Röttingen:Der Bürgermeister, der keine Bürger hat

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Der neue Bürgermeister von Schönstheim in Unterfranken und sein Stellvertreter stehen fest. Reinhold Kreußer übernimmt seit Samstag die Geschicke des kleinen Ortes im Landkreis Würzburg. Das Außergewöhnliche: Schönstheim hat gar keine Bürger. Die "Gemeinde" ist lediglich ein 301 Hektar großes Waldstück. Dennoch wird seit mehr als 500 Jahren dort jedes Jahr am 2. Mai der neue Bürgermeister bestimmt. Diese kuriose Sitte hat ihren Ursprung im Mittelalter und wird bis heute noch gepflegt. "Rechtlich gesehen hat das keine Bedeutung. Es ist keine politische Gemeinde mit eigenem Steuerrecht", sagte der Bürgermeister von Röttingen, Martin Umscheid (CSU/Freie Bürger). Zu dieser Gemeinde gehört der Wald ganz offiziell. Mitbestimmungs- oder ähnliche Rechte hat Schönstheim im Röttinger Rathaus aber nicht. Schönstheim war ein kleines Dorf mit 16 Höfen, sogenannten Huben. Um das Jahr 1500 herum haben die Bewohner ihr Dorf verlassen. Heute sind die Hube Waldkörperschaften und gehören rund 170 verschiedenen Grundstückseigentümern. Diese wiederum haben ihre Hubvorstände gewählt - 16 an der Zahl. Und an diese Männer, die zwischen 30 und 80 Jahre alt sind und in den umliegenden Dörfern wohnen, werden Jahr für Jahr die beiden Ämter vergeben. Turnusmäßig.

Anton Engelhardt war schon zweimal zweiter und einmal erster Bürgermeister. Am Samstag hat der 74-Jährige sein Amt an Kreußer übergeben. Der Jahrhunderte alten Tradition folgend erledigten die Hubvorstände erst den Papierkram, zogen Bilanz und blickten in die Zukunft. "Anschließend geben die beiden neuen und die beiden alten Bürgermeister je zwei Flaschen Wein aus." Der 2. Mai endete schließlich wie immer mit einer Wanderung durch den Wald.

© SZ vom 04.05.2015 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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