Wirbel um Zeitungsbericht:Tut uns echt leid, St. Englmar

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Eine Redakteurin des "Straubinger Tagblatt" zieht in einem witzig gemeinten Artikel über unfreundliche Dorfbewohner her. Die verstehen ihre Art von Humor aber gar nicht, sie überfluten das Blatt mit Beschwerden - und bringen den Herausgeber zur Selbstgeißelung.

Eine Glosse von Sebastian Beck

Es waren ziemlich triste Urlaubstage in St. Englmar: Für die Kinder fiel in der Metzgerei nicht eine Scheibe Gelbwurst ab, den Hasen im Park durften sie auch nicht streicheln. Mittags machten die Geschäfte zu, und abends nach 22 Uhr war auch die Küche im Wirtshaus kalt. Die Kolumnistin des Straubinger Tagblatts fühlte sich bei ihrem Ausflug in den Bayerischen Wald unfreundlich behandelt - und schrieb ihre Erlebnisse Anfang August in einer Glosse auf. Das hätte sie besser nicht tun sollen, denn die eigentliche Satire begann erst danach.

Im Ferienort St. Englmar erhob sich der Volkszorn gegen das Straubinger Tagblatt und dessen Autorin. "Im Stolz verletzt und in der Ehre gekränkt" umschrieb die Zeitung den stark erregten Gemütszustand der St. Englmarer, der sich in Anrufen und Zuschriften entlud. Im einem zweispaltigen Artikel entschuldigte sich die Redaktion alleruntertänigst und vollumfänglichst für den vermeintlichen Rufmord - und zwar "aus ganzem Herzen und tiefstem Verständnis, dass die Glosse missverstanden werden konnte". Und weiter: "Wir sind und wir waren immer und ehrlich stolz auf St. Englmar als die Vorzeigegemeinde des Landkreises in Sachen Tourismus (. . .)".

Weil das aber offensichtlich noch nicht reichte, schob die Redaktion einen Beitrag nach, in dem die Glosse als "Übungsstück" bezeichnet wurde, das nur aus Versehen in die Zeitung gerutscht sei. Die Selbstgeißelung gipfelte schließlich in einem Schreiben des Verlegers Martin Balle, der sich bei den Lesern persönlich entschuldigte: Der Text, schrieb Balle, sei weder Stil des Hauses, noch treffe er das Wesen der Bürgerinnen und Bürger von St. Englmar. "Es tut mir leid, dass dieser Text in meiner Abwesenheit und ohne mein Wissen in der Zeitung veröffentlicht wurde."

Die Autorin der Glosse ist dem Vernehmen nach inzwischen in den Mutterschutz gegangen, ein Begriff, den man in diesem Fall sehr wörtlich nehmen sollte. Verleger Balle hat angekündigt, dass er in der Gegend von St. Englmar wieder zum Wandern gehen werde. Zugleich tat er seine Vorfreude auf harmonische Begegnungen mit den Lesern kund.

Eine Scheibe Gelbwurst hat er sich damit redlich verdient.

© SZ vom 16.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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