Zahngold-Urteil:Asche zu Asche, Gold zu Gold

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Drei ehemalige Mitarbeiter des Krematoriums in Hof, die über zwei Jahre Zahngold von Leichen entnommen haben, sind zwar freigesprochen worden, verloren aber ihren Job - und ihren Ruf in Hof.

Olaf Przybilla

Die drei Krematoriumsmitarbeiter aus Hof, die mehr als ein Jahr lang das Zahngold Verstorbener verkauften, haben ihren Job verloren.

Ihren Ruf in der Stadt Hof ebenfalls. Schuldig allerdings im Sinne der Anklage, so entschied das Amtsgericht am Montag in Hof, sind sie nicht.

Die Anklage lautete auf Störung der Totenruhe in 600 Fällen. Mindestens von Juni 2005 bis Juli 2006 sollen die drei städtischen Angestellten Zahngold aus einem Aschebehälter entnommen und damit insgesamt 50.000 Euro erwirtschaftet haben.

Keine Störung der Totenruhe

Unanständig, erklärte der Vorsitzende Richter, sei das allemal. "Aber nicht alles, was anstößig ist, ist auch gleichzeitig strafbar." Die drei Angeklagten wurden freigesprochen.

Störung der Totenruhe, so heißt es in der Urteilsbegründung, liege nur bei beschimpfendem Unfug vor - etwa wenn am Grab eines Verstorbenen lästerliche Lieder gesungen werden.

Unfug wäre es auch gewesen, die Asche der Verstorbenen willkürlich in der Gegend zu verstreuen. Wenn allerdings aus einem Aschekasten Zahngold entnommen wird, so gehe es dabei nicht um die Beschimpfung des Verstorbenen, sondern um einen Vermögensvorteil.

Was im betreffenden Strafrechtsparagraphen keinerlei Rolle spielt. Die Angeklagten, die mindestens 10.711 Gramm Gold aus den Behältern entnommen hatten, nutzten also eine Grauzone im Strafrecht.

Händler fragen nicht nach

Und sie gingen dabei, so betonte das Gericht, im Grunde auf dieselbe Weise vor wie die Stadt Hof: Genauso wie diese künstliche Kniegelenke, Hüftprothesen und Herzschrittmacher sammelte, an Schrotthändler vermachte und den Erlös anschließend dem städtischen Bauhof zukommen ließ, entnahmen die Krematoriumsmitarbeiter das wertvolle Zahngold und machten es zu Geld. Eine städtische Satzung gibt es für beides bislang nicht in Hof.

Das Gefühl, wirklich Unrechtes zu tun, beschlich die Angeklagten dann auch kaum. Einer erzählt, wie ihm die Idee gekommen sei: "Hey, wir schmeißen hier ja bares Geld weg."

Angeblich soll es auf dem Hofer Friedhof ganz gewöhnlich gewesen sein, das Gold nebst Schrauben, Titanteilen und anderem nicht brennbaren Schrott auf einer Urnengemeinschaftsanlage auszubreiten.

Weil das den drei Krematoriumsarbeitern "nicht hinreichend pietätvoll" vorgekommen sein soll, habe man sich entschlossen, "den Leichenabfall zum anfallenden Restmüll" zu leeren.

Bis die drei schließlich wie nebenbei auf den Gedanken gekommen sein wollen, das Gold einfach zu verkaufen. Viel gefragt, woher das Gold eigentlich kam, hätten die Händler nicht. Die Bestatter mussten nur unterschreiben, dass beim Goldsammeln alles mit rechten Dingen zugegangen sei.

Ihr Vorgesetzter, der Hofer Krematoriumsleiter, bestreitet heftig, er habe angeordnet, das Gold in der Urnengemeinschaftsanlage einzugraben. Er habe klar gemacht: Das Gold solle in die Urnen gefüllt werden. Allerdings hat er diese Anordnung nur mündlich ausgesprochen. Und auch nur dem einen Mitarbeiter gegenüber, der schon mehr als 20 Jahre auf dem Friedhof arbeitete.

"Eine Leiche ist keine Sache"

Dieser sollte es dann allen später angestellten Mitarbeitern weitersagen. In der Hofer Friedhofssatzung steht von alledem kein Wort. Sie wurde im Jahr 1910 erlassen. Geregelt ist in Hof somit nicht, wem die Leichenüberreste zustehen, die nicht verbrannt werden können.

"Eine Leiche", so machte der Richter klar, "ist keine Sache." Sie sei juristisch herrenlos, kann also nicht bestohlen werden. Die Stadt will nun Konsequenzen daraus ziehen. Künftig sollen Hinterbliebene gefragt werden, ob sie mit der anschließenden Veräußerung von Überresten einverstanden sind.

Ob auch das Gold zugunsten "karitativer Zwecke oder zur Senkung der Krematoriumsgebühren" verkauft wird, darüber will demnächst der Hofer Stadtrat entscheiden. Die Entwendung von Zahngold soll jedenfalls derweil durch eine Videoanlage verhindert werden.

Alle drei Mitarbeiter waren von der Stadt Hof fristlos entlassen worden. Die Prozesse vor dem Arbeitsgericht endeten mit Vergleichen. "Hätten wir vorher von der Entscheidung des Amtsgerichts gewusst", sagt eine Anwältin, "hätte man sicher härter verhandelt."

In Nürnberg ermittelt die Staatsanwaltschaft derzeit gegen neun Mitarbeiter des städtischen Krematoriums, die systematisch Zahngold Verstorbener verhökert haben sollen. Vorgeworfen wird ihnen Störung der Totenruhe - und Bandendiebstahl.

© SZ vom 4.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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