Unterhaching: Kerstin Schreyer-Stäblein:Auf sozialem Kurs - auch abseits der Parteischiene

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Die Therapeutin Kerstin Schreyer-Stäblein liebt die pragmatische Herangehensweise á la FJS und will für die CSU in den Landtag einziehen.

Jürgen Wolfram

Für Kundgebungen an öden Orten und nach zopfigem Muster gibt's kaum noch Beifall. Also hat die CSU die politische Pasta-Party erfunden. Da kann der Redner sagen, was er will - irgendwie schmeckt's immer. So war es auch, als unlängst Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer beim Pullacher Italiener auftauchte, um rhetorisch alle erdenklichen Problemfelder zu beackern.

Kerstin Schreyer-Stäblein will ab Herbst für die CSU im Landtag sitzen. (Foto: Foto: Claus Schunk)

Der Mann ist Sozialpolitiker, "Blümianer" geblieben und lag deshalb mit der zweiten Rednerin des Abends auf einer Wellenlänge: Kerstin Schreyer-Stäblein, 37, beschwor ihrerseits die "Festigung der Familie" und den dringend höher zu taxierenden Wert von Bildung und Erziehung. In ihrem "Traum von einer Gesellschaft" belegen würdiges Altern sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vordere Plätze.

Mit Botschaften aus der christlichen Soziallehre ist die CSU-Landtagskandidatin aus Unterhaching seit Wochen in sämtlichen Gemeinden ihres Stimmkreises München Land-Süd unterwegs, mal mit, mal ohne Prominenz. Sie widmet den Kommunen "Ganztagsaktionen", was in etwa so aussieht: 22. Juli, Unterhaching; 10 Uhr Schulbesuch Lise-Meitner-Gymnasium; 11 Uhr, Besuch Erwin-Lesch-Schule; 12 Uhr, Stiftung "Kids to Life" (Führung), nachmittags Bürgerfest mit Familientag. "Im Sozialen stecken mehr Emotionen, als wenn ich über Pult- oder Satteldach entscheide", fällt ihr zur Schwerpunktsetzung ein.

Bei der Gesprächsrunde im Unterhachinger Gymnasium erweist sich Schreyer-Stäblein als geduldige Zuhörerin, die zu kritischen Anmerkungen der Direktorin Brigitte Grams-Loibl gern mal nickt, selbst wenn die ihre Partei streng ermahnt, "für das Gymnasium einzustehen".

Die CSU, korrigiert Schreyer-Stäblein später, wolle "jeden an seinem richtigen Platz sehen"; es seien die anderen Parteien, denen es um immer mehr Abiturienten gehe. Die umstrittene G8-Einführung findet die Kandidatin richtig. Aus Wettbewerbsgründen sei die verkürzte Gymnasialzeit rasch durchzusetzen gewesen. "Was länger dauert, wird nicht zwingend besser".

Kerstin Schreyer-Stäblein hat einen ausgeprägten Hang zu griffigen Parolen. "Der Mensch steht im Mittelpunkt", "Vertrauen braucht Ehrlichkeit", solche Sachen. Für sie ist das mehr als Wortgeklingel. Sie will leben, was sie sagt, dabei notfalls unbequem sein, sich "in keine Parteischiene zwängen" lassen. So eine macht ihren Parforce-Wahlkampf ausdrücklich "nicht für die Partei", sondern weil sie glaubt, "es den Bürgern schuldig" zu sein.

Der forsche Auftritt, er war nicht immer ihr Markenzeichen. Der Politik näherte sich Schreyer-Stäblein zaghaft, mitgezogen von befreundeten Tanzsportlerinnen. Bei ihrer ersten JU-Party machte sie noch im letzten Moment kehrt, weil nur junge Männer herumstanden. Damals war sie 17 und voller Skepsis. "Heute bin ich mit der CSU mehr einverstanden", bekennt sie.

FJS - ihr großes Vorbild

Immerhin reichte es als Teenager schon zur Einsicht, "dass man Inhalte einer Partei nur verändern kann, wenn man dabei ist". Dabei ist sie seit 20 Jahren, und wie. Auszug aus der politischen Vita der Landtagskandidatin: Mitglied des CSU-Orts- und Kreisvorstands, Gemeinde-, Kreis- und Bezirksrätin, CSU-Bezirksvorstandsmitglied, Kreis- und Bezirksvorsitzende der Frauen-Union. Ein großes Vorbild hat sie auch: Franz Josef Strauß. An ihm schätzte Schreyer-Stäblein "die pragmatische Herangehensweise". Der Mann habe - "bei allen Schattenseiten" - einfach seinen Job gemacht, statt vor Entscheidungen "erst mal einen philosophischen Stuhlkreis zu bilden".

Heutzutage würden Probleme "zu sehr vergeistigt", findet die freiberuflich tätige Therapeutin und sozialpädagogische Familienhelferin. Schon klar: Eine Frau mit Mann, dreijähriger Tochter, Beruf und politischem Dauereinsatz hegt andere Vorstellungen von Effizienz als - sagen wir - ein konservativer Vordenker in der Abgeschiedenheit von Wildbad Kreuth.

Vor dem Wahltag hat sie keine Angst. Wie auch, wenn sich die Mitbewerberinnen von SPD und Grünen gegenseitig die Stimmen abjagen und die Vorgeschichte ihrer eigenen Kandidatur schon spannender gewesen sein dürfte als jede Nacht der Entscheidung.

Das ging mit dem unerwarteten Verzicht Engelbert Kupkas auf eine Titelverteidigung schon los und hörte mit der äußerst knappen Nominierung in Ottobrunn - damals wurde der Pullacher Stefan Detig favorisiert - bei weitem nicht auf. An dieser Stelle schiebt die CSU-Kämpferin einen Satz ein, der ihr häufig über die Lippen kommt: "Ich bin gewohnt, unterschätzt zu werden." Der Showdown in Ottobrunn endete für sie jedenfalls in einem "genialen Gefühl".

"Ein bitterer Tag"

Schreyer-Stäblein hätte sich andererseits nie träumen lassen, dass ihr mal so übel mitgespielt werden sollte wie im Frühjahr, als sie längst zur Direktkandidatin gekürt worden war. Der Neurieder CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Fahrenschon, gelegentlich als "Hoffnungsträger" der Partei apostrophiert, war zum Staatssekretär berufen worden und glaubte, den Posten mit einem Direktmandat abfedern zu müssen.

Er insistierte so lange beim CSU-Kreisvorstand, bis dieser sich anschickte, die Nominierungsversammlung zu wiederholen und Schreyer-Stäblein beiseite zu schieben. Die Folgen sind Legion: Eine empörte Parteibasis begehrte auf, es hagelte Solidaritätsadressen für die Bedrängte. Vor allem die Frauen-Union, "aber auch viele Männer", rebellierten gegen Fahrenschon. Auf einmal lautete die Kardinalfrage: "Wie geht diese Partei intern mit Menschen um?"

"Am 17.März war für mich dennoch klar: Die Kandidatur ist weg. Ein bitterer Tag", erinnert sich die Unterhachingerin. Sie verhielt sich taktisch klug, indem sie gegen Fahrenschon nicht antreten, aber auch ihre Bewerbung nicht zurückziehen wollte. Rückblickend sagt Schreyer-Stäblein, Fahrenschons Vorgehen sei "nicht in Ordnung" gewesen, sein Anliegen aber verständlich. Menschlich am meisten enttäuscht hat sie nicht einmal, dass der CSU-Aufsteiger sie gänzlich abservieren oder nach Berlin wegloben wollte.

Die Wunde heilt nur langsam

Viel schlimmer sei für sie gewesen, dass Fahrenschon am Vorabend der entscheidenden Vorstandssitzung noch privat zu Besuch gekommen sei - "und über seine Absichten kein Wort gesagt hat". Die Parteiräson erzwingt kurz vor der Wahl eine bedachte Wortwahl; zur schmerzlichen Geschichte will sie nur so viel noch sagen: "Die Wunde heilt nur langsam, aber wir raufen uns heute zusammen."

Längst wendet sich Schreyer-Stäblein ihren politischen Gegnern zu. Da ist vor allem Natascha Kohnen von der SPD. Mit ihr sieht sie inhaltlich "keinen gemeinsamen Weg" in der Bildungspolitik. Ansonsten könne sie sich schwer an Kohnen reiben, weil nicht klar sei, wofür sie steht, sagt Schreyer-Stäblein. Große Stücke hält die CSU-Bewerberin auf Susanna Tausendfreund (Grüne) - die sei fachlich beschlagen und bei "klarem Verstand". Inhaltlich beieinander liege man aber höchstens in der Ablehnung der Autobahn-Südring-Pläne. Beim Transrapid etwa folgte die Unionsfrau der Linie der Staatsregierung.

Weil sie es selbst sei, welche die "Mitte und Mehrheit" verkörpert, fürchte sie auch die Konkurrenz aus dem bürgerlichen Lager nicht. Wegen ihrer originär kommunalpolitischen Ausrichtung hätten die Freien Wähler im Landtag ohnehin nichts verloren, glaubt sie, und sozialpolitische Übereinstimmung mit der FDP sind für Schreyer-Stäblein allenfalls mühsam zu konstruieren. Insofern bleiben nur 50 Prozent plus X - "und die holt die CSU, ganz sicher".

© SZ vom 05.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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