Sepp Daxenberger hört in Waging auf:Steherqualitäten und große Pläne

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Sepp Daxenberger verlässt, hochgeachtet, die Kommunalpolitik - nun hat der bekannte Grünen-Politiker die CSU im Visier.

Heiner Effern

Sepp Daxenberger regiert von seinem Stammplatz aus - direkt unter dem Ortsplan seiner Gemeinde. Rechts wirft der Beamer einen Radweg an die Leinwand, links hinter ihm hängt das Kruzifix. Vor ihm haben die Gemeinderäte von Waging am See Platz genommen.

Sepp Daxenberger hört in Waging als Bürgermeister auf. Er will in den Landtag. (Foto: Foto: ddp)

Als die Tagesordnung abgearbeitet ist, lehnt sich "der Sepp", wie ihn hier alle nennen, zurück und sagt: "Nach zwölf Jahren ist es ein komisches Gefühl, wenn man das letzte Mal da sitzt." Kurz lässt er seine zwei Amtszeiten Revue passieren, um dann lakonisch zu enden: "Keine Abgesänge, bitte."

Martin Huber, dritter Bürgermeister und CSU-Mitglied, ignoriert das - wie auch nicht, schließlich gilt es Daxenbergers letzten Arbeitstag im Amt zu würdigen. Er lobt die offene, faire und bürgernahe Art des Bürgermeisters und fügt dann ein wenig schlitzohrig hinzu:"Der Sepp hat die Gemeinde in sehr gutem Zustand übernommen, so gibt er sie nun auch weiter. Trotz aller Unkenrufe."

Unkenrufe? Das war einmal. Jetzt hört Sepp Daxenberger, 46, Landesvorsitzender der Grünen, vor allem versöhnliche Töne zu seinem freiwilligen Abschied aus der Kommunalpolitik am 30. April. 1996 hingegen herrschte noch Aufruhr im tiefschwarzen Südosten, als mit ihm zum ersten Mal in Bayern ein Grüner zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt wurde - und das in einem Dorf, in dem zuvor 24 Jahre lange ein CSU-Bürgermeister regiert hatte.

Den Niedergang der lokalen Wirtschaft und der Gemeinde überhaupt prophezeiten seine Gegner damals. Er wolle sogar, dass die Kreuze aus öffentlichen Räumen verschwinden, hieß es.

Die CSU schickte im Wahlkampf eigens Peter Gauweiler nach Waging. Vergebens: Dieser fiel im ersten Wahlgang durch, und Daxenberger gewann die Stichwahl gegen den Bewerber der Freien Wähler mit 58 Prozent. Bei der Wiederwahl 2002 holte der Grüne auf Anhieb mehr als 75 Prozent der Stimmen.

Der Traunsteiner CSU-Landrat Hermann Steinmaßl kennt Daxenberger seit fast 25 Jahren. Für dessen Erfolg hat er sich eine tröstliche Wahrheit zurecht gelegt. "Der Sepp Daxenberger ist ja nicht gewählt worden, weil er, sondern obwohl er bei den Grünen ist."

Der Niedergang in Waging blieb aus

Der Niedergang der Gemeinde Waging am See blieb also aus, und die Stimmung hat sich gedreht: Allerorten ist eine gewisse Wehmut zu spüren, weil Daxenberger aufhört. "Er ist ein Pfundskerl, als Mensch und Bürgermeister. Der ist für alle Bürger da, auch für die Wirtschaft", sagt Beatrice Kress, Geschäftsführende Gesellschafterin der Molkerei Bergader, des größten Arbeitgebers in Waging.

Für ihre Firma wurde während Daxenbergers Amtszeit eine eigene Verbindungsstraße ins Gewerbegebiet gebaut, die nun auch als Hauptzufahrt für den Ort dient. Fünf Häuser mussten dafür abgerissen werden, außerdem mussten die Barrieren in den Köpfen der Gegner fallen.

Wo außen Straßen gebaut werden, kehrt innen Ruhe ein: Heute präsentiert sich der verkehrsberuhigte Ortskern von seiner idyllischen Seite. Autos bleiben weitgehend draußen, und die Fassaden der Häuser strahlen frisch renoviert. Obwohl er es nicht mag, "wenn man die Monstranz der grünen Ideologie vor sich herträgt", verweist Daxenberger gern auf eigene Ideen, die er umsetzen konnte.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, weshalb manche Leute Daxenberger als künftigen Minister sehen.

Die Gemeinde hat eine eigene Trinkwasserversorgung, ein Biomasse-Kraftwerk und ein ausgebautes Stromnetz bekommen. Doch Daxenberger musste auch Niederlagen einstecken. Er hätte gern eine Realschule angesiedelt, die aber steht nun in Traunreut. Am meisten schmerzt ihn die Schließung des Krankenhauses am Ort - der Grund: Geldmangel.

Daxenberger als Kämpfer

Daxenberger, das ist aber nicht nur der Mann der politischen Kämpfe, sondern auch der Kämpfe mit - und für - sich selbst. Sein persönlicher Gegner war eine schwere Krebserkrankung. Zweimal brachte er sie zum Stillstand, doch die Belastung als Landesvorsitzender und Bürgermeister ließ sich mit diesem Feind nicht vereinbaren.

Themen wie Kanalbau, Straßenplanung und Bauanträge verloren darüber ihren Reiz. Vieles störte ihn, nicht zuletzt die auf Konsens ausgerichtete Kommunalpolitik, die der streitlustige Politiker zunehmend als Korsett wahrnahm. Aber er macht weiter, hört auf in Waging und ist doch wieder da, denn zum Abschied aus der Kommunalpolitik hat er ein Machtvakuum entdeckt, in das er gern vorstoßen würde: die Landespolitik. "Das erste Mal, seit ich politisch denke, kann sich in Bayern was bewegen."

Er träumt nun davon, die CSU unter 50 Prozent zu drücken und eine Mehrheit jenseits der Christsozialen zu bilden. Manch einer hält das für einen kühnen Plan, doch Anfang der neunziger Jahre hat ihm auch niemand geglaubt, als er seinen Parteifreunden sagte: "Macht Euch keine Sorgen, bald bin ich Bürgermeister von Waging."

Dieses für viele Grüne heute noch ungewohnte Selbstbewusstsein will er nun auf die Landespolitik übertragen. Die Molkerei-Managerin traut ihm jedenfalls viel zu. "Vielleicht bleibt er uns ja erhalten. Möglicherweise mal als Landwirtschaftsminister?"

© SZ vom 29.4.2008/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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