Würzburg:Drama im Orchestergraben

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In Würzburg streiten sich die Kulturschaffenden - und der Generalmusikdirektor steht im Visier des Staatsanwalts.

Olaf Przybilla

Zu beneiden ist Würzburgs Theaterintendant Hermann Schneider nicht in diesen Tagen. Denn eigentlich wäre er als Chef natürlich gefragt, wenn das Orchester des Hauses gegen den Generalmusikdirektor (GMD) Jin Wang offen revoltiert und der Oberstaatsanwalt noch bis vor kurzem wegen "versuchter Nötigung mit einem sexuellen Hintergrund" gegen den Orchesterchef ermittelt hat.

Theater unter Beobachtung: Würzburgs Orchesterchef soll sich versuchter Nötigung schuldig gemacht haben - sieht sich aber als Bespitzelungsopfer. (Foto: Foto: dpa)

Schneider aber, sonst um kein Wort verlegen, bittet dringend darum, in dieser Sache schweigen zu dürfen. Denn dem Intendanten und dem Musikdirektor sagen sie in Würzburg seit jeher ein Verhältnis nach, das mit belastet eher noch zu vornehm umschrieben wäre. Das eine aber, beteuert Schneider, habe mit dem anderen "überhaupt nichts" zu tun.

Soviel aber will er eingestehen: Unbeschwert Kunst zu machen ist am Mainfranken Theater momentan schwerer denn je. Tatsache ist, sagt der Intendant, dass das Verhältnis von Orchestermusikern und Generalmusikdirektor als "völlig zerrüttet" gelten muss.

Dass der Musikdirektor ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten ist, sei auch nicht zu bestreiten. Und dass nun deswegen viel zu lesen ist von Tumulten im Orchestergraben und wenig über die schöne Kunst am Haus, das bekümmere ihn sehr. Beim letzten Mal, als sie in Würzburg so heftig über das Theater debattierten, stand das Dreispartenhaus vor der Umwandlung in einen Betrieb ohne festes Ensemble.

Was passiert da in Würzburg? Die verschiedenen Handlungsstränge der Aufführung sind so schwer zu überblicken wie die einer Wagner-Tetralogie. Es vergeht momentan kaum ein Tag, an dem nicht einer der Protagonisten an die Rampe tritt und Anschuldigungen ins Publikum schleudert.

Nach einer großen Anzahl von immer kurioseren Akten scheint die Situation auf der Bühne verwickelter denn je. Im Zentrum des Dramas - so weit ist es klar - steht der Musikdirektor namens Jin Wang, ein Mann chinesischer Herkunft mit einem Pass aus Österreich. Er selbst sieht sich in der Opferrolle - für andere ist er der Schurke in dem Stück. Wie der Plot sich entwickelt, steht dahin.

Drei Hauptstränge prägen die Handlung: Im ersten geht es um das Verhältnis von Musikern und Chef. Der Vorstand des Orchesters hat dem Oberbürgermeister der Stadt ein Schreiben übergeben, in dem Wang als Tyrann beschrieben ist. Die Musiker behaupten, die Hälfte der Orchestermitglieder wäre längst verstorben, "wenn Blicke töten könnten".

Der Mann am Pult trete auf als einer, der einen älteren Musiker notfalls so bloßstelle, dass dieser Wochen lang nicht mehr arbeiten könne. Die Musiker sollen sich einem Druck ausgesetzt sehen, der erniedrigend wirke. Auch von Wang ist ein Papier hierzu überliefert, in dem er darum bittet, "Einzelheiten zu Kommunikationsproblematiken" im Orchester nicht in der Öffentlichkeit erörtern zu müssen.

Im zweiten Handlungsstrang duellieren sich im wesentlichen der Würzburger Kulturreferent Muchtar Al Ghusain und Wolfgang Baumann, der den Freunden des Philharmonischen Orchesters vorsteht. Baumann wirft dem Referenten vor, dieser habe über den Generalmusikdirektor ein Dossier anfertigen lassen - und darin nicht nur dessen Dienst am Pult durchleuchtet, sondern auch dessen Privatleben.

Er will von Spionageakten gegen den Dirigenten erfahren und ein System von "Bespitzelung und Bedrohung im Dunstkreis des Theaters" erkannt haben. Der Referent erklärt dies für "frei erfunden", offenbar solle damit von der Sache Wang abgelenkt werden.

Im dritten Strang wirft der Oberstaatsanwalt dem Musikdirektor vor, dieser habe sich einer "versuchten Nötigung mit sexuellem Hintergrund" schuldig gemacht. Betroffen davon soll eine Studentin sein, die gelegentlich im Orchester gespielt habe. Wang räumt ein, sich zu einer Zahlung von 5000 Euro bereit erklärt zu haben, um seine "Privatsphäre" zu schützen. Die Frau sei indes kein ehemaliges Mitglied des Orchesters gewesen. Der Staatsanwalt müsse das richtigstellen. Der aber sieht gar keinen Grund dafür.

Im neuesten Akt hat der Dirigent gerade angekündigt, seinen Vertrag am Haus bis ins Jahr 2010 "pflichtgemäß" erfüllen zu wollen. Bei seinem jüngsten Auftritt in Würzburg wurde er gefeiert - und mit "bleiben, bleiben" - Rufen bedacht.

© SZ vom 12.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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