Regensburger Domspatzen:Kirche treibt Förderverein in die Auflösung

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Weltberühmter Knabenchor: die Regensburger Domspatzen (Foto: picture alliance / dpa)
  • Ein Förderverein hat bisher eine halbe Million Euro für die Regensburger Domspatzen gesammelt. Doch der Verein darf nicht mehr spenden und löst sich nun auf.
  • Das Bistum stört sich daran, dass die Vereinsvorsitzende auch bei Donum Vitae aktiv ist, einer Organisation, die unter anderem Schwangeren eine straffreie Abtreibung ermöglicht.

Von Wolfgang Wittl, Regensburg

Mangelnde Kreativität war ihnen bis zum bitteren Ende nicht vorzuwerfen. Die Regensburger Domspatzen finanziell zu unterstützen - so lautete ihr Daseinszweck. Um ihn wenigstens noch halbwegs erfüllen zu können, haben sich die Vorstandsmitglieder des Fördervereins einiges einfallen lassen: Zuletzt kauften sie sogar Hunderte Bücher und CDs des weltberühmten Chores und verteilten sie an so ziemlich alle Bibliotheken in der Region. Das Ziel: Von dem Erlös sollten die Domspatzen zumindest indirekt profitieren. Denn eine direkte Zuwendung des Vereins anzunehmen, das war ihnen auf Geheiß des Bistums seit Jahren schon untersagt. Doch auch mit den Stützungskäufen ist es nun vorbei: Am Dienstag hat der Kulturverein Regensburger Domspatzen offiziell seine Auflösung bekannt gegeben - aus Gründen, die ihresgleichen suchen.

Fast 18 Jahre lang hatte es sich der Verein zur Aufgabe gemacht, die Domspatzen zu fördern. Eine halbe Million Euro floss eigenen Angaben zufolge an den wohl ältesten Knabenchor der Welt. An den Finanzen wäre die künftige Zusammenarbeit auch jetzt nicht gescheitert, wie der stellvertretende Vereinsvorsitzende Hans Schaidinger erklärt. "Das muss man sich mal vorstellen", sagt der frühere Regensburger Oberbürgermeister. "Der eine hat Geld und der andere sagt: Ich mag es nicht." So sei es unmöglich geworden, dem eigenen Auftrag nachzukommen. Man habe "keine Basis mehr für eine Weiterarbeit gesehen", musste auch Maria Eichhorn erkennen. Dass die Situation derart eskalieren konnte, liegt vor allem an ihrer Person.

Der Streit hat einen anderen Hintergrund

Eichhorn, 66, ehemalige Bundestagsabgeordnete der CSU, ist nicht nur Chefin des Domspatzen-Fördervereins, sondern auch die Landesvorsitzende von Donum Vitae - ein Verein, dessen Positionen die katholische Amtskirche ablehnt. Vor allem konservativen Kräften ist Donum Vitae bis heute ein Dorn im Auge: Der von Mitgliedern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) gegründete Verein stellt Schwangeren einen Beratungsschein aus, der es ihnen ermöglicht, straffrei abtreiben zu lassen. Die Debatte darüber hat tiefe Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern gezogen, in Regensburg sind sie vielleicht noch einmal tiefer als anderswo.

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Die Regensburger haben seit Jahren ein schwieriges Verhältnis zu Bischöfen und der katholischen Amtskirche. Das hat viel mit einem zu tun, der heute an wichtiger Stelle im Vatikan sitzt - und für viele Kontroversen gesorgt hat. Eine Bestandsaufnahme zum Katholikentag.

Von Wolfgang Wittl

Nachdem Eichhorn 2008 zur Vorsitzenden von Donum Vitae gewählt worden war, ließ der damalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sie wissen, dass dieses Amt keinesfalls mit ihrem Posten im Förderverein vereinbar sei. Als Eichhorn bei ihrem 60. Geburtstag statt Geschenken um Spenden für Donum Vitae bat, "da ging es los", sagt sie. Die Domspatzen, welche die Feier ursprünglich musikalisch gestalten sollten, wurden kurzerhand wieder abgezogen. Kurz darauf sei der Dompropst und frühere Generalvikar Wilhelm Gegenfurtner auf den Förderverein zugekommen und habe den Verantwortlichen nahegelegt, Eichhorn möge den Vorsitz aufgeben. Der Vorschlag habe gelautet: Eichhorn und Schaidinger sollten ihre Ämter einfach tauschen. Aus Kirchenkreisen heißt es ferner: Auch Alois Glück lasse seine Ämter bei Donum Vitae ruhen, seit er zum ZdK-Präsidenten gewählt wurde. Er ist derzeit einfaches Mitglied.

Für die Spitze des Fördervereins war die Einmischung völlig fehl am Platz. "Wir sind kein kirchlicher Verein, sondern haben die Aufgabe, einen weltberühmten Chor zu unterstützen", sagt Schaidinger. Und dass es doch auch möglich sein müsse, gewisse Funktionen voneinander zu trennen. Für das Bistum Regensburg war es das offenbar nicht. Die Domspatzen wurden angewiesen, kein Geld mehr vom Förderverein in Empfang zu nehmen. Eichhorn ihrerseits war nicht bereit, der kirchlichen Forderung nach Rücktritt zu folgen. Die breite Rückendeckung der Vereinsmitglieder war ihr sicher.

Alle stehen hinter Eichhorn

Deren Hoffnungen ruhten auf einem neuen, womöglich konzilianteren Bischof. Tatsächlich wurde Müller im Sommer 2012 zum Präfekten der Glaubenskongregation nach Rom berufen. "Wir gingen davon aus, unsere Ziele dann wieder verwirklichen zu können", sagt Eichhorn. Ein Irrtum. Trotz mehrerer Versuche, über verschiedene Kanäle mit dem neuen Bischof Rudolf Voderholzer in Kontakt zu treten, sei ein Gespräch abgelehnt worden. Eine weitere Zusammenarbeit unter diesen Voraussetzungen sei unerwünscht, habe man erfahren. So beschlossen die Mitglieder nun einstimmig, den Kulturverein Regensburger Domspatzen aufzulösen.

Im Mittelpunkt des Streits: Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Maria Eichhorn ist Landesvorsitzende von Donum Vitae. (Foto: dpa)

Die Entwicklung sei "bedauerlich", sagt ein Sprecher des Bistums in Vertretung des derzeit in Indien weilenden Bischofs Voderholzer. Roland Büchner, der Domkapellmeister der Domspatzen, erklärt, man sei dem Förderverein dankbar für die jahrelange Hilfe. Da es seit 2009 aber "nicht mehr möglich" gewesen sei, "Unterstützung zu erhalten", sei die Auflösung "nur folgerichtig". Domspatzen-Manager Christof Hartmann, bis zuletzt Mitglied des Vereins, hätte sich ein anderes Ende gewünscht: "Letztlich war es eine unauflösbare Geschichte." Hartmann hätte es bevorzugt, wenn Eichhorn ins zweite Glied zurückgetreten wäre. So habe er den Eindruck: "Die Domspatzen wurden als Spielball benutzt."

Keine andere Lösung in Sicht

Auch Maria Eichhorn ist "traurig, dass es so kommen musste". Doch sie habe keine andere Lösung mehr gesehen. Dem Druck der Kirche nachzugeben, sei jedenfalls keine Option gewesen: "Ich bin der Meinung, man muss Flagge zeigen." Auch Schaidinger findet, man müsse sich schon noch für verschiedene Dinge engagieren dürfen. Beide Politiker waren die eifrigsten Spendensammler des Vereins, sie nahmen sich extra frei, um frisches Geld aufzutreiben. Verwendet wurde es für den Kauf und die Pflege von Musikinstrumenten, für Stipendien und Konzerte. Auch die Fahrt für den Auftritt vor dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler sei so finanziert worden. Gegründet wurde der Förderverein 1997 von dem früheren Bundestagspräsidenten Kai-Uwe von Hassel, damals noch als "Kulturstiftung".

Die letzten Jahre indes waren zäh. Die Hälfte der Vorstandssitzungen habe man allein damit verbracht, nach Wegen für die Unterstützung zu suchen. "Aber so viele Bücher und CDs können Sie gar nicht kaufen", sagt Schaidinger. Das restliche Vermögen von 25 000 Euro soll nun zur Hälfte an gemeinnützige Einrichtungen verteilt werden: an das Kulturforum Schloss Alteglofsheim - und an Donum Vitae.

© SZ vom 14.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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