Umbaumaßnahmen:Zerr-Eichen für die Heißzeit

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Die Staatsregierung investiert große Summen, damit auch in 100 Jahren noch Wald wächst

Von Christian Sebald

Wann immer es in den vergangenen Jahren um die Zukunft der Wälder in Bayern gegangen ist, haben sich die Umweltverbände und die Waldbesitzer heftig gezankt. Der Grund war der Naturschutz. Die Umweltverbände fordern einen dritten Nationalpark in Bayern und außerdem sehr viel mehr Anstrengungen für den Naturschutz in den übrigen Wäldern. Die Waldbesitzer wehrten sich strikt gegen beide Ansinnen. Seit diesem Sommer ist alles anders. Angesichts der immensen Borkenkäfer-Schäden im Bayerischen Wald und dem Hitzetod vieler fränkischer Kiefernwälder haben die Naturschutzverbände das Waldsterben 2.0 ausgerufen. Ihre zentrale Forderung: eine Allianz aus Naturschützern und Waldbesitzern für den Erhalt der Wälder in Bayern.

"Die Klimakrise wird auch im Freistaat immer schärfer, immer mehr Wälder sind in akuter Gefahr", sagt Norbert Schäffer, der Vorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). "Vielerorts geht es inzwischen darum, dass dort auch in 100 Jahren noch Wald wächst. Das ist die Sorge, die uns mit den Waldbesitzern eint." Ein Mittelmeerklima mit immer mehr Hitzespitzen um die 40 Grad werden selbst Baumarten wie Eichen, Buchen und Tannen nicht verkraften, warnt Richard Mergner, Chef des Bundes Naturschutz. Das Waldsterben 2.0 könne "nur eine neue, kraftvolle Allianz aus uns Naturschützern und den Waldbesitzern" abwenden.

Bayern ist das mit Abstand waldreichste Bundesland. Ein knappes Viertel der deutschen Wälder liegt im Freistaat, fast jeder dritte Festmeter Holz Deutschlands steht in den bayerischen Wäldern. Besonders waldreich sind seit jeher die oberbayerischen und die Allgäuer Alpen samt ihren Vorbergen, der Bayerische und der Oberpfälzer Wald, das Fichtelgebirge, der Frankenwald, der Spessart und die Rhön. Aber sogar Agrarregionen wie das niederbayerische Rottal oder der Ballungsraum München kommen auf Waldanteile von 20 bis 30 Prozent. Eine bayerische Spezialität sind auch die Besitzverhältnisse. Von den 2,6 Millionen Hektar Wald sind 1,45 Millionen Hektar oder 55,7 Prozent Privateigentum. Zwei Drittel dieser Privatwälder sind Kleinbesitz in der Größenordnung bis maximal 20 Hektar.

"Wir haben in Bayern 950 000 Hektar Wald, die ungefähr 680 000 Waldbesitzern gehören", sagt Josef Ziegler. "Da ist der ganze Querschnitt der Bevölkerung dabei: Polizisten, Lehrer, Rentner, Bauern und andere, ganz normale Leute, die allermeisten haben ihren Wald irgendwann einmal geerbt." Ziegler, 51, Förster, ist Vorsitzender des Bayerischen Waldbesitzerverbands und selbst Eigentümer von gut zwei Hektar Forst. Nur wenige kennen die Verhältnisse in den Wäldern zwischen Berchtesgaden und Hof so gut wie der Oberpfälzer. "Bei aller Verschiedenheit haben die zigtausend Kleinwald-Besitzer eine wichtige Gemeinsamkeit", sagt er. "Vom Einkommen her sind sie nicht auf ihren Wald angewiesen. Denn sie leben ja von ihrem Hauptberuf."

Diese Gemeinsamkeit hat Folgen für den Wald in der Klimakrise. "Viele, die wirtschaftlich nicht angewiesen sind auf ihren Wald, haben ihn nur wenig gepflegt", sagt Ziegler. "Sie haben ihn mehr oder weniger vor sich hin wachsen lassen, statt regelmäßig die eher schlechten Bäume fällen zu lassen und so den starken Platz zur Entwicklung zu geben." Außerdem stammen die kleinen Privatwälder vielfach aus der Nachkriegszeit. Damals setzte man ganz auf schnell wachsende, ertragreiche Fichten und Kiefern. Laubbäume wie die Buche, die der Klimakrise besser trotzen, sind eher selten in ihnen. Die Folge: Viele jetzt etwa 70 Jahre alte Privatwälder sind schwach und anfällig - für Schädlinge genauso wie für Stürme und andere Wetterextreme, wie sie in der Klimakrise immer häufiger werden.

Im Vergleich dazu stehen die Wälder des Freistaats gut da. Die Bayerischen Staatsforsten, welche die 778 000 Hektar Staatswald bewirtschaften, rüsten nach einem ausgeklügelten Plan anfällige Fichten- und Kiefernbestände um. In den vergangenen zehn Jahren sind so aus gut 70 000 Hektar Monokulturen Mischwälder geworden, die einmal aus zwei Drittel Nadel- und einem Drittel Laubbäumen bestehen werden. In den etwa doppelt so großen Privatwäldern Bayerns waren es im selben Zeitraum nur 56 000 Hektar, die umgebaut wurden. Aber auch die Staatsforsten stehen noch vor Herausforderungen: Weitere 132 000 Hektar Staatswald müssen zu Mischwäldern werden, damit sie der Klimakrise trotzen können. Der Umbau soll bis 2035 dauern.

Auch für die Privatwälder tut der Freistaat viel. Seit Jahren finanziert er ein Millionen schweres Förderprogramm, aus dem private Waldbesitzer Zuschüsse für den Aufbau von Mischwäldern bekommen. Vor zwei Jahren wurde das Programm bis 2030 auf 200 Millionen Euro verdoppelt. Der Grund: Am 18. August 2017 fegte der Orkan Kolle über den Bayerischen Wald hinweg und zerstörte in Minuten 9000 Hektar Wald.

Seit Kolle investiert der Freistaat außerdem viel Geld in die Beratung der Waldbesitzer: Bis 2030 werden dafür 200 zusätzliche Planstellen für Förster geschaffen. Denn, so lautet das Credo des damaligen Forstministers Helmut Brunner (CSU), all die Millionen Förderung verpuffen womöglich wirkungslos, wenn Experten fehlen, die den Waldbesitzern erklären, wie sie ihre Wälder klimafest machen. Die Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft stellt ebenfalls Hilfen bereit. Zum Beispiel "Basis": Das "Bayerische Standortinformationssystem", wie die Abkürzung ausgesprochen heißt, liefert Förstern exakte Informationen, auf welche Bäume man in den Wäldern setzen kann und auf welche nicht - passgenau für alle Regionen Bayerns. Die Anbauempfehlungen in Basis sind unlängst erweitert worden - um die Zerr-Eiche (Quercus cerris) etwa, die in Südosteuropa heimisch ist und mit Hitzespitzen von 40 Grad zurechtkommt.

Den Waldbesitzern sind alle Initiativen hoch willkommen. Wenngleich sie weitere Forderungen haben. Verbandschef Ziegler wünscht sich eine "Vermarktungsoffensive" für all das Holz, das derzeit bei der Schädlingsbekämpfung anfällt. Oder den Aufbau zentraler Zwischenlager, in denen ein Teil des Holzes aufbewahrt werden kann, bis das Preistief überwunden ist. Auch die Naturschützer unterstützen die aktuelle Waldpolitik des Freistaats. "Zumal die bayerischen Förster, was die Wirtschaftswälder anbelangt, ja schon lange den richtigen Kurs fahren", wie LBV-Chef Schäffer sagt.

Und was ist mit Bayerns drittem Nationalpark, den BN und LBV seit Jahren verlangen? Den fordern sie weiter. Aber nun geht es erst einmal ums Überleben der Wälder insgesamt.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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