ZDF-Journalist Kienzle im Interview:"Das Allgäu wird leider verbayert"

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Ulrich Kienzle spielt jetzt auf einer Freilichtbühne - als Kommissar. Im Interview räsonniert er über die Identität der Allgäuer und kommt zu überraschenden Erkenntnissen.

Stefan Mayr

Ulrich Kienzle wechselt im Alter von 72 Jahren das Genre - vom Fernsehjournalismus hin zur Operette. Der ehemalige Moderator des ZDF-Magazins "Frontal" tritt neuerdings auf der Freilichtbühne Altusried im "Zigeunerbaron" auf. In einem gelben Uralt-Passat als Kommissar Kluftinger, der kauzigen Hauptperson aus den Romanen von Volker Klüpfel und Michael Kobr. Kienzle erklärt das ungarisch-österreichisch-schwäbische Experiment.

ZDF-Moderator Kienzle wechselt das Genre - und spielt den Kommissar Kluftinger. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Kienzle, den Kommissar nehmen wir Ihnen ja ab, aber können sie als Rheingauer auch allgäuerisch sprechen?

Ulrich Kienzle: Ich stamme ja aus der Nähe von Ludwigsburg. Ich bin also Schwabe, und so groß ist der Unterschied zum Allgäuerischen nicht.

SZ: Kienzle schwäbelt wie Klinsmann? Das wollen wir hören.

Kienzle: Ja, nix gsagt is gnuag globt. Oder das schwäbische Wort für Liebling: Butzale. Es ist typisch schwäbisch, dass man Positives mit etwas Negativem beschreibt. Das Butzale kommt ja vom Apfelbutzen. Wissen Sie, die Allgäuer haben Schwierigkeiten mit ihrer Identität. Sie wollen keine Schwaben oder Alemannen sein, sind aber auch keine Bayern. Politisch sind sie schon Bayern, aber nicht nach der Abstammung. Da gibt es dann das Schankstüberl und nicht das Schankstüble, das wird leider immer mehr verbayert. Sind Sie Bayer?

SZ: Na ja, Augsburger. Aber in diesem Interview würde gerne ich die Fragen stellen. Was bitte hat Kluftinger beim Zigeunerbaron zu suchen?

Kienzle: Nun ja, einen Verbrecher. Er stört die Aufführung - bis er merkt, dass man eine Operette nicht verhaften kann, auch wenn sie noch so kriminell ist.

SZ: Und wie lange dauert dieser Spuk?

Kienzle: Fünf Minuten.

SZ: Sie fahren wegen fünf Minuten extra aus dem Rheingau nach Altusried?

Kienzle: Ja, das rentiert sich eigentlich nicht. Es ist bloße Sentimentalität. Meine Frau hat lange im Allgäu gelebt, und irgendwie muss man diese verschnarchte Operette ja aufpeppen. Die Musik ist noch immer toll, aber die Handlung ist äußerst dürftig. Deshalb haben wir echte Pferde, ein Ochsengespann und einen veritablen Kommissar.

SZ: Was ist schwieriger: ein Interview mit einem Staatsoberhaupt oder ein Auftritt vor tausenden Allgäuern?

Kienzle: Ich ziehe wirklich den Hut vor den Darstellern, die drei Stunden auf der Bühne stehen. Da wird jeder Fehler sichtbar, das ist nicht wie im Fernsehen, wo man was wegschneiden kann.

SZ: Haben Sie in Altusried schon Ausschussware produziert?

Kienzle: Nun ja, einmal ist dieses alte Auto nicht angesprungen. Da ist es mir schon durch die Glieder gefahren, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Man hat mich dann mit Blaulicht auf die Bühne geschoben. Die Leute haben furchtbar gelacht, sie dachten, das sei so geplant.

© SZ vom 12.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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