Mit der Verurteilung des ehemaligen Lobbyisten Karlheinz Schreiber zu acht Jahren Haft hat die 9. Strafkammer des Landgerichts Augsburg am Mittwoch einen vorläufigen Schlussstrich unter eine der spektakulärsten und langwierigsten Schmiergeld- und Korruptionsaffären der Nachkriegszeit in Deutschland gezogen.
Der 76-jährige Schreiber hat nach Überzeugung des Gerichts in den Jahren 1988 bis 1993 etwa 64 Millionen Mark an Provisionen aus Flugzeug- und Rüstungsgeschäften nicht angegeben und damit 14,6 Millionen Mark - etwa 7,5 Millionen Euro - Einkommensteuer hinterzogen. Die Bestechung des ehemaligen Rüstungsstaatssekretärs Ludwig Holger Pfahls im Zusammenhang mit der Lieferung von Schützenpanzern aus Bundeswehrbeständen an Saudi-Arabien sah das Gericht ebenfalls als erwiesen an, sie fiel aber wegen Verjährung für die Verurteilung nicht ins Gewicht.
Der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell sagte in seiner Urteilsbegründung, Schreiber gehöre "zu einer Spezies, die nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, jeden und alle schmiert und den Fiskus betrügt, wo es nur geht". Dieses Verhalten dürfe man "ohne Übertreibung als maßlos und raffgierig bezeichnen". Schreibers Anwälte Jens Bosbach und Jan Olaf Leisner kündigten Revision gegen das Urteil an. Reinhold Nemetz, der Leiter der Augsburger Staatsanwaltschaft, sagte, er sei "sehr zufrieden" mit dem Urteil. Die Staatsanwaltschaft hatte neuneinhalb Jahre Haft gefordert.
15 Jahre nachdem Karlheinz Schreiber sich durch seine Flucht in die Schweiz der deutschen Justiz entzogen hatte, und auf den Tag genau neun Monate nach seiner Auslieferung durch Kanada, wohin er sich 1999 abgesetzt hatte, ist der "Schreiberkomplex" damit vorbehaltlich eines möglichen Revisionsverfahrens juristisch abgearbeitet. In einer Serie von Strafverfahren hatte das Landgericht Augsburg zuvor die ehemaligen Thyssen-Manager Jürgen Maßmann und Winfried Haastert wegen Steuerhinterziehung und den Ex-Staatssekretär Ludwig Holger Pfahls wegen Steuerhinterziehung und Vorteilsannahme zu Haftstrafen verurteilt. Max Strauß, der Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, war zunächst verurteilt, aber nach erfolgreicher Revision freigesprochen worden. Schreiber selbst hatte sich zehn Jahre lang in Kanada mit allen juristischen Mitteln gegen seine Auslieferung gewehrt, ehe er schließlich im August 2009 an Deutschland überstellt wurde.
Im Prozess ging es um Provisionen, die Schreiber für seine Vermittlungstätigkeit beim Verkauf von Flugzeugen der Firma Airbus an kanadische und thailändische Fluggesellschaften, von MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwacht und von Fuchs-Spürpanzern durch die Firma Thyssen an das Königreich Saudi-Arabien erhalten hatte. Die Zahlungen liefen über die von Schreiber gegründeten Briefkastenfirmen IAL und ATG auf Konten beim Schweizerischen Bankverein in Zürich. IAL und ATG wiederum waren hundertprozentige Töchter der Firma Kensington-Anstalt in Liechtenstein, die ebenfalls von Schreiber gegründet wurde.
Der Kaufmann hatte durch seine Verteidiger vortragen lassen, er selbst sei nur formal der Inhaber dieser Domizilgesellschaften und der Schweizer Konten gewesen; der tatsächlich wirtschaftlich Berechtigte dagegen sei sein mittlerweile verstorbener kanadischer Geschäftspartner Frank Moores gewesen.
Dies wertete das Gericht als "eindeutige Schutzbehauptung". Schreiber habe Kontovollmachten an seine Ehefrau und seinen Sohn erteilt, er habe "überaus zahlreiche" Barabhebungen von den Konten der beiden Briefkastenfirmen vorgenommen, er habe von diesen Konten eine Parteispende von einer Million Mark an die CDU und eine Investition von 8,5 Millionen Mark für ein Russlandgeschäft getätigt, schließlich habe Schreibers Ehefrau Barbara Anfang 1995 15 Millionen Mark von den Schweizer Konten abgeräumt und nach Liechtenstein transferiert - "all dies hatte keinerlei Bezug zu Frank Moores", sagte Richter Weigell. In einem von Schreiber persönlich verfassten Organigramm zur Kensington-Anstalt hatte der Angeklagte seinem damaligen Bevollmächtigten Giorgio Pelossi 20 Prozent des Gewinns versprochen - "wegen nachgewiesener Fähigkeit, Vertrauen, Freundschaft, Bruder, ich habe ihn furchtbar gern". Pelossi war es, der später, nach einem Zerwürfnis mit Schreiber, die Ermittlungen gegen den "Freund und Bruder" ins Rollen gebracht hatte.
Die schwierigste Frage des Prozesses sei gewesen, was Schreiber als Betriebsausgaben steuermindernd anzurechnen sei, sagte Weigell. Der Lobbyist selbst habe dazu keinerlei konkrete Angaben gemacht, obwohl "die wichtigsten Zeugen alle hier im Gerichtssaal saßen", rügte der Vorsitzende Richter. "Max Strauß saß hier - hat Schreiber ihm vorgehalten, was er oder sein Vater von ihm bekommen hätten?" Ludwig Holger Pfahls habe selbst eingeräumt, knapp 900.000 Mark bekommen zu haben - "er wurde von Schreiber als Lügner gescholten". Winfried Haastert hatte die zwei Millionen Mark, die Schreiber ihm mit der Bemerkung "Kauf dir was Schönes" zugesteckt hatte, als "Geschenk" ohne jeglichen Anlass bezeichnet - "hat Schreiber ihm Vorhaltungen gemacht", fragte Weigell und antwortete selbst: "Nichts als Schweigen". Die Verteidiger, sagte Weigell, hätten dieses Schweigen "mit einer Art Ganovenehre begründet". Die Strafkammer dagegen werte dieses Verhalten "als den leicht zu durchschauenden Versuch, den Prozess in die Länge zu ziehen und auf Nebenschauplätze auszuweichen". Schreibers während des Prozesses stereotyp wiederholte Einlassung, er wolle sich "derzeit nicht äußern", sei "an Peinlichkeit nicht zu überbieten", sagte Weigell.
Schließlich sei das Gericht aufgrund vieler Hinweise davon ausgegangen, dass die Hälfte der an Schreiber geflossenen Provisionen als Betriebsausgaben gelten könnten. "Damit fährt er am günstigsten", sagte Weigell. Dass Schreiber nicht alles an Dritte weiterverteilt habe, ergebe sich schon aus seinem "aufwendigen Lebensstil". Schreiber habe in Kaufering ein herrschaftliches Anwesen auf 10000 Quadratmetern Grund bewohnt, dessen Inneneinrichtung allein auf sechs Millionen Mark geschätzt worden sei. Er habe sechs weitere bebaute Grundstücke in Kaufering und mehrere Wohnsitze in der Schweiz und in Kanada besessen; all das könne er unmöglich aus den Gewinnen seiner im Jahr 2004 in Konkurs gegangenen Firma BBC finanziert haben.
Das Strafmaß begründete Weigell mit der Höhe des Gesamtschadens, dem "System der Verschleierung", das Schreiber aufgebaut habe, und der "beispiellosen Uneinsichtigkeit" des Angeklagten, die "weit über ein normales Bestreiten" hinausgehe. Mit einer Wiedergutmachung des Schadens sei nicht zu rechnen, nachdem Schreiber im vergangenen Herbst eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse geleistet habe - "egal, ob man die für richtig hält oder nicht". Mildernd habe die Kammer lediglich das vorstrafenfreie Leben und das fortgeschrittene Alter Schreibers berücksichtigt; das sei aber "zu wenig, um eine milde Strafe zu rechtfertigen".
Der Angeklagte hatte den Gerichtssaal wie üblich mit einem jovialen "Guten Morgen" betreten und auf die Frage, wie es ihm gehe, geantwortet: "Danke, ich bin zufrieden. Ich freue mich, so manches bekannte Gesicht zu sehen." Während der Urteilsbegründung blickte Schreiber meist zu seiner im Zuschauerraum sitzenden Ehefrau und warf ihr gelegentlich einen Luftkuss zu. Verteidiger Jens Bosbach sagte nach dem Ende der Verhandlung, Schreiber sei "kraftvoll" und habe "einen langen Atem".