Stimmkreis München Nord:Stallwächter mit schwarzem Herzblut

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Der Kreisvorsitzende der CSU, Ernst Weidenbusch, wirkt an der Basis als Vermittler - mitunter hemdsärmelig und ohne Hang zur Diplomatie.

Barbara Ettl

Auf den ersten Blick ist er der idealtypische bayerische CSU-Vertreter. In Hemdsärmeln steht Ernst Weidenbusch auf dem Berger-Hof in Hohenbrunn, voller Tatendrang, als wolle er gleich damit anfangen, den Stall auszumisten.

Äußerlich hat er Ähnlichkeit mit Franz Josef Strauß: Ernst Weidenbusch. (Foto: Foto: Claus Schunk)

Zuzutrauen wäre es dem Mann, dem jungen Franz Josef Strauß nicht unähnlich. Doch anstatt Bier ist Mineralwasser in seinem Maßkrug - wegen der Pfunde, wegen der Konzentrationsfähigkeit und weil er morgen wieder voll da sein will. Schließlich ist Wahlkampfzeit in Bayern.

Das Fest am Berger-Hof, zu dem die Hohenbrunner CSU-Vorsitzende Ingrid Kaps geladen hat, ist ein Heimspiel. Die CSUler sind unter sich, sprechen sich Mut zu. Die Angst vor dem Verlust der absoluten Mehrheit wird mit einem Schluck Bier hinuntergespült. Wer so lange an der Macht ist wie die CSU, dem bleibe Kritik nicht erspart, sagt Kaps. Aber sie ist optimistisch, erst recht was Weidenbusch angeht: Ihm sei das Direktmandat im Norden sicher.

Wahlkampfthemen spart der Kandidat sich und den Parteifreunden an diesem Abend. Zum Beispiel auch seine Vision von der Zukunft Bayerns als kinderfreundliches, zukunftsorientiertes und wirtschaftlich unschlagbares Land.

Kein Wort über ein durchlässiges, ortsnahes Schulsystem, frei von Standesdünkeln zwischen den Schul- und Bildungsarten oder über seine Forderung nach mehr Geld für die Hauptschullehrer, "weil der schlechtere Schüler die besseren Lehrer braucht".

Sein Bekenntnis zur Wirtschaft ist hier allen bekannt. "Um den erreichten Lebensstandard zu halten, brauchen wir gut bezahlte Arbeitsplätze", predigt er allerorts und betet gerne die Liste der Marktführer in seinem Wahlkreis herunter wie die Heiligen-Litanei - von Microsoft über General Electric, Allianz und Escada bis EADS.

Das Leibniz-Rechenzentrum nicht zu vergessen, auf dessen Ansiedlung er besonders stolz ist. "Ich möchte, dass sie alle da bleiben", sagt er, und deshalb müsse die Schulversorgung passen, der Verkehr fließen und das Freizeitangebot verlockend sein.

Seine Parteifreunde kennen Weidenbuschs Argumente und sie kennen auch seine zwei Seiten. Die des geselligen Bayern, der Lebensqualität zu schätzen weiß. Und die des Arbeiters Weidenbusch, dem 24 Stunden am Tag hinten und vorne nicht reichen als Anwalt und Politiker.

Sie wissen, dass Ernst Weidenbusch Ecken und Kanten hat, an denen sich schon mancher einen blauen Fleck geholt hat. "Wer everybody's Darling sein will, der ist bald everybody's Depp", hat Franz Josef Strauß einmal gesagt, und es sieht so aus, als nehme sich Weidenbusch Strauß in dieser Hinsicht zum Vorbild.

Mit seiner konsequenten Forderung nach einer Verjüngung der Mandatsträger hat er sich die Sympathie der Senioren-Union gründlich verscherzt. Karrierebewusste Parteifreunde sind mit Diplomatie besser gesegnet als der hemdsärmelige Ernst. Der Mann steht nicht nur für Auftritte im feinen, dunklen Zwirn, sondern - wenn's denn sein muss - auch fürs Grobe.

Probleme nicht suchen

"Parteiarbeit ist nicht immer lustig", bringt es seine Frau Claudia auf den Punkt und fügt hinzu: "Was er macht, das macht er ganz." Als Sportler, wenn Weidenbusch seine Runden im Münchner Norden joggt, um lästige Pfunde zu verlieren. Als Anwalt, wenn er für seine Mandanten streitet. Und als Politiker. Das Handwerkszeug des Juristen - er studierte in Augsburg und München - könne er dabei gut gebrauchen. Weidenbusch: "Es geht nicht darum, Probleme zu suchen, sondern Lösungen zu finden und Menschen zu helfen."

Während sein "Freund Fahrenschon" strahlend repräsentiert, hält Weidenbusch mit ruhiger Hand den CSU-Laden im Landkreis zusammen und gibt sich zumindest so, als interessiere ihn Macht nur am Rande. Dabei saß er als Schüler im Haarer Ernst-Mach-Gymnasium schon in der Schülermitverantwortung, mit 14 Jahren war er Gründungsvorsitzender der Schülerunion und viele Jahre ihr Debattenredner.

Mit den CDU-Ministerpräsidenten wie Roland Koch, Christian Wulf und Peter Müller ist er per Du. Sein Weg führte stetig nach oben: Seit 1990 ist er Mitglied des Kreistags, von 1996 bis 2003 war er dort Fraktionssprecher, von 1998 bis 2003 Bezirksrat in Oberbayern, seit 2003 ist er CSU-Kreisvorsitzender und Landtagsabgeordneter mit Schwerpunkt Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen und seit 2006 auch Mitglied der Grundsatzkommission der CSU.

Die Bodenhaftung hat er nicht verloren: Mit den Bürgermeistern in Garching und Unterschleißheim sowie den Gemeinden Oberschleißheim, Unterföhring, Ismaning, Aschheim, Kirchheim, Feldkirchen, Haar, Grasbrunn, Hohenbrunn, Ottobrunn, Putzbrunn, die zu seinem Stimmkreis gehören, stehe er in engem Kontakt, sagt Weidenbusch. "Wenn es dort Probleme gibt, und ich weiß das nicht, ärgert mich das", ergänzt er.

Nicht immer lief alles nach dem Geschmack der CSU, aber selten zur Überraschung Weidenbuschs. "Ich kenne meine Pappenheimer", sagte er am Abend der Kommunalwahl und blätterte in seinem Notizbüchlein wie der Nikolaus in der Liste guter und schlechter Taten.

Pleiten seiner Partei kann er offenbar locker wegstecken, Krisen managen. Die Abwahl Heiner Janiks als Landrat ebenso wie den Verlust von Bürgermeister-Posten und die Niederlagen bei Stichwahlen in den Gemeinden. Oder die stürmische Debatte um das Direktmandat im Stimmkreis München Süd, das Kerstin Schreyer-Stäblein weggenommen werden sollte, weil es Staatssekretär Fahrenschon gerade brauchte. Die Kritik steckte er weg, die Sache saß er nach Manier eines erfahrenen Politikers aus.

Politik hat er von der Pike auf gelernt. Engelbert Kupka war sein Ziehvater. Ein Mann, der die Entwicklung des Landkreises entscheidend prägte, ob als Landtagsabgeordneter, Bürgermeister oder Präsident der Spielvereinigung Unterhaching. Von ihm lernte Weidenbusch nicht nur politisch, mit ihm saß er bis 2003 in der Kanzlei, die immer wieder im Zusammenhang mit Großprojekten im Landkreis genannt wurde. Das Wort Spezlwirtschaft will er sich nicht vorwerfen lassen. Jedenfalls zog er mit seiner Kanzlei 2003 nach Kirchheim.

Politik und Mandat getrennt

Er nimmt für sich in Anspruch, dass er lieber zwei Mal prüfe, ob ein Mandant etwas mit der Politik oder dem Landkreis zu tun habe. So habe er das Altenheim-Projekt in Höhenkirchen-Siegertsbrunn als Anwalt begleitet, auf ausdrückliche Bitte der Gemeinde, wie er sagt.

Drei weitere Fälle fallen ihm noch ein. Aber grundsätzlich verstehe er durchaus zu trennen zwischen politischem Mandat und seinem Engagement als Anwalt. "Was nicht geht, geht nicht", sagt er fast verärgert. "Ich kann nicht am Vormittag ein Bauträger-Mandat gegen eine Gemeinde übernehmen, deren Interessen ich am Nachmittag im Landtag vertreten soll." Da sei "Ende Gelände", reimt er und fügt hinzu: "Das ist eine Frage der Persönlichkeit. Das hat nichts mit dem Alter zu tun oder einer bestimmten Partei."

Türen öffnen, bei Problemen vermitteln, Menschen miteinander ins Gespräch bringen - das macht Ernst Weidenbusch gerne. Spontan lud er kürzlich Realschüler aus Aschheim in die Staatskanzlei ein. Ein bisschen sicherlich auch um zu beweisen, dass er Türen öffnen kann.

Sogar die zur Staatskanzlei. "Und wer von Euch will Ministerpräsident werden", fragt Beckstein die Schüler, die dicht gedrängt um seinen Schreibtisch stehen. Während sie noch zögern, greift Beckstein mit einem spitzbübischen Grinsen nach dem Arm Weidenbuschs, reißt ihn in die Höhe und meint: "Gib's endlich zu, Ernst, dass Du es werden willst."

An Stoiber festgehalten

Beckstein kann damit leben, dass nach den Schülern auch Weidenbusch auf seinem Stuhl Platz nimmt für ein Erinnerungsfoto. Das Verhältnis sei entspannt, sagt Weidenbusch, vergessen der turbulente Abgang von Edmund Stoiber. Damals hatte der "Stoiberianer" Weidenbusch trotz unüberhörbarer Kritik an dessen Führungsstil so lange an Stoiber festgehalten, dass es viele Beobachter es heute noch nicht verstehen. Weil er gar nicht eingesehen habe, Stoiber zu opfern, wie er sagt. Die Aufgeregtheit und die Angst, die damals herrschten, seien ihm zuwider gewesen.

Die CSU müsse nun um jede Stimme kämpfen, sagt Weidenbusch, der sich keine Verschnaufpause gönnt. Fahrradtraining der CSU, Hoffest, Infostand und Wandertag stehen zum Endspurt auf dem Programm. Kämpfen will er bis zum letzten Tag.

In der Kommunalpolitik sich je nach Sachlage Mehrheiten zu suchen, das sieht er als sportliche Herausforderung, das gebe der Politik Würze. In der Landes- und Bundespolitik aber machten Kompromisse die Sache unkalkulierbar, da brauche es eindeutige Mehrheiten, am besten eine absolute für die CSU.

© SZ vom 15.09.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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