SPD: Daueropposition in Bayern:"Jetzt sind wir gefragt"

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Im Bund ist Bayerns SPD-Fraktionschef Maget beliebt. Zu Hause sind die Genossen in der Daueropposition. Jetzt soll der Teufelskreis durchbrochen werden.

B. Kruse, Video: K. Gregorian

Der Bundesparteitag der SPD war für die bayerischen Genossen ein wahres Freudenfest. Vier Bayern sind in Hamburg in den Parteivorstand gewählt worden, Fraktionschef Franz Maget konnte sogar die meisten Stimmen auf sich vereinen.

So viel Zustimmung, wie Franz Maget in diesen Tagen im Norden der Republik erfahren hat, ist er im Freistaat nicht gewöhnt. Im Gegenteil: Im Süden dominiert die CSU das politische Geschehen - seit den letzten Landtagswahlen sogar mit einer Zweidrittelmehrheit.

Bei der SPD sieht es hingegen düster aus. Das Wahljahr 2003 war für sie besonders schwer. Franz Maget stößt bei der Erinnerung daran einen tiefen Seuzfer aus. Damals hatte der innerparteiliche Streit um die Agenda 2010 ihren Höhepunkt erreicht und in den eigenen Reihen liefen Mitgliederbegehren gegen die rote Bundespolitik. Während die Wähler der CSU zu einen historischen Wahlsieg verhalfen, straften sie die Sozialdemokraten mit dem schlechtesten Ergebnis seit 1946 ab: 19,6 Prozent. Historischer Tiefstand.

Indes waren die Zeiten für sozialdemokratische Politik im Freistaat nicht immer so schlecht. Im Gegenteil: Stolz blickt Maget auf eine lange Tradition seiner Partei zurück.

"Die SPD hat für Bayern mehr erreicht als alle anderen Parteien", sagt der SPD-Fraktionschef selbstbewusst und erinnert an Ministerpräsident Wilhelm Hoegner. Er war es, der den modernen Freistaat nach 1945 begründete, der den Bayern eine neue Verfassung schrieb und sich 1954 an die Spitze der kuriosen Viererkoalition aus Bayernpartei, Vertriebenenpartei BHE und FDP setzte.

Die CSU wurde damals auf die Oppositionsbank verbannt und kochte, hatte sie in der Wahl doch mit mehr als 38 Prozent die meisten Stimmen auf sich verbuchen können. Von "Verrat an ihren Wählern und am bayerischen Volk" war die Rede, von der "Auslieferung Bayerns an die Marxisten und Zentralisten". Und die Christsozialen wurden nicht müde, vor den verhängnisvollen Folgen für den Freistaat zu warnen.

Heute ist das genau umgekehrt. Heute wird die SPD nicht müde, die christsoziale Politik im Land an den Pranger zu stellen - seit 50 Jahren. Denn so lange sind die Sozialdemokraten Opposition in Bayern.

Eine Depesche sollte am Abend des 8. Oktober 1957 das Ende der SPD-Herrschaft im Freistaat besiegeln. Es war bereits Abend, als der Bote die Rücktrittserklärungen mehrerer Regierungsmitglieder der Bayernpartei bei Wilhelm Hoegner abgab. Nach dem guten Wahlergebnis der Union auf Bundesebene hatten sie kalte Füße bekommen, fürchteten sie doch, bei der nächsten Landtagswahl die Quittung für ihren Flirt mit den Sozialdemokraten zu erhalten.

Hoegner griff daraufhin zum Telefon, erklärte Landtagspräsident Ehard seinen Rücktritt und beendete damit den Traum der SPD-Herrschaft im Freistaat für die nächsten fünf Jahrzehnte. Für die CSU ging es von diesem Tag an stetig bergauf. In keiner Landtagswahl kamen die Schwarzen unter 45 Prozent. Und seit 1966 gilt für die CSU sowieso nur noch eine Zielmarke: 50 plus X.

Alle Versuche der SPD, die Vormachtstellung der CSU zu brechen, scheiterten. Ende der siebziger Jahre musste etwa Hans-Jochen Vogel, der mit dem Slogan "Bayern braucht Dr. Vogel" das Ruder herumreißen wollte und auf seine Popularität als Münchner Ex-Bürgermeister setzte, eine Wahlschlappe einstecken. Bayern brauchte keinen Vogel, und einen Doktor schon gleich gar nicht.

Nicht viel besser erging es Karl-Heinz Hirsemann in den achtziger Jahren. Zwar hätte er es von der Statur her leicht mit Franz Josef Strauß aufnehmen können - er war ebenso groß, breit und tief wie FJS. Politisch hatte Hirsemann gegen die schwarze Übermacht keine Chance.

Und nicht einmal Renate Schmidt konnte den Sozialdemokraten die ersehnte Mehrheit beschafften. Hoffte die Rote Renate während des Wahlkampfes insgeheim noch auf den Sieg und das Amt der Ministerpräsidentin, kam nach der Stimmenauszählung die Ernüchterung: Zwar konnte sie für die SPD respektable 30 Prozent erzielen, den Ministerpräsidenten stellte aber nach wie vor die CSU - mit Edmund Stoiber.

Wehmütig mögen die Sozialdemokraten nach dieser erneuten Niederlage an die sechziger Jahre zurückgedacht haben, in denen Volkmar Gabert mit 35,8 Prozent das beste Wahlergebnis in ihrer Geschichte erreichen konnte.

Ein kleiner Trost bleibt ihnen dennoch: Wenigstens auf Umwegen haben SPD-Vorschläge immer in die Gesetzgebung gefunden. Denn fürs Abschreiben guter Ideen war sich die CSU noch nie zu schade. So ist der eine oder andere Antrag, den die CSU mit großem Getöse im Landtag noch abgelehnt hat, später dann doch wieder in ihren Gesetzen und Programmen aufgetaucht: Mutterpass, moderne Schulen, Umweltschutz, Mitsprache der Bürger oder die Abschaffung des Büchergeldes sind nur einige Beispiele dafür.

Auch wenn die aktuellen Umfragewerte nicht für eine sozialdemokratische Machtübernahme bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr sprechen: Maget ist zuversichtlich, dass endlich wieder "normale demokratische Verhältnisse einkehren."

In Bayern könne es Entwicklungen geben, die noch alle überraschen werden, orakelt er und knüpft seine Hoffnung ausgerechnet an die CSU. "Beckstein ist schlecht gestartet", sei ein Mann der Vergangenheit und nicht der Zukunft. Das frustriere die Leute und darin läge die Chance der SPD. "Jetzt sind wir gefragt."

Mit einem Kompetenzteam will Maget die Vorherrschaft der Schwarzen brechen, setzt auf Personalisierung der Politik. Alles Rezepte, nach denen die CSU schon lange kocht. Doch ob auch die Sozialdemokraten damit Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten.

Denn ein Problem kann Maget mit dieser Strategie nach wie vor nicht lösen: den mangelnden Nachwuchs in der Fraktion. Denn wer in der SPD derzeit was bewegen will, geht in die Kommunalpolitik.

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