Urteil zum Millionen-Teppich:Auf dem Boden der Tatsachen

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Zuerst wurde der Wert des Teppichs gerade einmal auf 900 Euro geschätzt. Dann wurde er bei Christie's für ein Vermögen versteigert. Nun verliert die Klägerin den Prozess um den Augsburger Millionen-Teppich. Der Auktionator habe "die nötige Sorgfalt" walten lassen.

Von Stefan Mayr

Seit drei Jahren fliegt der Millionen-Teppich von Augsburg nun schon von Richtertisch zu Richtertisch. Seit drei Jahren schwirrt er weltweit durch die Medien - von der Bild-Zeitung über das FAZ-Feuilleton bis zur New York Times. Am Donnerstag hat das Oberlandesgericht München nun den Aktendeckel über dem Stück aus dem 17. Jahrhundert geschlossen.

Die Schadenersatz-Klage der ehemaligen Besitzerin gegen den Augsburger Auktionator Georg Rehm wurde abgewiesen. Der Versteigerer hatte den Wert des Persers auf 900 Euro geschätzt. Als das Objekt dann für 19 700 Euro verkauft wurde, waren Rehm und seine Kundin zunächst überaus zufrieden. Doch wenige Monate später fühlten sie sich wie in einem schlechten Märchen aus 1001 Nacht: Im Londoner Auktionshaus Christie's wechselte der leicht beschädigte Läufer für sage und schreibe 7,2 Millionen Euro den Besitzer.

Die ehemalige Besitzerin, eine ältere Dame aus Planegg bei München, verklagte Rehm daraufhin auf 344 800 Euro Schadenersatz, sie warf ihm eine Verletzung der Sorgfaltspflicht vor. Ihr Anwalt Hannes Hartung drückte sich weniger juristisch aus: "Er hat ein Meisterwerk als Bettvorleger eingestuft."

Doch der 14. Zivilsenat des OLG München hat keine Pflichtverletzung erkannt: "Der Maßstab ist die Sorgfalt eines Varia-Auktionators und nicht die Sorgfalt eines Teppichexperten", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Ermer in seiner Urteilsbegründung. Bei der Versteigerung kam gemischter Hausrat unter den Hammer, welchen die Klägerin von ihrer Mieterin geerbt hatte.

Dass die Mieterin Haushälterin bei einem Antiquitäten-Sammler war und dass der Teppich einst im Schlafgemach der französischen Comtesse de Béhague (1870 - 1939) lag, wusste Rehm zu diesem Zeitpunkt nicht. Als Auktionator, der erklärtermaßen nicht auf Teppiche spezialisiert ist, habe er laut Gericht den außerordentlichen Wert des Persers "nicht erkennen müssen". Bei der Auktion habe Rehm durchaus die nötige Sorgfalt walten lassen: Er habe einen Teppichhändler um Einschätzung gebeten, das Objekt "gut fotografiert und angeboten" und dafür gesorgt, "dass das Who is Who der deutschen Teppichsammler" von seiner Versteigerung erfuhren. Auch diese erkannten das exorbitante Potenzial des Objekts nicht. Jedenfalls gab es keine große Bieterschlacht, den Zuschlag bekam ein Interessent am Telefon für knapp 20 000 Euro.

Bereits in der ersten Instanz vor dem Augsburger Landgericht hatte die Klägerin eine Niederlage eingesteckt. Damit wollte sie sich allerdings nicht abfinden. Sie reduzierte ihre Forderung auf 100 000 Euro und ging in Berufung. In der zweiten Runde wurde ein weiterer Sachverständiger für Kunstobjekte gehört. Dieser berichtete davon, dass sogar ausgewiesene Teppich-Experten nicht vorhersehen konnten, dass der Teppich bis auf 7,2 Millionen Euro hochschnellen könnte.

Der Klägerin bleibt eine Hintertür

Die Kosten des Verfahrens muss nun die Klägerin tragen, zudem ließ das Gericht eine Revision nicht zu. "Ich bin froh, dass die Geschichte jetzt endlich ausgestanden ist", sagte Georg Rehm nach der Urteilsverkündung. Die Nacht zum Donnerstag habe er "sicher nicht gut" geschlafen, der Urteilsverkündung blieb er fern. Er erfuhr von der Entscheidung per Telefon. "Da kommt nur bedingt Freude auf", sagte Rehm, "es ging um zu viel, das Ganze geht nicht spurlos an einem vorbei."

Der Prozess habe das Tagesgeschäft vier Jahre lang überschattet, "bei einer Verurteilung hätte ich mein Fünf-Mann-Unternehmen zusperren können." Das Verfahren habe bundesweit bei allen Auktionatoren Unruhe ausgelöst. Rehm: "Alle Kollegen haben das mit Sorge verfolgt."

Doch allzu sicher kann sich Rehm noch nicht sein. Der Klägerin bleibt eine Hintertür. Sie könnte gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. "Das prüfen wir auf jeden Fall sehr sorgfältig", sagte ihr Anwalt Hannes Hartung. "Hier geht es um sehr grundlegende Fragen der Sorgfaltspflicht, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind." Deshalb könne er sich sehr gut vorstellen, dass sich der BGH mit "dieser spannenden Frage" befasst.

Der 3,38 Meter lange und 1,53 Meter breite Teppich selbst ist inzwischen in seine Heimat zurückgekehrt: Er befindet sich im Museum of Islamic Art in Doha (Katar), wo auch das älteste erhaltene Zelt der Welt und kostbare Bedeckungen der heiligen Kaaba ausgestellt werden.

© SZ vom 21.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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