Kandidaten: Wahl des evangelischen Landesbischofs:... und ein Missionar

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Drei Kandidaten wollen am Montag Nachfolger des evangelischen Landesbischofs Johannes Friedrich werden - die SZ hat die Anwärter besucht und stellt sie vor.

Heinrich Bedford-Strohm: Der Theoretiker

Drei Kandidaten wollen die Nachfolge des evangelischen Landesbischofs Johannes Friedrich antreten (v.l.): Helmut Völkel, Personalchef des Landeskirchenamts, die evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und den Bamberger Theologie-Professor Heinrich Bedford-Strohm. (Foto: dpa)

Vor seinem Büro wartet der nächste Prüfungskandidat, den die Freundin begleitet. Sie bietet dem Professor Gummibärchen an. So familiär geht es zu an der Bamberger Uni, weshalb man dem Theologieprofessor Heinrich Bedford-Strohm gerne glaubt, dass er hier "wunschlos glücklich" ist, weil er seine Kirche "liebt" und ihre Zukunft ihm wichtig ist.Es könnten Phrasen sein, gespieltes Understatement, wenn er sagt, er brauche das Amt des Landesbischofs nicht für seine Biographie. Die ihn kennen, sagen aber: So ist es tatsächlich.

Bedford-Strohm hat den Wahlkampf, der keiner sein darf, mit einer gewinnenden Leichtigkeit absolviert, die so manchen Synodalen überrascht hat. Unter den drei Kandidaten ist er zwar derjenige, der den Kirchgängern am wenigsten vertraut ist. Doch auf Bundesebene hat sich der Theologe, der in Heidelberg Assistent des früheren EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber war, längst einen Namen gemacht.

Der 1960 in Memmingen in einer Pfarrersfamilie geborene Bedford-Strohm ist Mitglied der Ökumene-Kommission der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der katholischen Bischofskonferenz. Zudem sitzt er in der Sozialkammer der EKD, wo er unter anderem die Denkschrift "Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive" mit verfasst hat.

Er wünsche sich, sagt er, eine "authentische, öffentliche Kirche". Deshalb treibt es ihn auch um, dass der eigene Sozialverband, die Diakonie, seit Jahren wegen Lohndumpings Negativschlagzeilen macht. Als Landesbischof würde er sich die Argumente der Gewerkschaft Verdi "sehr genau anhören". Kommt die Rede auf die Debatte, ob der Islam nun zu Deutschland gehört oder nicht, sagt er, man solle statt von einer christlich-abendländischen von einer "menschenrechtlichen Leitkultur" sprechen - und zu der hätten die Muslime selbstverständlich etwas beigetragen und beizutragen.

Bedford-Strohm ist seit 2004 Professor in Bamberg, zuvor war er Gemeindepfarrer in Coburg. Er hält Gastvorträge mal in New York, mal in Pretoria. Im südafrikanischen Stellenbosch hat er eine Gastprofessur.Studiert hat Bedford-Strohm, der gebürtige Schwabe und gefühlte Franke, in Erlangen, Heidelberg und im kalifornischen Berkeley, wo er die amerikanische Psychotherapeutin Deborah Bedford kennenlernte. Mit der ist er seit 25 Jahren verheiratet; die beiden haben drei Söhne.

Susanne Breit-Keßler: Die Lebenspraktische

Manchmal würde sie gern ein Fenster aufreißen und "frischen Wind reinlassen" bei den Marathonsitzungen, von denen es viele in ihrem Leben gibt. Im Seelsorgeausschuss der Vereinigten Evangelisch Lutherischen Kirche gönnen sie sich solche Pausen, das fördert die Kreativität. Sie haben in dem Ausschuss Ratgeber zur Burn-out-Vorbeugung verfasst, zum respektvolleren Umgang miteinander und zur Trauer. Wie lange darf man einen Toten zu Hause lassen? Soll man weiter Schwarz tragen, auch wenn die Freunde das längst nicht mehr verstehen? Um solche Fragen der Ethik im Alltag geht es oft, wenn Susanne Breit-Keßler predigt oder schreibt. Der Glaube, sagt sie, müsse schließlich "lebenstauglich" sein.

Susanne Breit-Keßler, 56, ist seit elf Jahren Regionalbischöfin für München und Oberbayern; sie ist die Bekannteste der drei Kandidaten. Sie positioniert sich seit Jahren in Interviews, Artikeln, Rundfunkpredigten. Sie, in Fragen des Lebensschutzes konservativ, ist Mitglied der Bioethik-Kommission der Bayerischen Staatsregierung, der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, Mitglied in der Jury des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises, im Beirat der Evangelischen Stiftung Hospiz - es gäbe weitere zu nennen.

Sie fordert mehr Ethik in der Wirtschaft, begrenzte Managergehälter und mehr Zivilcourage, protestiert gemeinsam mit dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, mit dem sie eine Freundschaft verbindet, gegen Rechts und gibt zur "marriage week" Beziehungstipps. Manche werfen ihr vor, sie tanze auf zu vielen Hochzeiten, dränge sich in den Vordergrund. Andere sagen: Sie hat das Talent, zu formulieren, zu verkündigen - und sie nutzt es eben.

Sie ist umtriebig, zupackend, ehrgeizig. Und sie kann ungeduldig sein, was sie schon mal anecken lässt.

Ihr Lebenslauf hat so viele Facetten, dass man mehrere Lebensläufe damit füllen könnte: Religionslehrerin war sie, Pfarrerin, Journalistin, Rundfunkpredigerin, Buchautorin. Seit 2003 ist sie die Ständige Vertreterin des amtierenden Landesbischofs Johannes Friedrich.

Susanne Breit-Keßler, die in zweiter Ehe mit dem Kirchenrat Dieter Breit verheiratet ist, wuchs auf im oberbayerischen Oberaudorf, in der evangelischen Diaspora. In ihrer Klasse war sie das einzige evangelische Mädchen. Ihr Vater war Feinmechaniker, die Mutter Sekretärin, die Familie arm. Eine Erfahrung, die sie gelehrt habe, "auf dem Teppich zu bleiben". Und es gibt noch eine prägende Erfahrung in ihrem Leben. Vor 28 Jahren rang sie mit dem Tod, musste sich Teile des Magens entfernen lassen, weshalb man der zierlichen Frau auch nicht ansieht, dass sie gerne kocht, gerne isst. Geblieben sei aus dieser Zeit das Wissen, "dass kein Tag selbstverständlich ist", sagt Susanne Breit-Keßler. Und ihre "Lebenslust": "Ich könnte manchmal platzen vor Wonne, dass ich lebe."

Helmut Völkel: Der Missionar

Vor kurzem hat Helmut Völkel in München bei einem Gottesdienst für Handwerker gepredigt, vor Bäckern, Lackierern und "Schlotfegern", wie der gebürtige Oberfranke Völkel die Kaminkehrer nennt. Er hat sich wohlgefühlt zwischen den Innungsfahnen, inmitten der Arbeiter. Automechaniker war der Vater. Er sei, sagt Völkel, "groß geworden mit dem Geruch von Benzin und Öl". Eine Kirche, in der "die immer gleichen Leute sich auf Empfängen selbst bestätigen", ist nicht die seine, so einer Kirche, sagt Völkel, fehle "das Missionarische".

Helmut Völkel, geboren 1952 in Marktredwitz in Oberfranken, hat sich hochgearbeitet. Nur ein Mitschüler aus seiner Klasse ist mit ihm aufs Gymnasium gewechselt. Der andere studierte katholische Theologie, er evangelische in Neuendettelsau, München und Erlangen. Völkel wurde Vikar in Röslau, das im Fichtelgebirge liegt, dann in Passau, dann Studentenpfarrer in München, was mit einer Pfarrstelle in der Gemeinde St. Matthäus gekoppelt war - jener Bischofskirche, wo nun die Wahl stattfinden wird. 1989 wechselte Völkel ins Landeskirchenamt, arbeitete neun Jahre als theologischer Referent in der Personalabteilung, der er seit 2009 vorsteht. Er ist Dienstvorgesetzter von 2500 Pfarrern und 670 Diakonen.

Dazwischen war er Pfarrer von Landshut und, sieben Jahre lang, Regionalbischof im Kirchenkreis Ansbach-Würzburg. Ein Routinier im Leiten also, einer, der als Integrationsfigur gilt. Nur eines wäre Helmut Völkel wohl nicht: Ein Bischof, der seine Kirche mit rhetorisch perfekten und intellektuell herausragenden Auftritten repräsentieren würde.

Die Konservativen in der Synode, der Arbeitskreis "Gemeinde unterwegs", hatten Helmut Völkel zur Kandidatur ermutigt, doch seine Unterstützer finden sich inzwischen auch in anderen Arbeitskreisen. Völkel ist einer, der vermitteln kann zwischen den Flügeln, der etwa Homosexuelle im Pfarrhaus "nicht euphorisch begrüßt", der aber auch, wie er sagt, "keine Ängste hat, dass daran die Einheit der Kirche zerbricht". Man müsse zu diesem Thema noch eine grundlegende theologische Debatte führen, sagt er. Als sein Hauptanliegen nennt Völkel "Glaubensvermittlung und Glaubenserfahrung", es müsse wieder gelingen, "die Herzen der Menschen mit der Botschaft zu erreichen". Ein Wunsch, den viele teilen. Nur wie soll das gelingen? Es brauche, sagt Helmut Völkel, mehr "biblisch gute und existentielle Predigten". Die Ausbildung der Theologen liege ihm deshalb am Herzen. Porträts: Monika Maier-Albang

© SZ vom 02.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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