Sepp Daxenberger:"Man sollte die Kirche im Dorf lassen"

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Grünen-Chef Sepp Daxenberger über die Wahlkampfmunition, die seine Partei der CSU freiwillig liefert.

Silke Lode

Eigentlich wollen die Grünen bei der Landtagswahl mit Themen wie Bildung, Atomkraft und Gentechnik punkten und der CSU ein zweistelliges Wahlergebnis entgegensetzen. Doch nun hat der Fraktionsvorsitzende Sepp Dürr gefordert, nicht mehr der Staat solle die Bischöfe bezahlen, sondern die Kirche. Darauf warf die CSU den Grünen vor, sie wolle das Land "entchristianisieren".

Grünen-Chef Sepp Daxenberger: "Es gibt genügend Themen, bei denen die CSU mit dem Rücken zur Wand steht." (Foto: Foto: ddp)

SZ: Die Grünen haben im Juni beschlossen, religiöse Symbole aus Klassenzimmern zu verbannen. Nun fordert Sepp Dürr, dass das Konkordat aufgekündigt wird und Bischöfe nicht mehr vom Staat bezahlt werden. Warum machen die Grünen der CSU solche Wahlkampfgeschenke?

Sepp Daxenberger: Ich habe mich vor allem beim Thema religiöse Symbole geärgert und sofort klargestellt: Das kann so nicht bleiben. Das war anders gemeint, eigentlich ging es nur um das Kopftuch, das wir nicht in den Klassenzimmern haben wollten. Der Beschluss kann aber erst auf dem nächsten Parteitag geändert werden. Bei der Bezahlung der Bischöfe hat Sepp Dürr das Richtige gesagt, aber er hat den falschen Zeitpunkt erwischt. Es gibt jetzt wichtigere Themen in Bayern.

SZ: Sepp Dürr ist ein erfahrener Politiker, ein Unfall war das sicher nicht. Wollte er bewusst die eigene Klientel ansprechen?

Daxenberger: Er wurde bei einem Gespräch mit Journalisten direkt auf das Thema Konkordat angesprochen. Da konnte er sich schlecht drücken.

SZ: Inhaltlich geben Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden aber Recht.

Daxenberger: Ja, bei einem Gesetz, das auf die Enteignung der Kirche vor über 200 Jahren Bezug nimmt, kann man ja ruhig mal nachdenken, ob das so noch richtig ist. Da stimmen uns auch viele Kirchenleute zu. Die sind auch nicht glücklich darüber, dass ihr Spitzenpersonal vom Staat bezahlt wird. Das ist kein Symbol der Unabhängigkeit und fördert auch nicht die Kritikfähigkeit der Kirche an der Sozialpolitik des Staates.

SZ: Aber mit dem Thema lassen Sie sich doch in die Wahlkampfmaschinerie der CSU einspannen.

Daxenberger: Richtig. Das ist das, was mich ärgert. Aber es gibt genügend Themen, bei denen die CSU mit dem Rücken zur Wand steht, Bildungspolitik zum Beispiel. Sie kann nichts anderes mehr, als von der Hölle zu predigen und vor dem Untergang Bayerns zu warnen. Das Problem der CSU ist, dass sie keine Antworten hat auf die dringlichen Fragen der Zukunft.

SZ: Warum spielen die Grünen in diesem Höllen-Szenario so bereitwillig den Beelzebub, der ausgetrieben werden muss?

Daxenberger: So bereitwillig spielen wir nicht mit. Bei den Grünen gibt es eine große Meinungsvielfalt und niemand bekommt einen Maulkorb. Aber wir müssen professioneller werden und dürfen auch an der Basis nicht nur unserer eigenen Klientel nachlaufen. Übrigens habe ich das Thema mit den religiösen Symbolen, die nicht mehr in den Klassenzimmern auftauchen sollen, als viel dramatischer empfunden als die Bezahlung der Bischöfe.

SZ: Warum?

Daxenberger: Das hat die Menschen berührt. Meine Großmutter hat im Dritten Reich dafür gekämpft, dass die Kreuze in den Schulen bleiben. Die haben dem Lehrer Prügel angedroht, wenn die Kreuze, die die Nazis weghaben wollten, nicht wieder aufgehängt werden. Jetzt wollen wir die Kreuze rausholen - das widerspricht sich doch! Bei den Grünen gibt es viele Kirchenaktive, die trifft so ein Beschluss natürlich. Es trifft aber auch die Menschen, die ohne starke Glaubensbindung sind und doch meinen, man sollte die Kirche im Dorf lassen.

© SZ vom 26.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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