Prozess gegen Dieter Holzer:Fünf Jahre Flucht

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Er galt als "meistgesuchter Mann Deutschlands" - im Prozess gegen den Geschäftsmann Dieter Holzer schildert Ex-Staatssekretär Holger Pfahls seine Odyssee.

Hans Holzhaider

Der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Holger-Ludwig Pfahls auf der Flucht vor der deutschen Justiz in den Jahren 1999 bis 2004 - das ist eine Geschichte, um die sich manche Legende rankt. Jetzt ist sie zum ersten Mal, wenigstens teilweise, aus erster Hand erzählt worden.

Holger Pfahls vor seiner Vernehmung im Augsburger Landgericht (Foto: Foto: dpa)

Im Schwurgerichtssaal des Augsburger Landgerichts gab Pfahls am Donnerstag als erster und wichtigster Zeuge im Prozess gegen den Geschäftsmann Dieter Holzer freimütig Auskunft über die Jahre, in denen er als "meistgesuchter Mann Deutschlands" galt - einen Titel, den er selbst für weit übertrieben hält. Pfahls wurde im August 2005 zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, weil er von dem Lobbyisten Karlheinz Schreiber 3,8 Millionen Mark Schmiergeld angenommen hatte.

Dieter Holzer muss sich jetzt dafür verantworten, dass er seinem Freund Pfahls zumindest in der letzten Phase seiner Flucht dabei behilflich war, sich in Frankreich dem Zugriff der deutschen Justiz zu entziehen. Die Herren kennen sich seit vielen Jahren aus dem Umfeld von Franz Josef Strauß.

Pfahls war Büroleiter des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten, und Holzer ging dort öfters ein und aus, um seine internationalen Geschäfte zu fördern. Als Pfahls später Repräsentant von Daimler-Chrysler in Singapur war, ergaben sich öfters gemeinsame geschäftliche Interessen - etwa wenn Holzer auf den Philippinen in großem Stil Kokosöl kaufte und der Verkäufer als Gegenleistung gern einen europäischen Hubschrauber haben wollte.

Als Pfahls Anfang Juli 1999 erfuhr, dass in Deutschland ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war, war er auf dem Sprung nach Taiwan. Kurzentschlossen flog er einen Tag früher als geplant. Im Hotel in Taiwan wurde er krank, und er schildert seine Situation als rundweg verzweifelt: "Ich war allein, meine Ehe war gescheitert, mein Schuldenplan zum Einsturz gebracht, der öffentliche Ruf dahin."

Die Firma, sagt Pfahls, habe ihn schmählich im Stich gelassen. Holzer, der ihn in Taiwan aufsuchte, habe ihm nachdrücklich von einer Flucht abgeraten - "in deinem Alter, mit deiner Gesundheit" - vielleicht habe ihn gerade das angestachelt, sagt Pfahls.

Mit Hilfe des taiwanischen Geheimdienstes - man kannte sich noch aus Strauß-Zeiten - habe er dann über Hongkong nach London reisen können. Es folgten Amsterdam, Rotterdam, Brüssel, Paris - allmählich, sagt Pfahls, habe er sich vieles angeeignet, was ein Mann auf der Flucht können muss. Er hatte 870000 Mark im doppelten Boden seiner Reisetasche - ein Teil des Schreiberschen Schmiergeldes. An Geld also habe es ihm nicht gemangelt. Das hätte auch noch ein bisschen länger gereicht.

Im Sommer 2002 wurde Pfahls während eines Aufenthalts am Mittelmeer - von Urlaub kann man schlecht sprechen - von einer Salmonelleninfektion überfallen. "Mir ging's sehr schlecht", sagt er. Ins Krankenhaus wollte er nicht - er war immer noch mit einem Pass auf den Namen Pfahls unterwegs - und so rief er in seiner Not den alten Freund Holzer an. Der versprach, sich zu kümmern - um ärztliche Versorgung, einen tüchtigen Anwalt, eine Kontaktperson.

Fischerhütte ohne Strom

Am Weihnachtstag 2002 traf man sich in einem Hotel in Roissy nahe Paris. Holzer hatte einen kleinen, dicken Mann mitgebracht, der sich als Raymond Le Grand vorstellte. Der übernahm Pfahls' Betreuung, vermittelte ihm sündteure Wohnungen und, als Pfahls sich über die Höhe der Miete beklagte, eine Fischerhütte in der Bretagne ohne Strom. "Da wollte er es dem blöden Deutschen mal zeigen", mutmaßt Pfahls.

Im September 2003 habe ihn Holzer dort besucht, es kam beinahe zu einem Zerwürfnis, weil Holzer ihn immer wieder mahnte, sich doch endlich der Polizei zu stellen. Pfahls aber hatte damit auch ein privates Problem: Er hatte eine Freundin aus Moldawien, die von seiner wirklichen Identität nichts wusste und die er unter keinen Umständen verlieren wollte.

So kam es, dass er - nunmehr selbst auf Anwaltssuche - Anfang Juli 2004 ein Fax an seinen alten Vertrauten aus dem Verteidigungsministerium, Wolfgang Burr, verfasste. Der französische Betreuer fuhr damit aber nicht, wie vereinbart, zum Flughafen Charles de Gaulle, sondern nur in die Kneipe um die Ecke, und so kam das Bundeskriminalamt auf die Spur des Flüchtigen. Es blieb ihm nicht lange verborgen, plötzlich tauchten ungewohnte Gesichter in der ruhigen Pariser Straße auf, wo Pfahls mittlerweile wieder wohnte. Am 13.Juli klickten die Handschellen, die Flucht war zu Ende.

Heute ist Holger-Ludwig Pfahls einigermaßen mit sich im Reinen, derzeit arbeitet er als Hilfskraft im Büro seines Rechtsanwalts Volker Hoffmann und versucht sich auch schon wieder in der Anbahnung internationaler Geschäfte, zum Beispiel dem Bau einer großen Müllentsorgungsanlage in Russland. Die moldawische Freundin ist mittlerweile seine Ehefrau.

© SZ vom 04.07.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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