Umzug des Landesamtes für Statistik:"Wir verlieren Fachwissen"

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Behörden-Präsident Anding warnt vor den verheerenden Konsequenzen eines Umzuges von München nach Fürth.

B. Kruse

Karlheinz Anding ist Präsident des Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung, das nach dem Willen der Staatsregierung von München nach Fürth umziehen soll. Das schwarz-gelbe Kabinett trifft sich an diesem Freitag zu einer zweitägigen Klausur in St. Quirin bei Gmund am Tegernsee, um über die Haushaltspolitik für das kommende Jahr zu beraten. Der Umzug des Landesamtes wird als Strukturprogramm für Fürth betrachtet - die dortige Wirtschaft leidet unter dem Wegfall Tausender Arbeitsplätze beim Versandhaus Quelle, das derzeit abgewickelt wird.

Die bayerische Staatsregierung trifft sich am Freitag zur Klausur am Tegernsee. Vor der Tagung warnt der Präsident des Landesamtes für Statistik vor dem geplanten Umzug nach Fürth. (Foto: Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Herr Anding, seit Bekanntwerden der Umzugspläne für das Statistische Landesamt gibt es viele Äußerungen - auch von Innenminister Joachim Herrmann. Nur von Ihnen hat man noch nichts gehört - obwohl Sie Präsident des Landesamtes sind. Hat Ihr Chef Ihnen einen Maulkorb verpasst?

Karlheinz Anding: Nein. Ich habe kein Sprechverbot. Ich habe mich in den vergangenen Tagen darauf konzentriert, den Minister zu beraten.

sueddeutsche.de: Mit welchem Erfolg? Behördenverlagerungen sind für die Politik ein strukturpolitisches Element.

Anding: Ich gehe davon aus, dass sich die Politik darüber bewusst ist, was solche Entscheidungen für die Betroffenen bedeuten. Dennoch ist es interessant zu beobachten, was für Entscheidungen getroffen werden.

sueddeutsche.de: Welche Konsequenzen hätte ein Umzug für die Arbeit Ihres Hauses?

Anding: Die Umzugspläne sind eine ganz schwierige Entscheidung. Sie könnte ganz erhebliche Probleme verursachen. Der wichtigste Faktor unserer Arbeit sind unsere Mitarbeiter. Von einer Verlagerung wären in der Statistik 424 Fachkräfte betroffen. Davon sind einerseits 90 Prozent Angestellte, andererseits 60 Prozent Frauen. Diese Belange der Mitarbeiter sind für mich besonders wichtig. Wir haben hier viele Frauen mit Kindern, die hier eine Teilzeitarbeit haben. Die werden natürlich durch eine solche Verlagerung besonders betroffen. Wir gehen davon aus, dass der überwiegende Teil der Mitarbeiter nicht mit nach Fürth geht. Diese Erfahrungen haben wir schon bei dem Umzug von Teilen unseres Hauses nach Schweinfurt gemacht.

sueddeutsche.de: Viele Mitarbeiter in Ihrem Haus sind Beamte. Ihnen wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als mit nach Fürth zu gehen.

Anding: Zwangsmaßnahmen sind weitgehend ausgeschlossen. Das hat auch unser Minister gesagt. Er setzt auf sozialverträgliche Lösungen. Wir müssen dort, wo die Mitarbeiter nicht mitgehen, neue einstellen. Das bedeutet, dass wir Fachwissen und Erfahrung verlieren. Es wird erheblich dauern, bis wir die volle Leistungsfähigkeit wiederhergestellt haben. Ich bin in Sorge, dass wir unsere Aufgaben bis dahin nicht mehr ordnungsgemäß und termingerecht erfüllen können.

sueddeutsche.de: In zwei Jahren wird es eine Volkszählung geben. Dann werden Ihre Mitarbeiter aber damit beschäftigt sein, Umzugskisten zu packen. Ist das verantwortbar?

Anding: Diesen Aspekt wird das Kabinett sicherlich bei seiner Prüfung berücksichtigen. Wir haben für die Vorbereitung und Durchführung des Zensus ein Kernteam von 20 Mitarbeitern. Ich schlafe schlecht, wenn ich mir überlege, dass zwei oder drei von ihnen uns nun von der Fahne gehen. Der Kompetenzverlust würde sich in der kurzen Zeit nicht beheben lassen. Wir werden natürlich alles versuchen, die Mitarbeiter zu halten. Ich bin der Auffassung, dass die Umzugsplanung die Leistungsfähigkeit unserer Behörde beeinträchtigen wird. Wir haben bereits jetzt erste Äußerungen, dass Mitarbeiter sich nach anderen Arbeitsplätzen umsehen. Derartige Entwicklungen sind für uns schmerzlich. Wir haben Aufgaben übertragen bekommen, die essentiell sind für dieses Projekt. Wenn wir mit unserer Aufgabenerfüllung in Verzug kommen, könnte das ganze Projekt im Extremfall in eine Schieflage geraten.

Auf der nächsten Seite: Der Umzug würde zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen, schätzt Anding - die wirtschaftliche Hilfe für Fürth sei deshalb eher langfristiger Natur.

sueddeutsche.de: Nach der Quelle-Pleite hofft Fürth auf rasche Hilfe. Glauben Sie, ein Umzug Ihrer Behörde könnte diesem Anspruch gerecht werden?

Karlheinz Anding, Präsident des bayerischen Landesamtes für Statistik (Foto: Foto: oH)

Anding: Zunächst muss man sagen, dass es nur eine von vielen Maßnahmen sein kann. Die Informationen aus der Presse verstehe ich so, dass es für Fürth möglichst schnell Hilfe geben soll. Dieses Ziel könnte man mit der Verlagerung unserer Behörde sicherlich nicht erreichen. Nach unseren Schätzungen würde ein Umzug zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen. Ein kurzfristiger Effekt ließe sich nur in einem Punkt erzielen.

sueddeutsche.de: In welchem?

Anding: Für den Zensus, der im Jahr 2011 ansteht, bekommen wir 200 zusätzliche Stellen. Diese sind jedoch auf zwei Jahre begrenzt. Diese Arbeitsplätze könnte man - anstatt wie bisher geplant nach Schweinfurt oder Neuperlach in München - auch nach Fürth geben. Das wäre kurzfristig möglich, ohne in die Strukturen der Behörde einzugreifen.

sueddeutsche.de: Welche Kosten würden Ihren ersten Berechnungen zufolge auf den Staatshaushalt zukommen?

Anding: Wir sind erst am Anfang der Überlegungen. Und der Innenminister hat ja auch betont, dass noch nichts entschieden sei. Die ersten Prüfungen haben jedoch ergeben, dass wir mit einen hohen zweistelligen Millionenbetrag rechnen müssten. Abschließende Zahlen kann aber erst eine eingehende Prüfung liefern.

sueddeutsche.de: Am Dienstag nach Bekanntwerden der Umzugspläne hatten Sie ein Gespräch mit dem Innenminister. Wie hat Herr Herrmann Ihnen gegenüber seinen Prüfauftrag begründet?

Anding: Er hat darauf hingewiesen, dass er den Prüfauftrag vom Ministerpräsidenten erhalten hat, und dass man daran denke, auch das Landesamt in diese Prüfung einzubeziehen.

sueddeutsche.de: Sind dem Innenminister Ihre Sorgen und Probleme denn egal?

Anding: Das sicherlich nicht. Unsere Aufgabe ist es, die Politik zu beraten. Das haben wir umfangreich wahrgenommen. Er hat sich unsere Bedenken angehört und erklärt, dass noch keine Entscheidung gefallen ist. Ich vertraue darauf, dass das Kabinett unsere Bedenken in die Entscheidung einbeziehen wird. Ich muss aber auch sagen: Wenn das Kabinett sich für eine Verlagerung entscheidet, werden wir diese pflichtgemäß durchführen. Ich hoffe sehr, dass man uns dann auch die Mittel zur Verfügung stellt, die wir für eine sachgerechte Umsetzung brauchen.

sueddeutsche.de: Ministerpräsident Seehofer denkt schon seit einiger Zeit über eine Behördenverlagerung nach. Wann haben Sie davon erfahren?

Anding: Ich habe von diesen Plänen am Freitag letzter Woche erfahren. Wir sind in die Vorüberlegungen allerdings nicht einbezogen worden.

sueddeutsche.de: Wie geht es für das Haus weiter?

Anding: Wir haben im Vorfeld von St. Quirin den Minister und sein Haus ausführlich beraten. Die Entscheidung, die jetzt zu treffen ist, ist eine politische Entscheidung. Politische Entscheidungen haben Beamte zu akzeptieren. Auf jeden Fall würde es sehr schwer werden, die Mitarbeiter zu motivieren. Bei der Erfüllung unserer Aufgaben arbeiten wir am Anschlag und haben wenig Luft für zusätzliche Aufgaben.

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