Urbanes Leben:"Nürnberg fehlt das studentische Biotop"

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OB Ulrich Maly über Stadtvergreisung, Kreativitätstransfer und die Vision von einer Technischen Universität.

Olaf Przybilla, Max Hägler

Im März 2008 ist der Sozialdemokrat Ulrich Maly, 48, zum zweiten Mal zum Oberbürgermeister von Nürnberg gewählt worden. Der SZ erklärt er, warum er es gelegentlich mit Wolfgang Schäuble hält - wenn es darum geht, politische Probleme auf den Punkt zu bringen.

Wünscht sich mehr kreatives Flair: Nürnbergs OB Ulrich Maly. (Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Maly, unter den deutschen Städten mit mehr als einer halben Million Einwohnern gibt es keine einzige, in der so wenige Studenten leben wie in Nürnberg. Ist das nicht ein riesiges Defizit für die zweitgrößte Stadt Bayerns?

Maly: Zunächst einmal: Das stimmt natürlich - und wir haben es immer wieder beklagt, dass nur jeder 25. Einwohner Nürnbergs ein Student ist. Andererseits muss man diese Zahlen natürlich regional einordnen. Der andere Teil der Universität Erlangen-Nürnberg liegt bekanntlich nicht mehr als 15 Kilometer weit entfernt von Nürnberg.

SZ: Mannheim liegt nur 14 Kilometer weit entfernt von Heidelberg. Trotzdem hat Baden-Württemberg schon vor 40Jahren erkannt, dass man die Industriestadt Mannheim nicht alleine lassen darf - und hat dort eine Uni gegründet.

Maly: Die Geschichte der Hochschulgründungen in Nürnberg war eine sehr eigene. Sämtliche Hochschulen in Nürnberg - mit Ausnahme der Kunsthochschule - sind städtische Gründungen. Sowohl die Musikhochschule als auch die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität und auch die Ohm-Hochschule sind aus städtischen Einrichtungen hervorgegangen. Das ist in Nürnberg ganz anders als bei den meisten deutschen Hochschulen, die ja zumeist von Fürsten gegründet wurden.

SZ: Das zeigt aber doch nur, dass sich die Nürnberger offenbar immer schon selbst helfen mussten.

Maly: Richtig. Aber wir können natürlich jetzt als Stadt Nürnberg keine neue Hochschule gründen. Das liegt fiskalisch völlig aus der Welt und das würde der Freistaat Bayern sicher als eine Kriegserklärung verstehen - und zwar zurecht.

SZ: Umso lauter müssten Sie doch dagegen aufbegehren, dass sich ausgerechnet im "Bildungsland Bayern" eine Halbmillionenstadt findet - mit dem mickrigen Anteil von 20 000 Studenten.

Maly: Ich bin kein Freund des Rituals, permanent an die fränkische Klagemauer zu treten. Das haben die Franken Jahrzehnte lang so eingeübt - und der Erfolg im Freistaat Bayern war nicht immer für alle erkennbar. Es ist aber überhaupt keine Frage, dass die Bedingungen im Norden Bayerns weiterhin schlechter sind als die im Süden - vor allem im Raum München. Darauf hinzuweisen, werden wir auch künftig nicht müde werden.

SZ: Warum wird in Nürnberg nicht offensiver die Gründung einer Technischen Universität gefordert?

Maly: Als eine Art Vision haben wir das durchaus so formuliert.

SZ: Ganz konkret wird in Nürnberg aber in erster Linie über zwei große Straßenbauprojekte debattiert.

Maly: Auch Straßen sind Teil der städtischen Infrastruktur. Die Debatte ist also notwendig. Was die Gründung einer fraglos richtigen und wichtigen Technischen Universität in Nürnberg betrifft, halte ich es gelegentlich mit Wolfgang Schäuble. Der hat mal gesagt, man sollte als Politiker nur die Probleme ansprechen, für die man auch eine Lösung weiß.

SZ: Der Stadt Mannheim - historisch mit Nürnberg ziemlich gut vergleichbar - wird in Rankings inzwischen eine hohe "Kreativität" zugebilligt. Genau an dieser mangelt es in Nürnberg.

Maly: Es ist gar nicht zu bestreiten, dass Nürnberg sozusagen dieses soziale Biotop fehlt, das im Umfeld eines Universitätscampus entsteht: Hohe Dichte der Kneipenszene etwa, kleinere Boutiquen und kreative Läden aller Art, in denen Studenten nebenher arbeiten und dergleichen. Das ist das, was auch ich im Stadtbild von Nürnberg schmerzlich vermisse. Und das kann man auch nicht so einfach von Erlangen hierher exportieren. Eine Stadtbahn nach Erlangen - ein Projekt, an dem wir arbeiten - könnte da eine gewisse Linderung schaffen.

SZ: Eine Stadtbahn soll Kreativität nach Nürnberg transferieren?

Maly: Ich sage ja, dass das vielleicht schwierig ist. Aber es ist auch nicht so, dass Nürnberg gar keine Szene hat. Die Orte sind - mag sein - disparater als in kleinen Städten mit großen Universitäten, aber sie sind auch stabiler. Was beispielsweise auf dem ehemaligen AEG-Gelände passiert, hat Szenequalität.

SZ: Muss die Stadt Nürnberg nicht befürchten, auf Dauer zu vergreisen?

Maly: Nein, das nun wirklich nicht. Nürnberg ist eine der wenigen Großstädte, die noch permanent wachsen. Nicht umsonst haben wir vor drei Jahren die Halbmillionengrenze überschritten. Schaut man sich die Zahlen an, dann gibt es eine klare Tendenz, dass junge Familien wieder in die Stadt zurückziehen - also genau in die entgegengesetzte Richtung als noch vor wenigen Jahren. Dass Familien gerne nach Nürnberg ziehen, spricht doch wohl dafür, dass das Nürnberger Lebensgefühl offenkundig beliebt ist. Die Abstimmung mit den Füßen ist aussagekräftiger als Standortstudien.

© SZ vom 29.01.2009/che - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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