Stimmkreis München-Land Süd:Mann der leisen Töne

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Jimmy Schulz aus Hohenbrunn ist überzeugter Liberaler: Er legt Wert auf Selbstverantwortung und freie Entscheidung.

Alexandra Leuthner

Es gibt ihn wirklich, den Funtensee, jenen angeblich kältesten Ort Deutschlands, von dem die meisten Deutschen noch nie etwas gehört hatten, bis Jörg Kachelmann und sein Tagesthemen-Strömungsfilm kamen. Gesehen aber hat den Karstsee im Nationalpark Berchtesgaden bisher wohl ein noch geringerer Prozentsatz der Bevölkerung, als die FDP bei den vergangenen Landtagswahlen Wähler hatte.

Jimmy Schulz von der FDP überlässt große Auftritte lieber anderen. (Foto: Foto: Claus Schunk)

Jimmy Schulz aber kennt ihn und war, als wir ihn vor einigen Wochen zum Interview trafen, auf dem Sprung zu jenem eiskalten Ort, um dort einem Parteifreund Wahlkampfhilfe zu leisten. Ein PR-Gag, sagt er, aber auch ein Ausflug mit Symbolkraft: Schließlich wollen die Freien Demokraten in Bayern endlich weg aus den ähnlich unwirtlichen Gefilden im Abseits politischer Einflussmöglichkeit, in denen sie sich in der Vergangenheit befunden hatten - in den letzten 14 Jahren zumal.

Das ist fast so lange, wie Jimmy Schulz' älteste Tochter auf der Welt ist. Mit 15 ist sie inzwischen alt genug dafür, sich selbst für Politik zu interessieren, spätestens jetzt soll es also wieder besser werden für die bayerische FDP, wenn es nach ihrem Vater geht.

Und der glaubt an den Erfolg. "In den letzten zwei Jahren waren wir nicht mehr unter der Fünf-Prozent-Marke in Bayern." Und was seine eigenen Chancen angeht - er kandidiert auf Platz sieben der oberbayerischen FDP-Liste - verweist er auf das Landkreis-Ergebnis der vergangenen Bundestagswahl. "14 Prozent, das zweitbeste Ergebnis im ganzen Land."

Wenn also alles läuft, wie Jimmy Schulz sich das vorstellt, werden seine drei Kinder vermutlich vom Herbst an öfter mal in die Zeitung schauen müssen, wenn sie ihren Vater sehen wollen. So viel wie bisher wird der 39-Jährige dann nicht mehr zu Hause sein können.

Auch wenn er sein Büro im Keller des Riemerlinger Privathauses behalten und dort weiter als geschäftsführender Gesellschafter der Software Firma CyberSolutions arbeiten wird. Leicht wird der Spagat vermutlich nicht, den der Unternehmer da hinlegen will, "aber ich glaube, dass es machbar ist", sagt er. Und fügt hinzu: "Ich habe immer gern gearbeitet."

Und schließlich lebt Jimmy Schulz, der das Hohenbrunner Software-Unternehmen 1995 selbst gegründet und es 2000 an die Börse gebracht hat, damit eine seiner eigenen Forderungen. Der Weg in die Selbständigkeit müsse jungen Leuten bereits in der Schule viel stärker als eine Option für ihren späteren Arbeitsweg vermittelt werden, als das jetzt der Fall sei. Aber wenn es allein schon drei Monate dauere, die Genehmigung für ein Gewerbe zu bekommen - mal abgesehen von den Kosten - könne die Selbständigkeit für Schulabgänger natürlich kaum eine Option sein.

A propos Schule: Das G8 nimmt sich Schulz als nächsten Kritikpunkt vor. Im internationalen Vergleich gesehen, sei die Reduzierung der Gymnasialzeit um ein Jahr zwar eine gute Sache. "Aber das darf man doch nicht so machen, wie es die CSU gemacht hat." Wenn man ohne Konzept solch eine Änderung durchsetze, verschenke man alle Vorteile, die man gewinnen wollte. "Nehmen Sie das ungelöste Problem des doppelten Abiturjahrgangs, der an die Unis strebt." Jetzt bleibe nichts anderes übrig, als mit aufgestockten finanziellen Mitteln pragmatische Lösungen zu suchen und mehr Personal einzustellen.

Jimmy Schulz hat aber auch ein paar ganz grundsätzliche Probleme mit der Richtung, in die sich Bayern - und der Bund - seiner Meinung nach entwickeln. "Wir sind auf dem Weg zu einem Überwachungsstaat", glaubt er. "Nehmen Sie die Vorratsdatenspeicherung. Da mache ich mir große Sorgen."

Als Software-Entwickler wisse er, dass es Programme gebe, die das könnten. Das Problem sei nur, "diese Maßnahmen greifen nicht. Damit treffen Sie nur digitale Eierdiebe und sonst niemanden." Entweder fehle es also den verantwortlichen Politikern an Kompetenz, oder aber das Ziel solcher Maßnahmen sei nicht die Terrorismusabwehr, "sondern die totale Kontrolle."

Kontakt zur Wirklichkeit

Schulz führt gleich noch ein Beispiel an: Die geplante Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Selbst wenn man mit diesem Gesetz vor allem Aufmärsche der rechten Szene verhindern wolle, bedeute die Verschärfung eine stückweise Einschränkung der Freiheit. "Wir können nicht einfach eine Lex NPD machen, gegen die müssen wir uns schon mit demokratischen Mitteln wehren."

Die CSU sei auf dem besten Weg, "das Leben und leben lassen, dieses typisch bayerische Lebensgefühl" zu verlieren, ihren Bürgern jede Eigenverantwortung abzusprechen. Stichwort Nichtrauchergesetz: Warum müsse man die Leute hier schon wieder bevormunden. "Jeder Mensch weiß doch, dass die kleine Eckkneipe keine Wellness-Farm ist. Lasst sie doch tun, was sie selber wollen."

Selbstverantwortung und freie Entscheidung - das sind Werte, die Jimmy Schulz wichtig sind, schließlich ist er überzeugter Liberaler. Seit acht Jahren ist er Mitglied der Partei, die er nun im Landtag vertreten möchte. Eine geplante Hauptzufahrtstraße durch seine Wohnsiedlung in Riemerling brachte den frisch aus Ottobrunn Herübergezogenen damals dazu, sich in der Gemeindepolitik zu engagieren. Inzwischen ist er Dritter Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Hohenbrunn, Kreisrat und seit 2004 Kreisvorsitzender der FDP München-Land. Klingt nach steiler politischer Karriere.

Aber Schulz ist auch Familienvater und Unternehmer, und das sind Werte, die er hoch hält. Den Typ Berufspolitiker, der vom normalen Leben keine Ahnung hat, den mag Schulz nicht besonders. Die Politik brauche mehr Kontakt zur Wirklichkeit, sagt er. In den Parlamenten - nicht zuletzt im bayerischen Landtag - säßen "viel zu viele Leute mit viel zu wenig Kompetenz", das müsse sich ändern.

"Ich jedenfalls habe nicht vor, mein Leben lang Politiker zu bleiben", sagt der 39-Jährige - und formuliert damit indirekt eines seiner Credos: Die Beseitigung der Unzulänglichkeiten, die er in seinem täglichen Leben erkannt zu haben glaubt, soll seine Arbeit bestimmen. Und die Themen mit denen er sich auskennt.

Er werde sich vermutlich eher nicht mit der Agrarpolitik beschäftigen, weil er darüber zu wenig wisse - selbst wenn manch einer das von einem Politiker in Bayern vielleicht erwarte - auch von einem, der im engeren Sinne ein Zuagroaster ist. Geboren in Freiburg, kam Schulz erst 1975 hierher, als sein Vater einen Ruf an die Universität der Bundeswehr erhielt.

Aber reden über Dinge, von denen er nichts verstehe, das will er jedenfalls nicht. "Wenn ich mir wünschen dürfte, was die Leute über mich sagen sollen, dann ist das: ,Das was er sagt, das meint er auch so.' Dann bin ich glücklich."

Die große Show also ist nicht sein Ding. Beim Besuch von Guido Westerwelle im Keferloher Festzelt überlässt er den großen Auftritt anderen, die ganz offensichtlich lieber vor einem Riesenbierzelt sprechen, dem bayerischen Spitzenkandidaten Martin Zeil, dem singenden Stimmkreiskandidaten für den Landkreis-Norden, Tobias Thalhammer und natürlich dem Bundesvorsitzenden selber, einem Mann, den er jetzt erst schätzen gelernt habe.

"Er ist ernster geworden, er trifft den Ton der Menschen, die liberal denken", sagt Schulz über Westerwelle. Und verrät damit auch viel über sich selbst. Guidomobil und Spaßpolitik sind nicht Jimmy Schulz' Ding. Er schätzt eher die leisen Töne. Er fährt höchstens einmal im Wahlkampf an den kalten Funtensee.

© SZ vom 17.09.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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