Sündenböcke und die CSU:Schlagt ihnen die Rübe ab!

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Bei der CSU geht es ein bisschen so zu, wie bei den alten Römern: Wie gut, dass es in jeder Krise immer auch Schuldige gibt.

Kurt Kister

Wenn irgendein Gebilde, sei es eine Firma, ein Weltreich oder eine Partei, innerhalb von knapp einem Jahr drei verschiedene Chefs hat, dann stimmt was nicht. Die Römer merkten das im Jahr 193 n. Chr. als sie drei Kaiser hatten, von denen der letzte, Septimus Severus, noch einmal versuchte, die Chose rumzureißen.

Geschasst: Huber und Haderthauer, gewesene Parteiführung der CSU. (Foto: Foto: dpa)

Das glückte ihm nur unvollständig, denn das Imperium faulte bereits von innen her und der Niedergang hatte längst begonnen. Bei der SPD ist dies in letzter Zeit ähnlich. Die Vorsitzenden gaben sich die Klinke in die Hand, was weder für den Laden noch für die Chefs spricht.

Und nun auch noch die CSU! Wenn Horst Seehofer zum neuen Vorsitzenden gewählt werden wird, ist er nach Stoiber und Huber der dritte Parteichef innerhalb eines knappen Jahres. Offenbar fault auch dieses Imperium von innen.

Der hastige Wechsel an der Parteispitze ist ein deutliches Zeichen für die Instabilität. Wenn die Institution selbst noch auf sicherem Fundament ruhte, gäbe es die schnellen, nahezu gewaltsamen Führungswechsel nicht. Noch einmal ein Blick auf Rom: Als das Imperium blühte, geriet Caligula im Jahre 37 an die Macht.

Er mühte sich heftig, alles zugrunde zu richten und wollte sogar sein Pferd Incitatus zum Konsul ernennen. Die Prätorianer brachten ihn vorher um, was aber das Weltreich kaum erschütterte - eben weil es damals noch stabil war.

Wenn die Fraktion nach Blut schreit ...

Die CSU aber wankt, seitdem sie Stoiber gemeuchelt und ihre eigene, eher niedliche Version von Caligula und Incitatus zu Ministerpräsident und Parteichef gemacht hat. Nach dem Wahldesaster tritt nun ein, was in siechen Regimes zu erwarten ist: Man will Köpfe rollen sehen.

Erwin Huber hat sich dem Wunsch der nicht mehr eigenhändig mordenden Voralpen-Prätorianer bereits ergeben. Mit ihm steigt, nolens volens, seine Generalsekretärs-Erfindung Christine Haderthauer mit aufs Schafott.

Der Ministerpräsident Beckstein hält noch aus. Wenn allerdings die Fraktion oder der Sonderparteitag nach mehr Blut schreien sollte, dann wird sich auch Beckstein seiner Enthauptung nicht entziehen.

In so einer Situation ist es praktisch, dass es Chefs gibt, die schuld sind. Natürlich sind die Miseren der CSU und der SPD nicht ausschließlich und nicht einmal hauptsächlich auf Huber oder Beck(stein) zurückzuführen.

Lesen Sie auf Seite 2, wie manche Gemeuchelte wiederkehren - und den nächsten Königsmördern tatkräftig zur Seite stehen.

Und selbst im alten Rom waren Kaiserlein wie Didius Julianus oder Balbinus nur marginal für das Desaster insgesamt verantwortlich.

Haut man ihnen aber die Rübe ab - im 21.Jahrhundert, zumal in Bayern, glücklicherweise nur bildlich - , dann hat man sich symbolisch vom Schlechten der Vergangenheit befreit. Der Sündenbock wird geopfert, die Sünder schreiten im weißen Gewand davon. Nur am Saum ist es ein wenig mit Blut bespritzt.

Dieser Versuch, sich durch ein Opfer, und sei es ein Menschenopfer, zu läutern, entstammt den zutiefst irrationalen Gefilden der Religion. Weil man gefehlt hat, will man einen Gott (oder auch mehrere Götter) gnädig stimmen. Zum Opfer gehört die Anerkenntnis eigener Schuld und gleichzeitig, dem Selbsterhaltungstrieb folgend, das Anbieten eines Substituts, das durch Tod, Kasteiung oder Rücktritt für sich und alle anderen büßt.

Die Überlebenden wollen nach vorne schauen

Dafür existieren natürlich Rituale, eine Liturgie gewissermaßen. Da ist einmal die Bereitschaft des auserkorenen Moriturus, die er öffentlich so zu äußern hat: "Ich klebe nicht an meinem Amt" oder "Ich übernehme die Verantwortung".

Unerlässlich ist auch die Forderung der Sünder, dass statt ihrer ein anderer dran glauben muss. "Es muss auch personelle Konsequenzen geben", heißt der einschlägige Spruch, den man nur von jenen hört, die selbst keine Konsequenzen ziehen wollen. Sobald klar ist, wer geopfert wird, sagen die Überlebenden: "Jetzt schauen wir nach vorne."

Mancher Gemeuchelte ist von Bitternis erfüllt, wenn er sieht, dass in seiner Partei weiter dieselben Fehler von weitgehend denselben Leuten gemacht werden.

Andere, die man geopfert hat, rächen sich an ihren mörderischen Freunden dadurch, dass sie als Wiedergänger, Ehrenvorsitzende oder Experten für den Königsmord mit Rat und Tat den übernächsten Verschwörern zur Seite stehen.

Als Edmund Zombie fahren sie dann, bleich und lebenslustig, zum Sonderparteitag.

© SZ vom 1. Oktober 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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