Urteil zur Pendlerpauschale:Der Triumph der kleinen Schwester

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Mit stolzgeschwellter Brust feiert die CSU den Richterspruch zur Pendlerpauschale als Erfolg - das Verhältnis zur CDU ist dadurch nicht besser geworden.

K. Stroh und S. Braun

Seinen Sieg nutzte Erwin Huber gleich zum Angriff. Als "Erfolg auf ganzer Linie" bezeichnete der frühere CSU-Chef das Karlsruher Urteil zur Pendlerpauschale. Und er attackierte die CDU: Die habe dafür "leider nichts getan", für die Bundeskanzlerin wäre es "besser gewesen, mehr auf den Rat der CSU zu hören als auf den ihres Finanzministers". Aber, nun ja, der CDU fehle es halt an "Kompetenz in Sachen Steuerpolitik".

Die CSU sieht sich durch das Urteil zur Pendlerpauschale bestätigt. (Foto: Foto: AP)

Huber zelebrierte höchste Zufriedenheit. Sein Nachfolger Horst Seehofer hingegen zeigte in Tonfall wie Mimik nicht den ganz großen Triumphator. Manchmal gehört der CSU-Chef eben zu den eher stillen Genießern. Trotzdem fehlte es auch seinem Kommentar zum Karlsruher Urteil nicht an einer gewissen Schärfe, vor allem gegenüber der großen Schwesterpartei, den Christdemokraten. "Es ist bedauerlich, dass erneut die Politik in wichtigen Grundsatzfragen erst auf die Gerichte warten muss, statt selbst zu gestalten", sagte der CSU-Vorsitzende.

Seehofer zeigte sich am Dienstag in der eigenen Parteizentrale, also genau dort, von wo aus mindestens seit vergangenem Mai mit Verve für die Wiedereinführung der Pendlerpauschale gekämpft worden war. Ja, sicher, auch die CSU hatte zu Beginn der Großen Koalition die teilweise Abschaffung der Pendlerpauschale mit beschlossen.

Ex-Parteichef Huber aber hatte die Rückkehr zur alten Regel vor einem halben Jahr zum Wahlkampfthema erhoben und die Kürzung als Fehler bezeichnet. Nach dem von der CSU nun zum Sieg erklärten Richterspruch von Karlsruhe will Seehofer seine CSU noch einmal gebührend als Gewinner präsentieren.

Den Namen Angela Merkel erwähnte der CSU-Chef dabei nicht mal auf Nachfrage. Dennoch konnte jeder die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende als Adressatin der Seehoferschen Sticheleien ausmachen. "Wir hatten keine Unterstützung", sagte er, "das glatte Gegenteil" sei der Fall gewesen. Dazu kritisierte er die angebliche Untätigkeit der Kanzlerin im Angesicht der schwersten Rezession der Nachkriegszeit. Anstatt noch lange zu warten, müssten "jetzt weitere Schritte zur steuerlichen Entlastung der Bürger folgen", verlangte Seehofer und führte die altbekannten Forderungen der CSU an: Höhere Grundfreibeträge seien richtig, die Abschaffung der kalten Progression und Steuererleichterungen insgesamt. "Nur kräftige Entlastungen werden uns helfen."

Freude und Zufriedenheit sprachen da am Dienstag aus der CSU - und in Berlin konnte das niemanden wirklich wundern. Unangenehmer war für die CDU-Führung der Frust, der in München noch einmal aufbrach über all das, was die große Schwester der kleinen in diesem Jahr verweigert hatte. An Unterstützung hatte sie es vermeintlich fehlen lassen, an mentalem Zuspruch und natürlich an der von München erhofften und von Berlin verweigerten Steuersenkung. Das Nein der CDU-Spitze um Parteichefin Angela Merkel, Generalsekretär Ronald Pofalla und Fraktionschef Volker Kauder gilt in der kollektiven Wahrnehmung der CSU als Hauptgrund für das historische Debakel bei der Landtagswahl im September. Von "bizarren" Auftritten der CDU spricht Seehofer heute. Dass diese CDU-Führung das ganz anders sieht, dass sie die Probleme der Bayern zu einem Großteil bei der alten Machtarroganz der CSU verortet, führt zwischen CDU und CSU naturgemäß auch nicht zu einer Entspannung der Lage.

Das Karlsruher Urteil trifft die beiden Schwesterparteien ohnehin in einer Zeit, in der sich das Verhältnis massiv abgekühlt hat. Da mag der persönliche Draht zwischen dem "Horst" und der "Angela" ganz gut sein, die Spannungen zwischen Berlin und München sind in den letzten zwölf Monaten stetig gewachsen. Dafür verantwortlich sind unterschiedliche Auffassungen in der Sache. Und dazu kommen kommunikative Fehler, die inhaltliche Differenzen emotional noch befeuern. Seehofer und seine Mannen um Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg halten niedrigere Steuern nach wie vor für das beste aller Konjunkturprogramme und werden nicht müde, das jeden Tag von neuem zu intonieren. Für die Kanzlerin, die erstens an der Richtigkeit zweifelt und zweitens bis Jahresende "alle Optionen" prüfen möchte, ist das schon ziemlich unangenehm. Dass die CSU sich durch ihre politischen Erfolge bei der Erbschaftsteuer und jetzt in Karlsruhe auf besondere Weise bestärkt fühlt, macht es ihr noch schwerer.

Hinzu kommen kommunikative Ungereimtheiten, die es früher so nur in schwersten Konflikten gegeben hat. Jüngstes Beispiel in einer ganzen Kette ist Seehofers laute Klage, er habe aus der Zeitung vom bevorstehenden Konjunkturgipfel im Kanzleramt am kommenden Sonntag erfahren. Während die Regierung darauf verweist, der CSU-Bundesminister Michael Glos sei als Teilnehmer frühzeitig informiert worden, schimpft die Seehofer-CSU, sie werde außen vor gehalten. "Da klingt nicht einmal der Versuch an, den Ton zum Nutzen der Union ein bisschen zu senken", schimpft einer aus der obersten CDU-Führung.

Hört man hinein in die beiden Parteiführungen, dann wird viel erzählt von häufigen Telefonaten und kaum selteneren Gesprächen. So trafen sich die Parteichefs und Generalsekretäre am Freitag vergangener Woche. Dass daraus Phasen erwachsen, in denen nicht andauernd Meinungsunterschiede gepflegt werden, ist indes nicht zu erkennen.

Dahinter steckt der massive Versuch Seehofers, die CSU wieder "auf Augenhöhe" zu bringen, wie sie es bei der CSU ausdrücken. Ein eigener wirtschaftspolitischer Kurs, ein eigenes Programm für die Europawahl, ein eigener Kurs bei der Rettung der Landesbank, ein eigenes Profil für die Bundestagswahl - all das wird in der CDU als Anstrengung gewertet, sich - egal wie - von der großen Schwester zu emanzipieren. "Für uns wird Seehofer dadurch fast unberechenbar", heißt es in der CDU-Spitze, "aber zur Zeit können wir dagegen kaum etwas machen."

© SZ vom 10.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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