Waltraud Gruber:Selbstbewusst gegen den Strom

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Waltraud Gruber (Grüne) will sich nach ihrem Erfolg bei der Landratswahl sozialen Themen widmen.

Lena Grundhuber

Aßling/Steinhöring Im Gewächshaus blüht sie auf. "In der Gärtnerei bin ich am liebsten", sagt Waltraud Gruber leise, und erklärt plötzlich und unvermittelt, dass Auberginen Nachtschattengewächse seien und die Zucchinis dort drüben Gurken sind. "Nahrungsmittel, vom Garten bis zum Kochtopf, faszinieren mich einfach", strahlt sie. In diesem Moment scheint Waltraud Gruber, grüne Kreisrätin und Bezirkstagskandidatin, vollkommen vergessen zu haben, dass sie im Steinhöringer Betreuungszentrum ist, um Wahlkampf zu machen.

Dabei liegt ihr das Betreuungszentrum, das sie an diesem Wahlkampftermin zusammen mit Kreistagskollegen besichtigt, am Herzen. Leiter der Behindertenwerkstätten ist schließlich Ehemann Sebastian, und so ist es wohl weniger konstruiert als es scheinen mag, wenn eine studierte Umweltingenieurin sich im Bezirkstag gerade hinter soziale Themen "klemmen" will.

"Einerseits soll dauernd gekürzt werden, andererseits steigt der Bedarf", empört sich die 50-Jährige, die aus dem Münchner Westend stammt. Die Liebe habe sie nach Aßling gebracht, erzählt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Am Anfang sei es nicht leicht gewesen, sich an das Dorfleben zu gewöhnen. "Aber wenn das Selbstbewusstsein da ist, geht's".

Ihr unaufgeregtes Selbstbewusstsein ist es wohl, das Waltraud Gruber eine Reputation eingetragen hat, die sich an einer Zahl festmachen lässt: Mehr als 18 Prozent holte die Grüne als Landratskandidatin in diesem Frühjahr. Sie selbst nennt andere Zahlen, um ihre politische Karriere zu bebildern: Sechs Jahre als Grüne alleine im Aßlinger Gemeinderat, 24 Jahre im Kreistag - anfangs nur zu dritt - gegen eine übermächtige CSU-Mehrheit. Ein mühsamer Kampf sei das, sagt sie, hebt den Kopf und sagt: "Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom."

Da ist es wieder, das Selbstbewusstsein, das sie auch über herbe Niederlagen getragen hat. Jahrelang habe sie gegen die Müllverbrennung gekämpft, um am Ende zu verlieren, erzählt sie. Einer ihrer größten Erfolge zerschlug sich, als der Landkreis die Ökostrom-Versorgung wieder kippte und ein großer Stromversorger den Zuschlag bekam. Waltraud Gruber kann stehen zu ihrer Enttäuschung, ihre Reaktion darauf hat nichts Beleidigtes: "Jeder Vertrag geht zu Ende, ich versuch' es einfach wieder."

Solch nüchterner Pragmatismus dürfte ihr auch als Kreistagsfraktionssprecherin einer Partei helfen, die für eine zünftige Streitkultur steht. "Wir sind eben alle grüne Individuen", lacht Gruber. Ihre Aufgabe sei es, den Laden zusammenzuhalten. "Das mach' ich, glaub' ich, ganz gut - oder klingt das jetzt überheblich?"

Eitelkeit will sich die Politikerin nicht nachsagen lassen, aber ein bisschen Stolz erlaubt sie sich. Dass der Klimaschutz im Bewusstsein endlich angekommen ist und die Grünen endlich in der Mitte der Gesellschaft, sieht sie als ein politisches Verdienst. Auch auf dem Land, sagt sie, würden die Anhänger der Öko-Partei längst nicht mehr pauschal als "gspinnerte Chaoten" abqualifiziert. "Wer setzt sich denn wirklich für die Bewahrung der Heimat ein?", fragt sie, nun schon ein wenig entrüstet - um flugs vom eigenen Humor eingeholt zu werden: "A bisserl Spinner sein, das schadet ja nie."

Die grünen "Spinner" im Kreistag seien es schließlich gewesen, die das Gremium verändert, ja demokratisiert hätten, findet sie. Da lohne sich das mühsame "Gewurschtel" namens Politik, die Kraft, die es koste, sich die Macht zu holen, um mitgestalten zu können. Trotzdem - und vielleicht hat das auch etwas mit der Angst vor der Eitelkeit zu tun - hat Waltraud Gruber nie ernsthaft zum Sprung auf noch größere Macht angesetzt. Schon zu Beginn ihrer politischen Arbeit, vor gut 20 Jahren, war der Umweltschützerin ein aussichtsreicher Listenplatz für die Landtagswahl angeboten worden.

Damals entschied sie sich für die Familie. Jetzt, zwei Jahrzehnte später, kandidiert wieder ein anderer, Benedikt Mayer, für den Landtag. "Das passt mir am besten so", meint Gruber nur. Für den Vollzeitjob Landtag hätte sie ihr Leben ändern müssen - ein Leben, das die 50-Jährige auch ohne Landtagsmandat als reich und erfüllt empfindet.

"Wir bräuchten eine Stunde, wenn ich Ihnen erzähle, was ich alles tue", sagt sie. Da ist die Politik, der Familienbetrieb, das alte Häusl, das energetisch saniert wird, der Garten, das Kochen. Die Mathe-Nachhilfe, die sie erteilt, fällt da schon unter persönlichen Ausgleichssport. Denn auch eine wie Waltraud Gruber, die das "Gewurschtel" in Leben und Politik so gut gelaunt und zupackend zu bewältigen scheint, braucht einen Kontrapunkt: "An der Mathematik gefällt mir, dass es immer eine einfache Lösung gibt."

© SZ vom 10.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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