Stein an der Traun: Opfer berichten:Einfach leben

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Sie haben geschwiegen - vier Monate lang. Nun erzählen die Überlebenden der Felssturz-Katastrophe von Stein an der Traun von dem schwierigen Weg in ihr neues Leben.

Katja Riedel

Vier Monate lang haben sie geschwiegen. Haben versucht, mit dem zu leben, was ihren bisherigen Lebensmittelpunkt in einem einzigen Moment zerstört hat: Der riesige Fels, der am Abend des 25. Januar auf ihr 180 Jahre altes Haus in Stein an der Traun herabgestürzt ist, hat nicht nur ihr Zuhause, sondern eine ganze Familie unter sich begraben. Jetzt haben die Überlebenden geredet.

Bei einem Felssturz auf ein Einfamilienhaus in Stein an der Traun wurden ein Mann und seine 18-jährige Tochter getötet. Ehefrau sowie ihr 16-jähriger Sohn konnten gerettet werden. Jetzt sprechen die Überlebenden über die Katastrophe. (Foto: ag.dpa)

Einem Reporter ihrer Lokalzeitung, des Trostberger Tagblatts, haben Mutter Uschi, 40, und Sohn Leon B., 16, nun erstmals von ihrem Überleben erzählt. Von den Stunden unter den Trümmern, die sie die ganze Zeit über bei Bewusstsein erlebt haben, wie sie immer miteinander sprachen, auch später im Krankenhaus. Und von der Zeit danach. Davon, wie Mutter und Sohn versuchen, alleine weiterzumachen, nachdem sie den Vater und Ehemann Peter, 45, und die Tochter und Schwester Sophie, 18, verloren haben.

Während dort, wo einmal ihr Haus stand, ein Bagger immer noch versucht, die Trümmer zu sortieren und zu beseitigen, haben Mutter und Sohn selbst Ordnung in ihr neues Leben gebracht. Wo genau sie den Neuanfang wagen, möchten sie nicht verraten. Sie leben in einer Wohnung im Landkreis Traunstein. Beide haben die stationäre Reha vor Pfingsten abgeschlossen, Sohn Leon plant offenbar, nach den Sommerferien wieder in seine alte Schulklasse zurückzukehren. Gesundheitlich sind Mutter und Sohn, die bei dem Unglück schwere Quetschungen davongetragen haben, aber auf dem Weg der Besserung.

Mehr als 500.000 Euro an Spenden

Auch die Unglücksstelle haben sie mehrfach besucht - und sich sehr gefreut, dass sich aus den Trümmern noch einige persönliche Erinnerungen retten ließen. Leon konnte die Festplatte seines Computers wiederfinden, jetzt kann er zumindest seine Musik wieder hören, die ihm Kraft gibt. Und die Mutter versucht, die Daten aus dem zerstörten Computer ihrer Tochter wiederherstellen zu lassen. Denn dort hatte diese zuletzt an ihrer Latein-Facharbeit für das Abitur gearbeitet, das sie in diesen Tagen hatte abschließen wollen.

Mehr als 500.000 Euro an Spenden sind zusammengekommen, die Mutter und Sohn als Startkapital mit in ihr neues Leben nehmen. Die Bergung der Unglücksstelle zahlt die benachbarte Schlossbrauerei Stein. Dankbar sind sie nicht nur für das Geld, sondern auch für die ideelle Unterstützung, die sie von den Menschen in Traunreut und Umgebung erfahren haben.

Was mit dem Grundstück passieren soll, ist offenbar noch nicht entschieden. Michael Elsen, der ehemalige Direktor der Brauerei, zu der das zerstörte Haus einmal gehörte, hatte vorgeschlagen, einen Teil des Felses als Mahnmal zu bewahren und eine Gedenktafel anzubringen. Dagegen hat sich nun die Familie ausgesprochen. Angesichts eines Felssturzes passe das nicht. Er könne sich vorstellen, einen Baum zu pflanzen, sagte Leon. "Das kann man verstehen", sagt Michael Elsen.

Dennoch kehrt ganz langsam ein bisschen Normalität zurück an die Unglücksstelle. Die Nachbarn der Familie, die zunächst aus Sicherheitsgründen hatten ausziehen müssen, sind derweil in ihre Häuser zurückgekehrt.

© SZ vom 09.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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