Schleching:"Fehlende Unterstützung"

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In Schleching löst sich ein ganzer Flüchtlings-Helferkreis auf

Von Korbinian Eisenberger, Schleching

Es hatte alles so rosig ausgesehen, im Juli 2014, als Schleching gut 30 Asylbewerber im örtlichen Landgasthof einquartierte. Fahrräder im Sommer, Langlaufskier im Winter - wie in vielen Gemeinden fanden sich auch in dem 1700-Einwohner-Dorf in Oberbayern Freiwillige, die den Flüchtlingen beim Eingewöhnen helfen wollten. Jetzt, ein Jahr später, ist von all dem nur noch wenig übrig. Nach monatelangen Streitigkeiten mit den Wirtsleuten, gegenseitigen Anschuldigungen und Protesten einer Gruppe Schlechinger Asylbewerber hat sich der Helferkreis aufgelöst. Wie es weitergehen soll, ist unklar.

In ihrer Begründung für den Rückzug kritisieren Bodo Sperling, Gründer des Helferkreises, und die Vorsitzende Anika Hempel neben der fehlenden Unterstützung des Landratsamts Traunstein vor allem die Wirtsleute. Sämtliche Versuche, mit ihnen zu kooperieren, seien gescheitert, heißt es in einem Schreiben. Der Wirt habe es den Flüchtlingen wegen seiner "unberechenbare Verhaltensweisen" besonders schwer gemacht. Ähnliche Vorwürfe hatte zuvor eine Gruppe eritreischer Bewohner in einem selbst verfassten Schreiben formuliert. Im Mai entschloss sich ein Großteil von ihnen zu einer zweiwöchigen Protestaktion vor der Münchner Bayernkaserne - der Punkt, an dem die Situation zu eskalieren drohte.

Der Wirt, der seinen Hotelbetrieb im Juli 2014 einstellte und die Zimmer dem Landratsamt gegen Zuschüsse zur Verfügung stellte, fühlt sich zu unrecht angegriffen. Die Vorwürfe, die eine Gruppe Eritreer im Frühjahr in einem Schriftstück formulierte, seien "allesamt haltlos". Weder betrete er heimlich deren Zimmer, noch würde er die Männer bedrohen oder ihnen minderwertige Mahlzeiten servieren. Stattdessen würden die Eritreer im Landgasthof stets Gemüse verweigern und sich nicht ordentlich benehmen. "Sie beleidigen meine weiblichen Mitarbeiter und wollen sich an nichts anpassen", behauptet der Wirt.

Eigentlich ist Schleching, zwischen Bergen und südlich des Chiemsees gelegen, ein Ort, wie es so viele gibt in Bayern. Wenn Afrikaner durchs Dorf radeln, ist das für manche Einheimische erst einmal ungewohnt. Klar, sagt Hempel vom Helferkreis, gab es im Haus mal einen Konflikt oder kleinere Streitereien. "Aber nie was Ernstes", sagt sie. Tatsächlich ist bei der Polizei auf Nachfrage kein Eintrag vermerkt, wonach einer der Männer straffällig wurde. "Die meisten Schlechinger haben den Flüchtlingen wohlwollend gegenübergestanden", sagt Hempel. Mit Beginn der Proteste habe die Stimmung jedoch zu kippen gedroht. Und dann schaltete sich auch noch Landrat Siegfried Walch (CSU) ein.

Über Facebook hatte Walch die Demonstration der Schlechinger Asylbewerber vor sechs Wochen als "völlig unberechtigt" bezeichnet und damit eine wilde Diskussion im Netz ausgelöst, in der unter seinem Posting Begriffe wie "Gschwerl" und "Pack" fielen. Dass sich jetzt die 22 Männer und Frauen des Helferkreises zurückziehen, sei "sehr schade", sagt Walch. Mit dem Rücktritt und dem Vorwurf, das Landratsamt habe die Helfer "zu keinem Zeitpunkt" unterstützt, sei er jedoch vor vollendete Tatsachen gestellt worden. "Eigentlich dachte ich, dass wir in einem guten Dialog stehen." Wie praktisch alle Kommunen mit Asylunterkünften sei auch Schleching auf Freiwillige angewiesen. "Wenn sich wieder jemand anbietet", kündigt Walch an, "wird das Landratsamt unterstützend tätig sein."

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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