Webadresse .bayern:Heimatgefühle im Browser

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.bayern kann man sich ab sofort für seine Webadresse als Endung sichern - aber das lohnt sich nicht immer. (Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)

Demnächst gibt es die ersten Internetadressen mit der Endung ".bayern". Wer eine bayerische Postleitzahl vorweisen kann, hat bei der Vergabe gute Chancen. Aber die eigene Bayern-Domain lohnt nicht immer.

Von Theo Müller, München

Hätte das Internet so etwas wie einen Hausmeister, Caspar von Veltheim könnte man sich gut in dieser Rolle vorstellen. Dabei trägt der 34-Jährige keinen Arbeitskittel. Und sein Schreibtisch steht auch nicht in irgendeiner Parterrewohnung, sondern einer schmucken Villa in der Münchner Antonienstraße. Von hier aus führt der studierte Filmproduzent Regie bei einer bayerischen Unabhängigkeitserklärung, wenigstens im Digitalen:

Er hält die Schlüssel zur Vergabe neuer Internetadressen mit der Endung ".bayern" in der Hand - gemeinsam mit seinem US-amerikanischen Kollegen Antony van Couvering, 54. Die beiden Männer sind Geschäftsführer der Firma Bayern Connect, die vom Freistaat mit dieser Aufgabe betraut wurde. Wie ein Hausmeister sitzen sie ein wenig zwischen den Stühlen: Auf der einen Seite sind sie der amerikanischen Internet-Registrierungsbehörde Icann und dem Land Bayern vertraglich verpflichtet, auf der anderen Seite warten Domain-Händler sehnlichst darauf, ihren Firmenkunden neue ".bayern"-Adressen verkaufen zu können.

Noch im Herbst sollen die ersten Internetpräsenzen nach dem Muster "www.beispielfirma.bayern" online gehen. "Für regionale Anbieter ist das ein Wettbewerbsvorteil bei Google", ist Geschäftsführer von Veltheim überzeugt. Die Geschichte des bajuwarischen Internet-Domizils begann im Herbst 2011. Damals beschloss das Kabinett, man wolle sich um eine eigene Domain bemühen. Zwar ging die Initiative zur Bayern-Domain ursprünglich von interessierten Unternehmern aus, doch erst die breite Unterstützung aus der Politik brachte das Projekt merklich nach vorn. Im April dieses Jahres sprach Heimatminister Markus Söder (CSU) persönlich in Sachen ".bayern" bei der amerikanischen Internet-Behörde Icann in Los Angeles vor. "Das ist eine Chance, die Marke Bayern weltweit darzustellen", sagt er zur an diesem Dienstag beginnenden Vergabe der neuen Adressen.

Bewerbungsgebühr von 185.000 Dollar

Tatsächlich wird neuen so genannten "Top Level Domains" eine große Zukunft prophezeit, allerdings weniger aus patriotischen denn praktischen Gründen. Bei den Klassikern ".de", ".com" oder ".net" sind nahezu alle denkbaren Begriffe, Kombinationen und Abkürzungen als Domain vergeben. Die amerikanische Internet-Registrierungsbehörde Icann nimmt deshalb seit einigen Jahren Bewerbungen von Unternehmen entgegen, die Verwalter einer neuen Endung werden möchten.

Es geht dabei um Allerweltsbegriffe wie ".mail", ".music" oder ".immobilien", aber auch um geografische Bezeichnungen wie ".berlin" oder eben ".bayern". Für letztere verlangt die Icann nicht nur eine Bewerbungsgebühr von 185 000 Dollar, sondern auch die förmliche Unterstützung der Bewerbung durch die zuständige Gebietskörperschaft. Dazu veranstaltete die bayerische Landesregierung Ende 2011 eine Ausschreibung. Die Bayern Connect GmbH setzte sich durch und erhielt den begehrten Unterstützungsbrief.

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Im Gegenzug fließt eine prozentuale Gewinnbeteiligung in den Staatshaushalt, deren genaue Höhe als Geschäftsgeheimnis behandelt wird. "Der Freistaat ist im Ergebnis solide an Einnahmen beteiligt", hieß es 2012 in der Antwort auf eine entsprechende Anfrage der Landtagsabgeordneten Ulrike Gote (Grüne). Fehlende Transparenz sorgte noch an anderer Stelle für Aufregung. Zu den Gesellschaftern von Bayern Connect gehört nicht nur Leopold Prinz von Bayern, sondern als Mehrheitsgesellschafter die Minds + Machines Group. Dabei handelt es sich um eine Offshore-Gesellschaft mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln - "aus historischen Gründen", wie von Veltheim sagt. Die dort ansässige Holding habe zunächst andere Geschäftsziele verfolgt, verfüge jedoch inzwischen über unabdingbare Erfahrung und technische Ressourcen im Domainbereich.

Vorkenntnisse im Betrieb von Domains sind wohl tatsächlich hilfreich, denn die richtige Verteilung der neuen Domainnamen nach Icann-Vorschriften ist für Registrare wie potenzielle Domainbesitzer hochkomplex. Sie beginnt mit zwei gleichzeitigen Vergabephasen. Zunächst können Markeninhaber ihre Ansprüche bei einer Ombudsstelle der Icann geltend machen, dem so genannten Trademark Clearing House. Die Eintragung der Marke dort gilt auch für alle anderen neuen Domainendungen. Gleichzeitig kann jedermann bei einem Internetanbieter Bayern-Domains vormerken, die keine Marken sind. Gibt es in den ersten beiden Monaten mehrere Interessenten für dieselbe Domain, so kommt derjenige zum Zug, der bei der Bestellung eine bayerische Postleitzahl angeben konnte.

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Siemens ist nicht interessiert, der FC Bayern prüft noch

Trifft das auf alle Parteien zu, so erhält der Höchstbietende in einer Auktion den Zuschlag. Ab dem 1. Oktober können die noch freien Domains registriert werden. Gesperrt sind nur wenige Begriffe wie "muenchen.bayern" oder "freistaat.bayern". PR-Agenturen mühen sich derzeit ab, potenzielle Kunden auf die neuen Möglichkeiten vorzubereiten ("Über der Bayern-Domain geht am weiß-blauen Himmel die Sonne auf"). Welche Bedeutung die neuen Endungen im Alltag tatsächlich haben werden, lässt sich kaum voraussagen. Längst sind Internetadressen den Adresszeilen der Browser entwachsen: Auf Werbeflächen und Hinweisschildern sind sie unverkennbarer Teil des öffentlichen Raums. Vielerorts sind sie Teil der Unternehmensidentität geworden.

Gerade deshalb rät die IHK München und Oberbayern ihren Mitgliedern, Entscheidungen jetzt nicht zu überstürzen. Markenrechte sollten zwar gesichert werden. Darüber hinaus gelte es aber genau zu prüfen, ob es sich lohnt, an etwaigen Bietgefechten teilzunehmen, sagte eine Sprecherin. "Für ein Tourismus-Unternehmen ist das sicher sinnvoller als für einen IT-Dienstleister."

Ähnlich sieht man es in den bayerischen Großunternehmen. BMW und Audi wollen nur ihre Markenrechte sichern , aber nicht etwa um "auto.bayern" mitbieten. Siemens ist gar nicht interessiert, beim FC Bayern München wird derweil noch geprüft, was mit einer neuen Bayern-Domain anzufangen wäre. Einen Vorteil hat die Neuheit auf dem Internetmarkt schon jetzt. Bayerische Unternehmer haben fortan keine Ausrede mehr, ".by"-Adressen für ihre Zwecke zu missbrauchen. In der Exportwirtschaft dürfte diese Alternative ohnehin für Kopfkratzen gesorgt haben: ".by" ist die offizielle Internetkennung für Weißrussland.

© SZ vom 01.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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