Schweinegrippe:Bedingt abwehrbereit

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Immer mehr Bayern wollen sich gegen die Schweinegrippe wappnen, doch es gibt nicht genügend Impfstoff. Die Politik will jetzt Druck auf den Hersteller machen.

Ch. Burtscheidt, M. Thurau und C. Wadenka

Rolf A. zählt zu den Hartnäckigen. Erst rief er seinen Hausarzt an. Nein, in dieser Praxis könne er keine Impfung gegen die Neue Grippe bekommen, beschied ihn die Sprechstundenhilfe und verwies ihn an ein städtisches Klinikum, erzählt der Hilfesuchende aus München. Dort kam er aber auch nicht weiter.

Die Impfbereitschaft ist seit November sprunghaft angestiegen. (Foto: Foto: dpa)

Danach versuchte er es beim Gesundheitsamt, beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, ehe er schließlich die Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) anklickte. Auf der gibt es eine lange Liste von Medizinern, die laut KVB den Impfstoff verabreichen. A. ging sie Name für Name durch und fand - seinen Hausarzt. Auch bei fünf weiteren Medizinern blieb sein Wunsch unerfüllt.

Durch Zufall bekam er dann doch noch einen Impftermin, weil seine Frau bei ihrem Arzt mitbekommen hatte, wie ein Patient absagte. Da habe er aber Glück gehabt, hieß es dort, denn nun sei der Impfstoff erst mal aus. Knapp 20.000 Menschen sind bis jetzt in Bayern an der Schweinegrippe erkrankt. Wahrscheinlich sind es weitaus mehr, denn längst nicht alle Fälle werden registriert. Allein von Montag auf Dienstag dieser Woche wurden gut 2000 neue Fälle gemeldet.

Für die Ärzte steht fest: Die lange angekündigte Grippewelle ist nun da. Und nachdem die Bevölkerung zunächst äußerst zurückhaltend war, wollen sich nun immer mehr Menschen impfen lassen, zumal bereits vier Todesfälle im Zusammenhang mit der Neuen Grippe in Bayern aufgetreten sind.

Mancherorts ist die Situation selbst für die Impfwilligen reichlich unübersichtlich geworden, wie das Beispiel des Münchners Rolf A. zeigt. Denn offenbar ist die Liste der KVB, die die Impf-Praxen nennt, nicht mehr aktuell. Hinzu kommt, dass es den Apotheken nur unzureichend gelingt, die Ärzte mit Impfstoff zu versorgen.

Der Hersteller in Dresden, die Firma GlaxoSmithKline (GSK), hat erhebliche Produktionsprobleme. Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) will deshalb heute bei einem Treffen mit seinen Kollegen in Berlin den Druck auf den Hersteller verstärken.

Impfbereitschaft sprunghaft gestiegen

Am 26. Oktober wurde erstmals in Bayern der Impfstoff Pandemrix ausgeliefert. Seither spielt sich jede Woche das gleiche Ritual ab: Am Dienstag wird die neue Lieferung Impfdosen von GSK an 18 Großhändler verschickt, die diese dann in Absprache mit dem Gesundheitsministerium sowie den Ärzte- und Kassenverbänden auf die 3447 Apotheken des Landes verteilen. Nach welchen Kriterien sie dabei vorgehen, ist unklar.

Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums erläutert, dass die Impfdosen so verteilt werden, dass sie bayernweit erhältlich seien. Bislang hat nur ein Drittel der bayerischen Apotheken den Impfstoff bezogen, weitaus mehr aber wollen ihn verkaufen. In München bekamen von den etwa 400 Apotheken sogar nur 90 eine Lieferung. 500 Dosen erhält eine Apotheke mit jeder Tranche.

In Fläschchen mit Rationen für zehn Patienten geben sie den Impfstoff dann an die Ärzte weiter; was etliche Mediziner vor unlösbare Organisationsfragen stellt, da die geöffneten Ampullen nur 24 Stunden nutzbar sind, aber nicht stets zehn impfwillige Patienten zur Verfügung stehen.

Das größte Problem aber ist, dass der Dresdner Impfstoffproduzent GSK mit der Herstellung nicht nachkommt. Das zeigen auch die Zahlen. Als im Juli die Bundesländer ihre Bestellungen aufgaben, meldete Bayern 7,5 Millionen Impfdosen an. Schrittweise sollten jeweils 250.000 bis 300.000 Dosen geliefert werden. Doch bereits die erste Lieferung in der letzten Oktoberwoche umfasste nur 236.000 Portionen. Auch diese Woche werden es nur 212.000 sein.

Besonders bemerkbar macht sich der Engpass seit Anfang November. Seither ist jedoch die Impfbereitschaft der Bürger in Bayern sprunghaft angestiegen. "Am 2. November ist es losgegangen. Das war, als ob jemand einen Schalter umgelegt hat", heißt es beim Apothekerverband. Der Vorsitzende des bayerischen Hausärzteverbands, Wolfgang Hoppenthaller, führt dies "eindeutig" auf die ersten Todesfälle zurück.

Um Abhilfe zu schaffen, hat der Apothekerverband eine täglich aktualisierte Liste auf seine Website gestellt. Dort können die Pharmazeuten ablesen, welche Apotheken in ihrer Nähe beliefert wurden. Auf unbürokratischem Weg sollen sie sich dann untereinander aushelfen.

© SZ vom 11.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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