren hat, sitzt sie jetzt wieder mit Zweidrittel-Mehrheit im Plenum, so als wäre nichts geschehen.

Im Landtag hat der Zwischenausschuss über die Finanzkrise beraten - erst zum dritten Mal seit Kriegsende ist dieses Gremium zusammengekommen. (Foto: Foto: AP)

Noch einmal sind hier die drei bisherigen Parlamentsparteien CSU, SPD und Grüne unter sich. Und ihre Konkurrenten, die FDP und die Freien Wähler, die ihnen mehr als 18 Prozent der Stimmen abgejagt haben, sind zwar schon gewählt, doch sie müssen auf der Besuchertribüne Platz nehmen. Sie können zwar schon mal in den Plenarsaal blinzeln, sprechen aber dürfen sie nicht.

"Ein Retro-Gefühl", nennt es die Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause, was sie am Donnerstag im bayerischen Landtag gespürt hat. "Man sieht den Landtag in seiner ganzen Vergänglichkeit." Was da im Parlament zu München tagte, ist ein Konstrukt, das den prosaischen Namen "Zwischenausschuss" trägt und gewährleisten soll, dass die Regierung auch in Ausnahmezeiten nie ohne Kontrolle durch das Volk entscheiden kann. Der Zwischenausschuss ist für jene Zwischenzeit, in der die letzte Sitzung der alten Wahlperiode vorbei und der neue Landtag noch nicht konstituiert ist.

Eigentlich sind die bisherigen Parlamentarier alle noch im Amt, doch de facto sind sie längst nicht mehr dabei: entweder sind sie aus dem Parlament gefallen, nicht mehr angetreten oder mit Koalitionsverhandlungen beschäftigt. Deshalb ist es gut, dass in den Zwischenausschuss nur 45 der bisher 180 Abgeordneten entsandt wurden.

Der Zwischenausschuss war vor diesem Donnerstag in der Geschichte des bayerischen Landtags erst zwei Mal bemüht worden. 1990, als der Rüstungskonzern MBB beschuldigt wurde, illegal Waffen in den Irak geliefert zu haben. Davor 1982, als sich der Leiter der bayerischen Staatsschutzabteilung Hans Langemann in eine Geheimdienstaffäre verstrickt hatte, wobei auch gleich herauskam, dass er sich selbst mit Steuergeldern alimentiert hatte. An dieser "Operation Eva" zeigte sich der Landtag auch in der sitzungsfreien Zeit interessiert.

Diesmal jedoch ging es um weit Handfesteres - die Zustimmung zu einer staatlichen Ausgabe, die alles in den Schatten stellt, was die Parlamentarier in ihrer regulären Sitzungsperiode je behandelt haben: dem Ja zum Rettungspaket der Bundesregierung, mit dem sie den trudelnden Finanzmarkt stützen will. "Das ist kein Mini- oder Hobby-Parlament", betonte Landtagssprecher Axel Stehle. "Das Parlament bleibt auch in dieser Besetzung voll handlungsfähig."

Auch in anderen Ländern sieht die jeweilige Landesverfassung solche Konstrukte vor. In Nordrhein-Westfalen etwa heißt das Konstrukt "Ständiger Ausschuss" und muss laut Verfassung die "Rechte der Volksvertretung wahren, solange der Landtag nicht gewählt ist". Doch keiner kann sich erinnern, wann dieser Ständige Ausschuss zuletzt getagt hat - in den vergangenen 19 Jahren nicht.

Und allzu viel dürfen solche Zwischenparlamente auch nicht entscheiden: So ist in Bayern ausdrücklich untersagt, dass Ministeranklage erhoben wird, ein Gesetz beschlossen oder gar einem Volksbegehren zugestimmt wird. Das muss alles warten, bis der reguläre Landtag zusammentritt. In Bayern sind das noch vier Tage. Und auch die Abgeordneten im Zwischenausschuss haben brav zugestimmt.

© SZ vom 17.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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