Traunstein:Der qualvolle Tod des kleinen Marcel

Lesezeit: 2 min

Woran ist der Junge gestorben? Misshandlungen oder Lungenentzündung? Jetzt muss sich die Mutter vor dem Landgericht Traunstein verantworten.

Heiner Effern

Nicht einmal vier Monate ist der kleine Marcel alt geworden. Ob der Säugling am 20. März 2007 an einer nicht behandelten Lungenentzündung oder an massiven Misshandlungen durch die Mutter gestorben ist, lässt die Staatsanwaltschaft Traunstein offen.

Landgericht Traunstein: Nicht nur die Todesursache des Babys lässt Fragen offen, sondern auch die Umstände, unter denen der knapp vier Monate alte Bub ums Leben kam. (Foto: Foto: ddp)

Doch die Hauptschuld am Tod von Marcel sieht sie bei der mittlerweile 21-jährigen Mutter, die aus dem Landkreis Passau stammt. Sie soll ihren Sohn laut Anklage "gequält oder misshandelt" haben. Und sie hat der Anklage zufolge unmittelbar dazu angesetzt, ihn "aus niederen Beweggründen und grausam zu töten".

Die junge Frau wollte sich am ersten Prozesstag vor der Jugendkammer des Landgerichts Traunstein nicht äußern. Ihr Anwalt kündigte aber für den zweiten Termin eine Erklärung an. Nicht nur die Todesursache des Babys lässt Fragen offen, sondern auch die Umstände, unter denen der knapp vier Monate alte Bub ums Leben kam. Denn dass seine Mutter Probleme im Umgang mit einem Kleinkind hatte, war im Jugendamt des Landkreises Passau bekannt.

Im Alter von 18Jahren hatte sie bereits eine Tochter geboren. Da diese in den ersten Monaten ihres Lebens insgesamt fünf Wochen im Krankenhaus verbringen musste, "sind schon Misshandlungen aufgefallen", sagte ein Sprecher des Jugendamts. Das Mädchen sei deshalb der Mutter weggenommen und in einer Pflegefamilie untergebracht worden.

In Absprache mit dem Gericht habe man auf eine Anzeige verzichtet, "weil das Kind ja in Sicherheit war". Die beiden Verletzungen, die zu den Krankenhausaufenthalten führten, bilden nun die ersten beiden Anklagepunkte.

Als die Angeklagte im November 2006 ihr zweites Kind bekam, meldete sich umgehend das Jugendamt bei ihr. Einen Monat später zog sie mit dem Buben in ein privates Mutter-Kind-Heim im Landkreis Rosenheim. "Die Mutter hat das freiwillig gemacht. Wir dachten, dort ist das Kind in Sicherheit", sagte der Sprecher Jugendamts. Aus der Einrichtung habe man auf Nachfrage gehört, dass sich die Mutter bemühe und es keinerlei Anzeichen von Gewalt gebe.

Dieses Bild zeichneten zwei Mitarbeiterinnen des Heims auch vor Gericht. "Sie war eine sehr liebevolle Mutter. Wir haben sie als Beispiel für andere genannt", sagte die verantwortliche Erzieherin. Der Sohn habe sich gut entwickelt, sei ruhig gewesen und keinesfalls als Schreikind aufgefallen. Wegen der positiven Beziehung zu ihrem Kind seien die Kontrollen für die Frau zweimal gelockert worden.

Im Kontrast dazu steht die Anklage, die von mindestens zwei Misshandlungen vor dem Todestag ausgeht, bei denen Marcel unter anderem fünf Rippen gebrochen worden sein sollen. Am Todestag selbst soll die Mutter ihr Kind geschüttelt, gewürgt und mit einer Windel geknebelt haben, um das Schreien des Kindes zu unterbinden.

Sollte das nicht zum Tod geführt haben, bleibt vor Gericht eine weitere Frage offen: Wie konnte eine Lungenentzündung in einem spezialisierten Heim so lange unentdeckt bleiben, dass ein Kleinkind daran stirbt?

© SZ vom 22.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: