Prozess gegen Sextäter:"Die härtesten 22 Stunden meines Lebens"

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Mit einer echt aussehenden Softair-Pistole entführte er zwei Frauen, vergewaltigte sie und bedrohte sie mit dem Tod. Nun steht ein 49-jähriger Sextäter vor Gericht. Dort schilderte nun eines der beiden Opfer sein Martyrium.

Die Aussage ist ein Kraftakt. Anmerken lässt sich das die 23-jährige Krankenschwester aber kaum. Als sie am Mittwoch vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth zu den Folgen ihrer Vergewaltigung und Geiselnahme durch den 49-jährigen Angeklagten befragt wird, wirkt sie selbstsicher und antwortet mit fester Stimme. "Ich bin heilfroh, dass ich noch lebe", sagt die hübsche Frau mit den schwarzen geflochtenen Haaren und ergänzt: "Es waren die härtesten 22 Stunden meines Lebens."

Brutale Geiselnahme: In Nürnberg wurde der Prozess gegen einen vorbestraften Sexualverbrecher (Archivfoto) fortgesetzt. (Foto: dpa)

Rund 20 Minuten lang schildert die junge Frau in dem voll besetzten Gerichtssaal ihren Weg zurück zur Normalität. Sie berichtet von schweren Migräneattacken, die sie seit der Tat quälen und von Albträumen. "Ich bin immer froh, wenn die Nacht vorbei ist", sagt sie. Einen erholsamen Schlaf habe sie seit dem Vorfall nicht mehr gehabt. Ihre völlige Erschöpfung verhindere bis heute, dass sie arbeiten könne. "Ich bin immer noch am Kämpfen."

Ihr Peiniger, ein 49-jähriger einschlägig vorbestrafter Sexualverbrecher, sitzt währenddessen wenige Meter von ihr entfernt. Während sein Opfer aussagt, starrt er immer wieder ins Leere, wirkt beinahe betroffen.

Er hatte zum Prozessauftakt zugegeben, am 12. Oktober 2010 zuerst eine 21-jährige Frau in Nürnberg und am 18. Oktober die 23-Jährige in Neumarkt mit einer täuschend echt aussehenden Softair-Pistole in seine Gewalt gebracht, mehrmals vergewaltigt und geschlagen und anderweitig gequält zu haben.

Die 23-Jährige verschleppte er im Auto bis nach Glücksburg an die Ostsee. Dort gelang ihr die Flucht, als sie einen Asthmaanfall vortäuschte und Passanten den Rettungsdienst alarmierten. Der 49-Jährige fuhr weiter nach Gotha, wo er am Abend festgenommen wurde.

"Das mit dem Anfall war so eine Eingebung", erklärt die junge Frau vor Gericht. "Ich wollte überleben, und ich konnte nicht mehr." Sie habe Todesangst gehabt, da der 49-Jährige die Waffe die ganze Zeit bei sich getragen habe. Auch das andere Vergewaltigungsopfer ist seit der Tat schwer traumatisiert. Die 21-Jährige hatte ihre Aussage in der vergangenen Woche unter Ausschluss des Angeklagten und der Öffentlichkeit hinter sich gebracht. Sie nimmt auch - anders als die Krankenschwester - nicht persönlich an dem Verfahren teil.

Der Angeklagte war zuletzt 2001 wegen eines Sexualdeliktes verurteilt und im November 2009 nach drei positiven Gutachten auf Bewährung aus der Psychiatrie in Erlangen entlassen worden. Sein Therapeut sagte am Mittwoch vor Gericht, der 49-Jährige habe im Sommer 2010 den Kontakt zu ihm und zu seinem Bewährungshelfer abgebrochen. Da er aufgrund seiner Vorgeschichte als sehr gefährlich galt, habe die Staatsanwaltschaft einen Tag vor der ersten Tat, am 11. Oktober, seine erneute Einweisung in die Klinik beantragt.

Auf die Frage des Gerichts, ob der 49-Jährige seine Gutachter über seine wahre Verfassung vor seiner Entlassung getäuscht haben könnte, antwortete der Therapeut: "Ausschließen kann ich es nicht, aber ich kann es mir nicht vorstellen." Er sei ja erst nach mehrjähriger Beobachtung unter Auflagen entlassen worden. "Er hat gesagt, seine Fantasien seien so gut wie weg." Der Prozess wird mit Zeugenaussagen fortgesetzt. Ein Urteil wird für den 17. Februar erwartet.

© Süddeutsche.de/dapd/Brigitte Caspary - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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