"Reißt euch den Kleinmut aus den Herzen":Irgendwo zwischen Frust und Aufbruch

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Die bayerische SPD spricht sich auf ihrem Parteitag Mut zu - und hadert mit Schössers Kritik.

Katja Auer

Ausgerechnet Fritz Schösser hat beim Landesparteitag der SPD in Würzburg die größte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der bayerische DGB-Chef nutzte sein Grußwort am Samstag für eine scharfe Abrechnung mit der Reformpolitik der SPD. ,,Erwartet keine lückenlose Lobeshymne auf die Bayern-SPD'', warnte er schon zu Beginn, um sich dann 30 Minuten lang über die neoliberalen Ideen auszulassen, denen die SPD hinterher hechle.

Bayern SPD-Toaster (Foto: Foto: dpa)

,,Die SPD braucht ihr eigenes Profil'', forderte Schösser und betonte die Eigenständigkeit des DGB. Er sei ,,keine Beteiligungsgesellschaft für Parteien, aber auch nicht der Reparaturverein für falsche politische Entscheidungen''.

Verärgert reagierten viele Parteifunktionäre auf Schössers Provokation. Sein Angriff blieb Tagesgespräch und stieß bei vielen Genossen auf Unverständnis. Der CSU trete Schösser nicht in dieser Schärfe gegenüber, hieß es, zudem dürfe nicht vergessen werden, dass er selbst als Bundestagsabgeordneter für viele Reformprojekte gestimmt habe. Manch Delegierter dagegen gab Sympathie für Schösser zu erkennen, der wisse zumindest, was die Leute bewege.

Fraktionschef Franz Maget hielt am Sonntag in seiner Rede dagegen, dass auch die Gewerkschaften nicht mehr so agieren könnten wie früher. Die Zeiten hätten sich geändert, die SPD müsse ihre Regierungmitverantwortung wahrnehmen. ,,Deswegen wird man nicht zum Arbeiterverräter'', sagte Maget.

SPD-Chef Kurt Beck, der zum Aufmuntern der bayerischen Genossen eigens seinen Urlaub unterbrochen hatte, durfte erst nach Schösser ans Mikrofon und stieß zunächst auf verhaltene Stimmung. Er verteidigte den Reformkurs der Parteispitze gegen Angriffe von links und warnte vor denjenigen, ,,die sich Linke nennen und in Wahrheit Populismus propagieren''.

Er lobte die bayerischen Wähler, die erkennen würden, ,,dass sich in der CSU hinter der Scheinheiligkeit ein Zustand verbirgt, von dem man sich mit Grausen abwendet''. Er sei ,,ganz sicher'', dass es gelänge, die CSU unter 50 Prozent zu drücken.

Nach 50 Jahren in der Opposition im Landtag bemühte sich die SPD in Würzburg redlich um Aufbruchstimmung. Landesvorsitzender Ludwig Stiegler - nachdem er seine Rede als ,,Werk der Barmherzigkeit'' aus Zeitgründen erst gar nicht hatte halten wollen - mahnte seine Parteigenossen, sich nicht in Auto-Aggression zu ergehen. Das ständige Lamentieren über die eigene schlechte Situation müsse endlich ein Ende haben, stattdessen: ,,Auf die Schwarzen mit Gebrüll.''

Es sei falsch gewesen, in der Vergangenheit immer auf ,,Erlöserfiguren'' zu setzen, nun müsse die Bayern-SPD ihr Selbstbewusstsein stärken und sich selbst ,,aus ihrem Elend erlösen''. Dieses rühre unter anderem daher, dass es die Partei nicht geschafft habe, sich im Mittelstand zu verankern. Dazu komme die Überalterung. Diese wurde im Landesvorstand behoben: Das neue Gremium ist um durchschnittlich 15 Jahre jünger.

Bei der Wahl zum Landesvorsitzenden wurde Stiegler, zugleich Vizefraktionschef im Bundestag, mit 87,9 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Damit verpassten ihm die 300 Delegierten einen deutlichen Dämpfer, es war wieder der interne Konflikt um die Reformpolitik der Parteispitze zu spüren. Vor zwei Jahren hatte der 63 Jahre alte Oberpfälzer noch 95,1 Prozent der Stimmen erhalten.

Zum neuen Hoffnungsträger wurde Fraktionsvize Thomas Beyer. Der 43-jährige Nürnberger, der auch Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt ist, wurde mit 98,6 Prozent zum Stellvertreter gewählt und erhielt damit deutlich mehr Zustimmung als die Münchner Landtagsabgeordnete Adelheid Rupp (85,3 Prozent) und Landesgruppenchef Florian Pronold (83,1 Prozent).

Mit dem Ergebnis kommt neuer Schwung in die Nachfolgefrage. Bislang schien Pronold als Stiegler-Erbe festzustehen. Stiegler selbst hatte den 34 Jahre alten Niederbayern als Nachfolger aufgebaut. Allerdings ist Pronold in der Partei wenig beliebt. Beyer dagegen hat sich seit seiner Wahl in den Landtag 2003 in der Fraktion schnell etabliert und wird als künftiger Spitzenkandidat gehandelt.

Die beiden freilich ließen beim Parteitag nicht den Eindruck einer Konkurrenzsituation entstehen. Auch gegenseitig schworen sie sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Vom neuen Vorstand nun soll das Signal zu dem von Pronold angekündigten ,,Raketen-Wahlkampf'' ausgehen. Was dafür noch passieren muss, rief Franz Maget den Delegierten zu: ,,Reißt euch den Kleinmut aus den Herzen.''

© SZ vom 16.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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