Stoiber in Moskau:Liebe und Hiebe

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Edmund Stoiber hat Spaß bei seiner Auslandsreise: Er unterhält sich locker mit Putin, redet über die Zukunft und lässt sich ehren. Und er quält Erwin Huber ein bisschen.

Peter Fahrenholz

Wie will dieser Mann bloß aufhören in knapp drei Monaten? So besessen, wie er noch immer von seiner Aufgabe ist. So begierig, sich zu allen politischen Themen ausführlich zu äußern. Auf der Dachterrasse des Ritz Carlton, dem teuersten, soeben frisch eröffneten Hotel Moskaus, ist Edmund Stoiber jedenfalls nicht zu bremsen.

Stoiber in Moskau: (Foto: Foto: dpa)

Auch als Ehefrau Karin, die sich schon längst zurückgezogen hatte, mit leicht verzweifeltem Gesichtsausdruck noch mal erscheint, lässt sich Stoiber, umringt von den mitreisenden Journalisten, nicht zum Aufbruch drängen. Keine Frage ist ihm zu lästig, er will reden, reden, reden. Es ist weit nach zwei Uhr nachts, als der CSU-Vorsitzende endlich ins Bett geht.

Noch einmal ist er in Moskau, Wladimir Putin hat ihm gleich zwei Stunden Zeit eingeräumt, eine Abschiedsaudienz sozusagen, und Stoibers Tross ist voller Genugtuung über diese Ehre.

"Riesige Chancen" für die deutsche Wirtschaft

Stoiber selbst ist offenbar von dem speziellen Charme Putins ähnlich ergriffen worden wie Gerhard Schröder ("ein lupenreiner Demokrat"). Seine nächtlichen Ausführungen zur weltpolitischen Lage lassen sich jedenfalls auf den Nenner bringen, dass man Russland Zeit lassen müsse bei seiner demokratischen Entwicklung und dass Putins Beitrag zur Stabilisierung seines Landes ziemlich hoch einzuschätzen sei.

"Es ist klar, dass Russland mit Putin wieder ein Faktor geworden ist", sagt Stoiber und schwärmt von den "riesigen Chancen" für die deutsche Wirtschaft in Russland, das ein "strategischer Partner" für die Deutschen sei. Schöner hätte das Schröder auch nicht sagen können.

Wüsste man nicht, dass es Stoibers Abschiedstournee ist, könnte man glauben, dass der Mann noch höhere Ziele im Blick hat. Stoiber schätzt die Fragen nach seinem erzwungenen Abschied nicht sonderlich. Bereut er nicht längst, dass er sich im Januar zum Rückzug hat drängen lassen?

Ein Alternativ-Job in Sicht?

"Es ist, wie es ist", sagt er einsilbig. Aber es soll bloß keiner glauben, dass er künftig völlig aus dem Spiel ist. "Es ist nicht eine meiner letzten Auslandsreisen", sagt er, "man muss nicht unbedingt Ministerpräsident sein, um Auslandsreisen zu machen."

Hat da einer schon eine neue Aufgabe im Visier, von der noch niemand weiß? So ähnlich wie bei Tony Blair? Stoiber mag sich auf dieses Thema nicht einlassen. "Sie werden schon sehen, ich werde Ihnen immer wieder begegnen", sagt er da.

Im nächsten Abschnitt: Warum Huber angestrengt lächelt

Es fällt auf, wie Stoiber auch in Moskau wieder betont, dass die CSU sich auch den komplizierten internationalen Fragen widmen müsse, wenn sie ihre Bedeutung behalten wolle. Seitdem klar ist, dass er gehen muss, weil ihn seine eigenen Leute vertrieben haben, treibt Stoiber die Sorge um, die CSU könne nach ihm in der Provinzialität versinken.

Abschiedsgeschenk für Stoiber (r.): Zwei Stunden Zeit mit Putin (l.). (Foto: Foto: afp)

"Der Glanz der CSU kann nicht nur von der Landes- und Bundespolitik erhalten werden", sagt er, und jeder versteht, was gemeint ist, Stoiber hat es ja schon oft angedeutet: Er traut einem Duo Beckstein/Huber nicht zu, in derselben Liga zu spielen wie er selbst.

Spitze Nadeln im Gepäck

Auch in Moskau hat Stoiber einen feinen Nadelstich gegen Huber parat. Huber ist selbst mit einer großen Wirtschaftsdelegation in Moskau, er hatte seine Reise lange vor Stoiber geplant. Jetzt müssen beide Reisen mühsam synchronisiert werden.

Auf dem Papier leitet Huber die Wirtschaftsdelegation der Stoiber-Reise, aber in Wirklichkeit ist es eine völlig getrennte Gruppe, die auch in einem anderen Hotel wohnt. Überraschend hat Stoiber auch noch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer mitgenommen, was im bayerischen Pressekorps, das Stoiber begleitet, für Aufregung sorgt. Soll damit Huber bewusst brüskiert werden?

Darf am Ende gar Ramsauer mit zu Putin und Huber nicht? Stoiber beteuert, er habe Ramsauer schon vor Monaten eingeladen, doch in der ersten Version des Reiseprogramms, das die Staatskanzlei am Montag verschickt hat, taucht sein Name nicht auf.

Streicheleinheiten für Ramsauer

Huber hat angeblich erst am Dienstag erfahren, dass auch Ramsauer mit von der Partie ist. Obwohl Ramsauer als Außenpolitiker bisher nicht groß in Erscheinung getreten ist, veredelt ihn Stoiber nun zum Experten für internationale Fragen. Ramsauer sei in Berlin ja "ständig involviert mit den außenpolitischen Dingen", das komme in München "sicherlich weniger" vor.

Wieder ein kleiner Seitenhieb. Selbstverständlich wolle er Ramsauer und Huber zu Putin mitnehmen, beteuert er. Das aber, flüstern die Stoiber-Getreuen, liege ausschließlich in der Entscheidungsgewalt Putins, der sei schließlich der Gastgeber. Am Ende dürfen Ramsauer und Huber beide mit, aber müssen wie Ministranten auf einem Bänkchen an der Wand Platz nehmen und dem Gespräch als stumme Komparsen folgen.

Offenbar sind in der CSU derzeit die Nerven ziemlich gespannt. Da werden selbst Kleinigkeiten aufmerksam registriert. Bevor es zu Putin geht, trifft Stoiber am Vormittag beim Moskauer Bürgermeister Jurij Luschkow auf Huber und seine Wirtschaftsdelegation.

Es wird das zehnjährige Jubiläum der Partnerschaft zwischen Bayern und Moskau gefeiert, in der russischen Hauptstadt finden "Bayerische Tage" statt. Doch fürs Begrüßungsfoto posieren nur Stoiber und Ramsauer mit Luschkow.

Huber steht daneben. Es folgt eine Sitzung in großer Runde, Stoiber und Luschkow tauschen endlose Platitüden über den Segen ihrer Zusammenarbeit aus, die dann von den Dolmetschern noch übersetzt werden müssen, anschließend dürfen Wirtschaftsvertreter ihre Sorgen im Umgang mit den russischen Geschäftspartnern vortragen.

Sentimentale Momente in Moskau

Doch dann wird es nochmal richtig sentimental, und es blitzt auf, wie schwer Stoiber der politische Abschied fällt: Stoiber bekommt die Moskauer "Ehrenmedaille" - schließlich hat Luschkow ja bereits den Bayerischen Verdienstorden bekommen. Während der langatmigen Laudatio Luschkows hat Stoiber die Finger an die Nase gelegt und sinniert - es wirkt, als lasse er gerade sein gesamtes politisches Leben Revue passieren.

Als Luschkow ihm die Medaille um den Hals gehängt hat und ihm einen riesengroßen, scheußlichen Porzellanteller überreicht hat, schimmert bei Stoiber Rührseligkeit durch. Das Alter bringe es eben mit sich, dass man die eine oder andere Auszeichnung bekomme, sagt er. Und erinnert an die Anfänge der bayerisch-russischen Zusammenarbeit im Jahr 1990.

Damals war er noch bayerischer Innenminister. Da sei der Moskauer Polizeichef zu ihm gekommen und habe über die rasante Zunahme der Kriminalität geklagt. Ob Bayern nicht ein paar schnelle Autos zur Verfügung stellen könne zur Verfolgung der Verbrecher? "Wir haben viele BMW mitgebracht, das war der Beginn einer wundervollen Partnerschaft", erinnert sich Stoiber. "Heute", erwidert Luschkow, "bleibt jeder Verbrecher bei uns im Stau stecken." Und BMW gibt es inzwischen in Moskau auch so genug.

Lob, Lob, Lob

Am Nachmittag kommt dann für Stoiber die eigentliche Bescherung - die Begegnung mit Wladimir Putin im Katharinensaal des Kreml. Edmund Stoiber, der sonst notorisch zu spät kommt, muss diesmal warten. Als Putin endlich eintrifft, begrüßen sie einander in der Mitte des Saals. Es ist ein freundlicher Händedruck, aber kein kumpelhafter, ehe für die Kameras die üblichen Floskeln ausgetauscht werden.

Putin lobt die wirtschaftliche Stärke des Freistaats, weiß auch das schmeichelhafte Detail, dass Stoiber als erster Ministerpräsident einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorgelegt hat. Stoiber gratuliert dafür artig zur Nominierung Sotschis für die Olympischen Winterspiele.

Und findet erneut eine Gelegenheit, den stumm an der Wand sitzenden Ramsauer demonstrativ zu loben. Der sei ein "wichtiger Player in der Bundesregierung", sagt er zu Putin. Erwin Huber sitzt daneben mit einem Lächeln. Es wirkt ein bisschen festgeschraubt.

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