Weihnachtszeit:Kling, Gürkchen, klingelingeling

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Die Vorbereitungen auf Weihnachten laufen auf Hochtouren. Doch warum hängen sich die Bayern neuerdings gläsernes Gemüse an ihren Christbaum?

Caroline Wadenka

Der Amerikaner stellt sich den deutschen Christbaum gemeinhin so vor: Versteckt zwischen Kerzen, Lametta und bunten Kugeln hängen - grüne Gürkchen. In den USA gilt die Tradition der Weihnachtsgurke als ein fester Bestandteil des deutschen Weihnachtsfests.

Weihnachtstrend 2009: Die Gurke für den Christbaum. (Foto: Foto: oh)

Die Marotte, den Baum mit Gemüse aus Glas zu schmücken, soll sogar auf bayerische Wurzeln zurückgehen. Doch im Freistaat sind die krummen grünen Christbaumanhänger nahezu unbekannt. Bis jetzt: Denn auf immer mehr Christkindlesmärkten feiert die Weihnachtsgurke ihre Rückkehr in ihr angebliches Stammland.

Fleißig hängen die Amerikaner jedes Jahr die mit naturgetreuen Warzen verzierten Glas-Essiggurken an ihre Christbäume, "Christmas Pickle" nennen sie die zwischen drei und elf Zentimeter langen Anhänger liebevoll. Beim Schmücken verstecken die Eltern die Gurken zwischen den Ästen. Die Kinder müssen das Gemüse dann suchen, allerdings ohne den Baum zu berühren. Für die Kleinen wird die große, für die Großen die kleine Gurke versteckt. Wer sie aufspürt, darf entweder als erster seine Geschenke auspacken, bekommt ein zusätzliches Päckchen oder hat im folgenden Jahr einfach nur viel Glück.

Doch wie um Himmels Willen kommt die Gurke an den Baum? In den USA kursiert folgende Legende: Es war einmal ein bayerischer Soldat namens John Lower oder auch Hans Lauer. Er kämpfte im amerikanischen Bürgerkrieg und geriet in Gefangenschaft. Völlig geschwächt bat der Bayer, der sein letztes Stündlein schlagen sah, einen Gefängniswärter um eine saure Gurke. Aus Mitleid gestand man ihm das Gemüse zu. Erstaunlicherweise wurde der Soldat daraufhin wieder gesund und hängte fortan aus Dankbarkeit eine Gurke an den Christbaum.

Der Boom der Glasgurke

Über den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte lässt sich nur spekulieren. Wahrscheinlicher ist, dass die Legende erst nachträglich entstand, um die Tradition der Weihnachtsgurke etwas aufzupeppen. Eine andere Version besagt, dass deutsche Auswanderer den Brauch in die USA mitbrachten. So berichtete es zumindest ein amerikanischer Christbaumschmucksammler der Firma Inge-Glas aus Neustadt bei Coburg, die seit 30 Jahren Weihnachtsgurken herstellt. Mehr als 100.000 krumme Christbaumanhänger sind es jährlich, die Hälfte geht in die USA.

Die Historikerin Cornelia Oelwein hat viel zum Thema Weihnachten in Bayern geforscht. Obwohl der Gurken-Brauch hierzulande weitgehend unbekannt ist, glaubt sie, dass die Weihnachtsgurke in einzelnen Regionen oder Haushalten im bayerisch-thüringischen Grenzgebiet auch früher schon existiert haben könnte. Für den amerikanischen Markt könnte die Gurke dann von geschickten Marketingleuten wiederbelebt worden sein.

Einen Boom erlebte die Glasgurke in den USA vor etwa 20 Jahren. "Die Amerikaner kaufen sehr viel mehr Christbaumschmuck als wir. Irgendwann kam jemand bei der Suche nach etwas Neuem darauf", mutmaßt sie.

Die Gurke kommt zurück

Auch der Glasbläser Gernot Weigelt aus dem oberfränkischen Pressig, der seit mehr als 30 Jahren Christbaumschmuck und Gurkenanhänger fertigt, wusste bis vor fünf Jahren nicht um die Bewandtnis der Gewürzgurke für den Christbaum. Gewundert habe er sich allerdings nie darüber, dass er Gemüse als Weihnachtsdeko herstelle. "Das ist eigentlich ganz normal. Wir machen auch Zwiebeln und Paprika."

Die Form, mit der er die Essiggurken herstellt, hat er von seinem Urgroßvater geerbt. Bereits um 1900 soll es im thüringischen Lauscha eine Urform für die Weihnachtsgurke gegeben haben.

Seit einigen Jahren ist der Weihnachtsgurkenmarkt jedoch im Umbruch. Für Glasbläser Weigelt ist durch die Konkurrenz aus China und Polen eine regelrechte Saure-Gurken-Zeit angebrochen. Zu Spitzenzeiten exportierte er pro Jahr 10.000 Weihnachtsgurken aus Bayern in die USA, die dort für 15 Dollar angeboten wurden. Die osteuropäischen und südostasiatischen Gürkchen kosten fünf Dollar und machen den deutschen Kunsthandwerkern das Geschäft kaputt.

Doch langsam fasst die Weihnachtsgurke nun in ihrem angeblichen Heimatland Fuß. Brauchtumsforscherin Oelwein entdeckt die Gurkenanhänger seit drei Jahren vermehrt auf bayerischen Christkindlesmärkten. Glasbläser Weigelt, der auf dem Forchheimer Weihnachtsmarkt einen Stand hat, verkauft inzwischen jährlich 500 Weihnachtsgurken in Deutschland. "Zuerst fragen die Leute zwar erstaunt, wer sich denn so etwas an den Baum hänge", berichtet er. Zu jeder Gurke gibt es ein Kärtchen, das über den Brauch aufklärt. Spätestens dann sagen die meisten Leute: "Das brauch ich auch!"

© SZ vom 28.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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