Streit um Rauchverbot in Bayern:Aufregung um Becksteins Ausraster

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Nach heftiger Debatte stimmt die CSU mehrheitlich für eine Lockerung des Nichtraucherschutzes. Für Ärger sorgt ein Ausraster des Ministerpräsidenten.

Katja Auer

Erwin Huber zieht sich am Ende auf seine eigene Definition von Zeit zurück. Die CSU sei "innerhalb kurzer Zeit zu einer klaren Meinung gekommen", sagt der Parteichef am Mittwoch. Gerade hat die Landtagsfraktion dem Vorschlag der Staatsregierung zugestimmt, das Rauchverbot für Festzelte in diesem Jahr auszusetzen.

Das neue Wahlplakat der CSU (Foto: Karikatur: Dieter Hanitzsch)

Und hat damit eine zehntägige Debatte beendet, die nach der Kommunalwahl um das deutschlandweit strengste Rauchverbot entbrannt war. Die Änderung ist am Ende marginal und die Begründung für einige Abgeordnete offensichtlich vorgeschoben: Die Münchner Behörden hätten Sicherheitsbedenken wegen des Oktoberfests angemeldet, so die offizielle Sprachregelung; deswegen könne das Rauchverbot in diesem Jahr noch nicht vollzogen werden. Von 2009 an soll es allerdings konsequent durchgesetzt werden.

Hilfe von der SPD

Mit zehn Gegenstimmen und zwei Enthaltungen billigt die Fraktion die Gesetzesänderung, doch die Verärgerung bleibt. Zwar ist das Verständnis für die Sicherheitsbedenken groß, das für die Führungsspitze dafür umso geringer. Kaum einer mag glauben, dass der Stadt München tatsächlich erst jetzt eingefallen ist, welche Probleme beim Oktoberfest entstehen könnten.

Dass die Staatsregierung auch noch einen passenden Brief des Kreisverwaltungsreferates an Gesundheitsminister Otmar Bernhard präsentieren kann, provoziert etwa Landtagsvizepräsidentin Barbara Stamm zu dem Satz: "Die Fraktion hat keinen Brief bestellt." Dass ausgerechnet die SPD-geführte Landeshauptstadt zur Ehrenrettung der CSU-Spitze beitragen muss, ist neu in der Parteigeschichte.

Die Entscheidung der Abgeordneten ist ein Votum für Fraktionschef Georg Schmid und so wollen es die meisten auch verstanden wissen. Stamm betont, dass sie dazu beitragen werde, "den Fraktionsvorsitzenden nicht zu beschädigen".

Viele befürchten, dass die CSU durch die erneute Diskussion über das Rauchverbot an Glaubwürdigkeit einbüßt und die Themen aus den Augen verliert, die die Wähler tatsächlich bewegen. Schmid habe immerhin verhindern können, dass die Debatte aus dem Ruder lief und Huber und Beckstein eine weitere Aufweichung des Nichtraucherschutzgesetzes durchziehen konnten, sagt beispielsweise der Nürnberger Hermann Imhof, der gegen die Neuregelung gestimmt hat.

Wegen der Glaubwürdigkeit, sagt er, und weil er sich nicht vorstellen könne, dass die Sicherheitsbedenken der Stadt München nicht schon früher hätten beachtet werden können. Zu sehr wirke so eine Entscheidung wie eine Panikreaktion, nachdem eine Wahl etwas schlechter ausgefallen ist.

Auch Walter Eykmann hatte schon in der - teilweise hitzigen - Sitzung des Fraktionsvorstandes am Dienstagabend den Führungsstil von Beckstein und Huber kritisiert und wiederholt das am Mittwoch: "Es war richtig, die beiden angegriffen zu haben." Von einer Führungskrise wird hinter vorgehaltener Hand gesprochen und kaum einer will verhehlen, dass der Rückhalt des CSU-Tandems in der Fraktion derzeit nicht der stärkste ist.

Dazu beigetragen hat zudem ein "Ausraster" des Ministerpräsidenten in der Fraktionssitzung, wie er später bezeichnet wird: Beckstein soll die Fraktion einen "Sauhaufen" genannt haben, da sich viele Abgeordnete vor der Sitzung öffentlich geäußert hatten. Beckstein forderte demnach mehr Vertrauen in die Führungskräfte.

Auch Huber setzt nach der Abstimmung auf Geschlossenheit und betont, dass man "die letzten 200 Tage vor der Wahl" nun dazu nutzen wolle, "die Leistung der CSU und die gute Situation Bayerns" in den Mittelpunkt zu stellen. Beschädigt sei aber niemand aus dem Streit hervorgegangen. Dennoch räumt er ein, dass solch eine Diskussion "nicht nur Pluspunkte bringt".

So muss die CSU inzwischen nicht nur um die Wählerstimmen der Raucher, sondern auch der Nichtraucher fürchten: Die Nichtraucher-Initiative Pro Rauchfrei hat zum Boykott der CSU bei der Landtagswahl aufgerufen. Die Organisation wirft der Staatsregierung vor, die Gesundheit der nichtrauchenden Bevölkerungsmehrheit für die Wirtelobby zu vernachlässigen.

Der Hotel- und Gaststättenverband nennt die Ausnahme für Festzelte "Wahnsinn" und "grobe Wettbewerbsverzerrung". Präsident Siegfried Gallus fordert das gleiche Recht für Gaststätten. "Diese Entscheidung kann ich niemandem erklären. Wir sind jetzt die Dummen", beklagt er. Die Opposition warnt bereits vor Folgen. "Damit hat die CSU das Feuer frei gegeben, den Nichtraucherschutz Zug um Zug einzuäschern", sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Margarete Bause. SPD-Vize Thomas Beyer nannte die Lockerung einen "politischen Konkursantrag".

© SZ vom 13.3.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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