Waldkiller Eichenprozessionsspinner:Die Prozession der Schädlinge

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Der Eichenprozessionsspinner kann in vielen Regionen Frankens nur noch aus der Luft bekämpft werden - auch den Menschen kann die Raupe gefährlich werden.

Christian Sebald

Früher, da war Günter Schatz jeden Frühling im Wald. Wie so viele in Unterfranken hat der 55-jährige Iphofener ein kleine Parzelle gepachtet, auf der er Brennholz für den heimischen Kachelofen machte. "Aber auf einmal hat das mit den roten Quaddeln begonnen", sagt Schatz.

Verfressen: die Raupen des Eichenprozessionsspinners. (Foto: Foto: ddp)

"Erst hatte ich sie an den Armen, dann an den Beinen und irgendwann am ganzen Körper. Gejuckt hat das, ich wusst' nicht mehr ein und aus." Zumal der Ausschlag jedes Frühjahr wiederkehrte. Heute weiß Schatz, dass der Eichenprozessionsspinner die schmerzhafte Hautreizung ausgelöst hat. So wie Schatz geht es immer mehr Leuten.

Denn der Schädling ist auf dem Vormarsch. In vielen Regionen Frankens ist der Befall inzwischen so dramatisch, dass er nur noch aus der Luft bekämpft werden kann. Am gestrigen Dienstag sind die Aktionen wieder angelaufen.

"Der Eichenprozessionsspinner ist ein Baumschädling, wie es viele hier in Mitteleuropa gibt", sagt Thomas Immler, der Schädlingsexperte an der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Weihenstephan.

"Und wie die anderen war er schon immer hier und die meiste Zeit unauffällig. Erst seit sich die heißen und trockenen Sommer häufen, vermehrt er sich explosionsartig."

Für Immler ist klar, dass die Klimaerwärmung den Schädling begünstigt. "Der Spinner mag es warm und trocken", sagt er. "Den kriegen wir nicht mehr los."

Nester aus Kot und Haaren

Von der Würzburger Weinregion, wo er vor acht Jahren erstmals massiv aufgetreten ist, hat sich der unscheinbare Nachtfalter längst bis ins mittelfränkische Gunzenhausen ausgebreitet. Inzwischen ist er in Schwaben angekommen, in der Region um Neu-Ulm.

"Bayernweit dürften 30.000 Hektar Laubwald massiv befallen sein", sagt Immler. "Die vielen Einzelbäume in Parks und Alleen an Straßen sind noch nicht eingerechnet." Nur im Süden, wo es kaum Laubwälder gibt, kommt der Schädling noch nicht vor.

Dabei ist es nicht der Nachtfalter selbst, der so gefährlich ist. Es sind die Raupen, die im Mai aus den Eiern schlüpfen, die er im Herbst vor allem in den Kronen von Eichen abgelegt hat. Man erkennt sie an der dunklen Rückenlinie mit den behaarten Warzen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum die Raupe des Eichenprozessionsspinners auch dem Menschen gefährlich werden kann.

Zu Hunderten leben sie in Gespinsten aus Häutungsresten, Kot und anderen Materialien. Von dort aus rücken sie vor. "Und zwar in den für sie typischen Prozessionen", sagt Immler. "Wir haben schon welche mit bis zu zehn Metern Länge beobachtet."

Fällt eine solche Prozession über eine Eiche her, bleibt nicht mehr viel Blattwerk übrig. "Dennoch verkraftet ein gesunder Baum einen solchen Angriff", sagt Immler. Problematisch wird es, wenn der Spinner immer wieder dieselben Eichen kahl frisst. Dann sterben die Bäume ab.

Das passiert immer öfter. Für die Stadt Iphofen mit ihrem 2200 Hektar großen Stadtwald etwa ist der Schädling ein immenses Problem. "Seit einigen Jahren wütet er in unserem Wald, das kostet uns bares Geld", sagt Bürgermeister Josef Mend. "Schon allein wegen der einen Million Euro Umsatz, die wir normalerweise pro Jahr mit dem Holz machen."

Tödliches Dimilin

So werden die Flächen immer größer, auf denen die Raupen per Hubschrauber bekämpft werden. Seit 2000 summieren sie sich auf 600 Hektar, alleine dieses Jahr werden es wenigstens 230 Hektar sein. Eingesetzt wird vor allem das Pflanzenschutzmittel Dimilin. "Es verhindert, dass sich die Raupe häutet und tötet sie so ab", erklärt Immler.

Nicht nur die Wälder sind jedoch gefährdet. Immer öfter trifft es auch einzelne Eichen in Grünanlagen und Gärten. So muss die Iphofener Feuerwehr regelmäßig in den Stadtpark ausrücken. Spezialfirmen versuchen dem Schädling sogar mit eigens entwickelten Saugmaschinen Herr zu werden.

Am gefährlichsten ist der Eichenprozessionsspinner aber für Leute wie Günter Schatz, die mit Entzündungen auf die feinen Härchen der Raupen reagieren. Dabei sind die juckenden Quaddeln, die sich überall auf dem Körper ausbreiten können, eine noch vergleichsweise harmlose Folge.

"Wer die Härchen einatmet, kann Bronchitis, schmerzhaften Husten und sogar Asthma bekommen", sagt Stefanie Spieckenbaum, Umweltmedizinerin am Gesundheitsministerium in München. "Auch an den Augen lösen sie sehr schwere Entzündungen aus."

Besonders tückisch ist, dass die Raupen ihre Härchen bei den Häutungen praktisch überall im Wald verteilen. Außerdem fliegen die Härchen mit dem Wind sehr weit.

Gefährdet sind vor allem Förster, Jäger, Waldarbeiter und Leute wie Schatz, die sich viel in Forsten aufhalten. Zunehmend sind aber auch Wanderer, Radfahrer und andere Erholungssuchende bedroht. Die Gefahr ist inzwischen so akut, dass die Staatsregierung den Kommunen die Einrichtung von Beratungsstellen empfiehlt.

Günter Schatz hat derweil seine eigene Strategie entwickelt. Er meidet den Wald. Zumindest von Mai bis Juli, wenn die Raupen unterwegs sind. "Seither geht es mir besser", sagt er. "Aber eigentlich kann es das auch nicht sein."

© SZ vom 14. Mai 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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