Von Neonazis heimgesucht:Braune Nervensägen

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Jeden Monat kreuzt im oberfränkischen Städtchen Gräfenberg eine Horde Neonazis auf und bedroht ihre Gegner. Ein Bürgerbündnis wehrt sich mit kreativen Aktionen gegen die rechtsradikalen Demonstranten.

Olaf Przybilla

Der erste Drohbrief kam im Januar per Mail. Werner Wolf, Bürgermeister im oberfränkischen Gräfenberg, wurde darin aufgefordert, seinen "Widerstand gegen die nationalen Kräfte einzustellen". Der Absender konnte ermittelt werden, ein Bursche mit rechtsradikalem Hintergrund.

Die Bürger von Gräfenberg wehren sich gegen die Neonazis: "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" (Foto: Foto: oh)

Der nächste Brief erreichte den Bürgermeister auf dem Postweg, abermals mit der Forderung, sich den Nationalen nicht in den Weg zu stellen. Diesmal aber mit dem Zusatz: "Wer uns angreift, muss selbst mit Verletzungen rechnen." Seit vergangener Woche glaubt Wolf zu wissen, wie das gemeint gewesen sein könnte. An seinem Wohnhaus zerschellten nachts vier präparierte Eier.

Dickflüssiger Lack verunstaltet seither die Hauswand. Gefüllt waren die Wurfgeschosse mit roter Farbe. Blutrot, sagt der Bürgermeister.

Ein rechtsradikaler Anschlag? Wolf erzählt von einem Vorfall in Gräfenberg zwei Tage zuvor. Mit Farbe wurde in der Innenstadt ein Haus verunstaltet, an dem derzeit einmal pro Monat ein Plakat befestigt wird, das den monatlichen Aufmarsch der Neonazis in Gräfenberg kommentiert.

Bis November 2006 suchten die "Jungen Nationaldemokraten" lediglich einmal pro Jahr das Städtchen in der Fränkischen Schweiz heim. Seither kommen sie monatlich, sie verfahren immer nach dem selben Ritual: Vom Bahnhof aus ziehen sie quer durch die Gassen der 4100-Einwohner-Stadt, danach geht es hinauf zum Michaelsberg, wo seit 1924 ein Kriegerdenkmal an die Toten des Ersten Weltkriegs erinnert. Warum ausgerechnet Gräfenberg?

Die Stadt hat keine besondere braune Vergangenheit, die Burschen mit Glatzen und Springerstiefeln kommen "wohl nur der exponierten Lage wegen", vermutet der Bürgermeister. Zwar müssen sie am Fuß des Kriegerdenkmals Halt machen, weil ein örtlicher Verein so geistesgegenwärtig war, das Objekt zu pachten.

Der Ort hoch über den Dächern eines mittelalterlichen Städtchens mit Blick bis nach Nürnberg bleibe für die Rechten trotzdem anziehend, beobachtet Karin Bernhart, Mitinitiatorin des Bürgerforums "Gräfenberg ist bunt".

"Kehr-Paket für Braune"

Nachdem die Nationaldemokraten im Fichtelgebirge, vor allem in Wunsiedel, längst Fuß gefasst haben, sei nun "offenbar auch der Süden Oberfrankens an der Reihe". Das Bündnis versucht sich mit kreativen Aktionen gegen die monatlichen Aufmärsche zu stemmen.

Zu Faschingsende hielten orangefarben gekleidete Gräfenberger ein "Kehr-Paket für Braune" bereit. Mit Besen, Schrubbern und Handfegern wurden die Rechten aus der Stadt verabschiedet - ein demokratischer Kehraus.

Am heutigen Donnerstag werden schon wieder Neonazis in der Stadt erwartet. Ursprünglich war der Aufmarsch für den 20. April, Hitlers Geburtstag, angemeldet.

Wegen des symbolhaften Datums untersagte dies das Forchheimer Landratsamt, was Gräfenberger Stadträte nicht davon abhielt, in den Gassen der Stadt Gedichte gegen Krieg und Menschenverachtung vorzutragen. Für den Aufmarsch heute hat das Bürgerforum keine Gegenveranstaltung angemeldet.

Der Marktplatz soll menschenleer sein, wenn die Neonazis kommen, abgesperrt nur mit einem Bauzaun und verziert mit einem Plakat. "Lauft euch doch die Füße wund - Gräfenberg bleibt kunterbunt", soll darauf zu lesen sein. Von einer Strategie des "aktiven Ignorierens" spricht Bernhart.

Vorgeschobenen Demonstrationsmotto

So gelassen reagieren nicht alle in Gräfenberg. Der monatliche Aufmarsch, klagen Geschäftsleute, sorge längst für schlimme Umsatzeinbußen. "Wir können es uns nicht leisten, einmal pro Monat zur Geisterstadt zu mutieren", sagt ein Einzelhändler.

Zwar ziehen selten mehr als 50 Rechtsradikale durch die Altstadtgassen, die meisten davon keine 30Jahre alt. Durch die notwendigen Personenkontrollen und Absperrungen reiche dies aber, um "die Innenstadt lahmzulegen". Schon im Februar haben sich hundert Gräfenberger an Innenminister Günther Beckstein gewandt. Es sei nicht hinzunehmen, schrieben sie, dass ein bestimmter Ort einmal pro Monat schikaniert werden könne, jeweils unter einem vorgeschobenen Demonstrationsmotto.

Am Donnerstag lautet es: "Denkmäler sind für alle da". Mit Gräfenberg, betont Bürgermeister Wolf, habe dies rein gar nichts zu tun. Er drängt auf eine Gesetzesänderung, um regelmäßige Demonstrationen am immer gleichen Ort künftig verbieten zu können. Zwar wachse derzeit noch der kreative Widerstand in Oberfranken - auf lange Sicht aber werde die Kleinstadt das kaum durchhalten können. Ihn selbst hätten die privaten Drohbriefe erschüttert. Klein beigeben, sagt er, werde er aber keinesfalls.

© SZ vom 26. April 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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