Vor der Landtagswahl:Störfall im Atom-Wahlkampf

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Dass die CSU gegen den Atomausstieg ist, ist bekannt - doch die Energiepolitik der Christsozialen bleibt undurchschaubar.

Kassian Stroh

"Heimat-Gespräch2 nennt die Bild am Sonntag (BamS) ihre derzeitige Serie von Interviews mit den Parteivorsitzenden. Diese Woche war CSU-Chef Erwin Huber dran. Für die BamS ließ er sich nicht nur in der Pfarrkirche seines Heimatorts Reisbach in Niederbayern ablichten. Er fuhr auch gut 20 Kilometer weiter und stellte sich in ein Kornfeld vor die beiden Atomkraftwerke in Ohu bei Landshut. Ein demonstrativer Akt: Wahlkampf mit Kernkraft.

CSU-Parteichef Erwin Huber (links) und Ministerpräsident Günther Beckstein. (Foto: Foto: AP)

Im Interview selbst ließ eine Passage aufhorchen: Die AKW-Laufzeiten müssten verlängert werden, forderte Huber, im Gegenzug sollten sich die Stromkonzerne verpflichten, die daraus resultierenden Mehrgewinne "im Wesentlichen zur Dämpfung der Strompreisexplosion einzusetzen". Je nach Lesart widerspricht oder erweitert der CSU-Chef damit die Beschlusslage seiner Partei.

Seit jeher ist die CSU gegen den mit der Industrie vereinbarten Atomausstieg und tritt für die Verlängerung der Laufzeiten ein. Im vergangenen Jahr fand sie ein neues Argument dafür: Die Mehrgewinne müssten zumindest teilweise in die Forschung, den Ausbau erneuerbarer Energien und Effizienzsteigerungen investiert werden.

So findet es sich auch im CSU-Wahlprogramm. Darin ist von einem "maßgeblichen Teil der Gewinne" die Rede, die in erneuerbare Energien gesteckt werden müssten - beschlossen nur eine Woche vor Hubers Interview. Von einer Verpflichtung der Industrie, auch die Strompreise niedrig zu halten, ist nicht die Rede.

Ein Widerspruch? Nein, meint CSU-Sprecher Hans Michael Strepp, lediglich ein neuer Akzent. Beide Ziele schlössen sich nicht aus, Huber habe sich mitnichten vom eigenen Wahlprogramm entfernt. Im Übrigen sei "schon immer die Haltung der CSU" gewesen, "dass die Gewinne nicht in die Taschen der Konzerne fließen".

Eine interessante Interpretation, denn in den Beschlüssen maßgeblicher Gremien findet sich das erst seit zehn Monaten, als die CSU-Landtagsfraktion eine solche Erklärung verabschiedete. Dass die Kernkraft nun in Günther Becksteins Wahlprogramm als "Brücke in eine erneuerbare Energiewirtschaft" bezeichnet wird, ist auch bemerkenswert, da die CSU vor einem Jahr noch das Wort "Übergangstechnologie" aus dem Entwurf des Grundsatzprogramms strich.

Es geht um viel Geld: Sind die immens hohen Anfangsinvestitionskosten erst einmal abgeschrieben, wird Atomstrom im Vergleich zu anderen Energieträgern sehr billig. Jedes Jahr mehr an Laufzeiten würde der Industrie, so haben die Grünen errechnet, zusätzliche Gewinne von zehn Milliarden Euro einbringen. Sie müssten nach Huber also "maßgeblich" in erneuerbare Energien und "im Wesentlichen" in niedrigere Preise gesteckt werden - gleichzeitig.

Da er den Verdacht hege, dass die Industrie die Erlöse einfach einstreiche, ist der atomkritische CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel gegen eine generelle Laufzeitverlängerung - auch weil dies die Anstrengungen, Strom effizienter zu nutzen und regenerativ zu erzeugen, verschleppen würde.

Hubers Atomkraft-Werbetour will er nicht kommentieren; andere CSU-Vertreter äußern jedoch Zweifel. Dass Huber in der BamS Laufzeiten von 60 Jahren als "technisch machbar" bezeichnete, halten manche für albern. Andere sorgen sich, dass nur ein kleiner AKW-Störfall in den kommenden Wochen zum Wahlkampf-GAU für die CSU werden könnte.

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