Vor dem CSU-Parteitag in Nürnberg:"Keine Partei hat eine Ewigkeitsgarantie"

Lesezeit: 3 min

Am Freitag beginnt der Parteitag der CSU in Nürnberg - überschattet vom unionsinternen Streit über die Pendlerpauschale. Im SZ-Interview spricht CSU-Parteichef Erwin Huber über den Zwist mit der Kanzlerin, die veränderte Wählerstruktur und seine Aussichten für die Landtagswahlen.

Annette Ramelsberger

SZ: Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein hat gesagt: Auch wenn die CSU unter 50 Prozent fällt, gehe die Welt nicht unter. Haben Sie sich geärgert?

CSU-Vorsitzender Erwin Huber im Juni auf einer Sitzung von CDU und CSU in Erding bei München (Foto: Foto: dpa)

Huber: Nein, wir sind seit zwei Monaten in einem spürbaren Aufwärtstrend. Da lassen wir uns nicht irritieren. Unser Wahlziel ist unverrückbar 50 plus x.

SZ: Sie haben sich nur gewundert?

Huber: Über die Frage, weil 50 minus x für die CSU unrealistisch sind. Die Zustimmung zu uns wächst, vor allem, wenn sich die Menschen die möglichen Alternativen vor Augen halten. Eine Viererkoalition unter Führung der SPD, die nur durch die Abneigung gegen die CSU zusammengehalten wird, ist für die Menschen in Bayern nicht attraktiv.

SZ: Bleiben wir bei Beckstein. Er hat Ihnen einen echten Stolperstein in den Weg gelegt.

Huber: Nein. Wir sind eben nicht überheblich, sondern gehen mit Selbstbewusstsein, Realismus und großer Motivation in die Landtagswahl.

SZ: Und deswegen greifen Sie in erster Linie die Kanzlerin an.

Huber: Es geht nicht um eine persönliche Auseinandersetzung. Es geht um die Sachfrage, wie wir die Pendler entlasten. In den 60 Jahren Zusammenarbeit haben CDU und CSU schon ganz andere Belastungen ausgehalten. Die Kanzlerin nimmt das sportlich und wir auch.

SZ: Was hat Frau Merkel auf dem Parteitag zu erwarten?

Huber: Einen freundlichen Empfang und gespannte Aufmerksamkeit.

SZ: Und was erwarten Sie von ihr?

Huber: Dass sie die besondere Rolle der CSU würdigt. Sie weiß, dass wir für die Unionsfamilie unersetzlich sind. Sie weiß, dass die CDU eine starke CSU braucht.

SZ: Haben Sie Streicheleinheiten aus dem Kanzleramt nötig?

Huber: Wie kommen Sie darauf? Wir sind eigenständig und wir sind in Berlin anerkannt. Da brauchen wir keine Bestätigung, das ist ein Faktum. Die CSU hat immer die Fähigkeit gehabt, auch gegen den Strom zu schwimmen, gegen den Zeitgeist schwierige Entscheidungen durchzusetzen.

SZ: Werden Sie in Berlin auch anerkannt, wenn Sie unter 50 Prozent fallen?

Huber: Das Gewicht jeder Partei hängt von Wahlerfolgen ab. Es gibt aber Symbole, von denen auch ein Nimbus abhängt.

SZ: Die Wählerstruktur ändert sich auch in Bayern rasant. Hat die CSU nicht Angst, eines Tages Provinzpartei zu sein?

Huber: Nie und nimmer, weil wir immer auch für Deutschland und Europa denken. Für alle Volksparteien wird es natürlich in der fragmentierten Gesellschaft schwieriger. Deshalb müssen wir auf alle Entwicklungen in der Gesellschaft sensibel reagieren.

SZ: Sie selbst gelten als konservativer Knochen. Ist die CSU allmählich moderner als ihr Vorsitzender?

Huber: Ich bin an der Spitze der Bewegung, zum Beispiel, wenn es um moderne Familienpolitik geht. Ich bin konservativ in den Fragen innere Sicherheit, Vaterland, Heimat. Wir sind offener und moderner, als wir manchmal wahrgenommen werden. Meine Entscheidung, die erste Generalsekretärin der CSU zu berufen, ist deutlich mehr als nur ein symbolisches Zeichen.

SZ: Auf lange Sicht sind absolute Mehrheiten aber eher unwahrscheinlich.

Huber: Nein, aber es wird schwieriger.

SZ: Wir lange kann die CSU noch die absolute Mehrheit erringen?

Huber: Solange wir gut sind, haben wir die Chance dazu. Aber die traditionellen Milieus lösen sich teilweise auf. Nicht jeder, der nach Bayern zieht, ist eingefleischter CSUler. Die homogene Gesellschaft früherer Jahrzehnte gibt es nicht mehr. Wir müssen die Hand am Puls der Gesellschaft haben. Offen sein für neue Entwicklungen und sie aufgreifen, aber auch wertkonservativ prägen, uns vor Verkrustung schützen - das war schon immer die Stärke der CSU.

SZ: Irgendwann ist der Zeitpunkt da, an dem Sie unter 50 Prozent fallen.

Huber: Keine Partei hat eine Ewigkeitsgarantie. Es ist immer wieder ein neuer Kampf. Aber wir sind die stabilste aller Volksparteien und haben die stärkste inhaltliche Substanz. Ich will als Vorsitzender die Weichen so stellen, dass wir auch in zehn und in 15 Jahren die Mehrheit in Bayern haben.

SZ: Fürchten Sie nicht, dass die bayerischen Wähler der immerwährenden CSU irgendwann einfach mal überdrüssig sind und ganz was Neues wollen?

Huber: Aber wir sind das Neueste in Bayern.

© SZ vom 18.07.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: