Prämierter Whisky aus Bayern:Aufgemotzter Bauernkorn

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Alle Welt ist verrückt nach dem Stonewood 1818 aus der Oberpfalz, seit der Whisky plötzlich internationale Preise einheimst. Dabei hat sich das Rezept seit hundert Jahren nicht geändert. Gregor Schraml ist der "Touch des Exklusiven" egal - er will seinen bayerischen Whisky nicht teurer anbieten.

Wolfgang Wittl

Goldgelbe Getreidefelder, so weit das Auge reicht. Weiches Wasser, wie es reiner nicht sein könnte. Und Zeit, viel Zeit, die hatten sie hier schon immer. Mehr Zutaten braucht es nicht für einen guten Whisky, findet Gregor Schraml. Vielleicht noch ein besonderes Image, aber das hat der Stonewood 1818, nach dem alle Welt plötzlich ganz verrückt ist, nun ja auch.

Guter Whisky kann richtig teuer sein. Sei der Stonewood 1818 international ausgezeichnet wurde, zählt er zu den begehrten Sorten - kostet aber noch vergleichsweise wenig. (Foto: dapd)

Erbendorf in der Oberpfalz, eine Stadt mit gut 5000 Einwohnern. Das Klima ist rau hier am Rande des Steinwalds, einem wilden Naturpark südlich des Fichtelgebirges. Wenn Gregor Schraml seine Heimat beschreibt, spricht er gerne von den bayerischen Highlands: wenig Obstbestand, viel Fels, kaum Milchviehhaltung, jede Menge Getreide.

Die Gegend ist berühmt gewesen für ihre Porzellan- und Glasindustrie, heute ist davon nicht mehr viel zu sehen. Tirschenreuth gilt als der ärmste der sieben Landkreise in der Oberpfalz, die Arbeitslosenquote liegt mit 4,3 Prozent ein Viertel über dem Durchschnitt des Bezirks. Größere Firmen siedeln sich in Amberg an, in Weiden oder in Regensburg, nicht hier, in Erbendorf. Hier müssen Unternehmer besonders pfiffig sein - oder sie betreiben ein traditionelles Handwerk. Oder sie vereinen beides, wie die Schramls.

Geadelt durch die Whisky-Bibel

Fachleute halten die Whiskybrennerei Schraml für die älteste in Deutschland. Gregor Schraml ist kein Freund solcher absoluten Aussagen. Gesichert ist: Der 37-Jährige führt den Betrieb in der sechsten Generation, seit er von Johann Baptist Schraml gegründet wurde. Der Urahn, ein Bäcker, war einer der wenigen bayerischen Soldaten, die aus Napoleons Russlandfeldzug zurückkehrten. 1818 bekam er vom Königreich Bayern das Brennrecht für "mehlige und nicht mehlige Brände" verliehen. Einer der ersten Kunden des Kavalleristen Schraml war das Reiterregiment in Amberg, das er mit Kornbrand belieferte. Mit einem Vorläufer des Whiskys, der nun sogar international Furore macht.

Denn seit die Schramls ihren Whisky bei den World Spirit Awards 2008 bewerten ließen, ist nichts mehr, wie es einmal war - mit Ausnahme von dem Produkt selbst. Der zehn Jahre alte Whisky aus der Oberpfalz erhielt die Goldmedaille, 2010 wurde er dann mit 91 Punkten in Jim Murray's Whisky-Bible aufgenommen. Kategorie: brillant.

Zu billig ist unprofessionell

Seitdem können sich die Schramls vor Anfragen nicht retten. Obwohl sie auf Werbung verzichten, liegen ihnen 5500 Bestellungen zumeist deutscher Kunden vor, weit mehr, als sie liefern können. Ihr jährlicher Ausstoß beträgt zwischen 150 und 300 Flaschen. Dafür zahlen Liebhaber nahezu jeden Preis. 120 Euro kostet eine 0,7-Liter-Flasche, fast 50 Euro mehr als vor vier Jahren. Gregor Schraml zuckt mit den Schultern, wenn er über Angebot und Nachfrage spricht. Wenn er erzählt, wie ihm Einzelhändler unprofessionelles Verhalten vorhielten, weil er seinen Whisky viel zu billig anbiete, wo der jetzt doch "den Touch des Exklusiven" habe.

Touch des Exklusiven? Alois Schraml hätte schallend gelacht, wäre ihm vor Jahren jemand mit so einem Satz gekommen. Der 77-Jährige hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Schon in den Fünfzigern versuchte er, den damals wie heute identisch gleichen Kornbrand als Steinwald-Whisky auf den Markt zu bringen. Die Idee floppte im Nachkriegsdeutschland, in dem ein Whisky aus Amerika zu stammen hatte und sonst nirgends; gerade hier, in der Nähe Grafenwöhrs, dem größten US-Truppenübungsplatz in Europa. Der Steinwald-Whisky wurde also wieder zum "Bauernkorn" degradiert, zuletzt für 25 Euro die Flasche. Ein Draufzahlgeschäft.

Die Geschichte kam in der Familie erst auf, als Alois Schraml den Betrieb übergab und der Sohn zu einer Neuauflage ansetzte. Whisky aus der Oberpfalz? Niemals würde das funktionieren, warnte der Vater. Er täuschte sich. Der Sohn, ein studierter Lebensmitteltechnologe mit Erfahrung als Produktentwickler, verpasste dem Whisky eine edlere Verpackung, einen neuen Namen und schickte ihn zur internationalen Begutachtung.

Die Lagerung ist für Kenner das Wichtigste beim Whisky: Für sie kommen 95 Prozent des Geschmacks aus den Holzfässern. Beim Stonewood 1818 sind das Aromen von Vanille, Zitronengras und Honig. (Foto: Nicky Loh/rtr)

Derart aufgemotzt, setzte der alte Bauernkorn nun als Stonewood 1818 Bavarian Single Grain Whisky zum Siegeszug an - wohl auch deshalb, weil analog zum Wein eine Whisky-Kennerschaft entstanden war. Die Zeit war schlicht reif, glaubt Schraml: "Das Umfeld ist ganz anders heute, es gibt einen regelrechten Hype. Ein gutes Produkt wird da immer Erfolg haben." Die Kollegen Liebl aus Bad Kötzting und Lantenhammer vom Schliersee werden dem beipflichten: Auch deren bayerischer Whisky verkauft sich gut, obschon deutlich jünger als der Schramlsche.

Ob Steinwald-Whisky, Bauernkorn oder Stonewood 1818: An der Herstellungsweise des Brandes hat sich seit mehr als hundert Jahren nicht das geringste verändert. Christoph Karl Schraml, Gregors Urgroßvater, hat die Rezeptur Ende des 19. Jahrhunderts schriftlich festgehalten, womöglich reicht sie sogar noch weiter zurück. Bis heute hält sich Gregor Schraml penibel genau an die Vorgaben. Lediglich die Arbeitsumgebung hat sich ein wenig gewandelt.

Mitte der Siebziger haben die Schramls ihren Firmensitz in ein altes Benediktinerkloster verlegt. Mitten im Ort stellen sie ihren Whisky her. In zwei riesigen Holzfässern schäumt die Maische aus Weizen und Braugerste, ehe sie in der Destillerie gebrannt wird. Ein süßer, schwerer Duft wabert durch die Luft. Gregor Schraml heizt mit Holzscheiten, das war ihm wichtig, als die Anlage 2008 erneuert wurde.

Das Herzstück des Unternehmens ist nicht größer als eine Doppelgarage und sieht aus wie eine Waschküche. Drei Metalltanks stehen im Eck, daneben ein Waschbecken, ein Abfluss, unter der Dachschräge verlaufen Leitungen. Die Anlage zur Reinigung der Brände ist in einem ehemaligen Wasch- und Backhaus untergebracht, auch hier sind die Wände gefliest, alles hat seinen Platz.

Wie wohlhabend Klöster waren, merkten die Schramls an der Bausubstanz. Die Mauern der Propstei bestehen halb aus Granit, halb aus Ziegel. Im Sommer halten sie kühl, im Winter warm. Der Stonewood 1818 lagert in einem Kellergewölbe bei konstant 13 Grad, gerade mal elf Fässer aus französischer Limousin-Eiche finden hier Platz. Eines der Geheimnisse besteht darin, dass die Fässer nur schwach getoastet sind, also kaum geröstet. So entsteht der milde Geschmack mit Aromen von Vanille, Zitronengras und Honig.

Anfangs waren die Schramls skeptisch, ob die Nachfrage an ihrem Whisky anhält. Die Zweifel sind verschwunden, das Sortiment wird kräftig erweitert. Der Stonewood Woaz, ein fünf Jahre alter Single Wheat Malt, befindet sich bereits im Angebot; ein drei Jahre alter Whisky soll in Kürze folgen. Dieses Jahr werden die Schramls ihre Whisky-Produktion auf 20.000 Flaschen aufstocken - ein Vielfaches des bisherigen Kontingents und doch nur ein Klacks im internationalen Vergleich: Die kleinsten Whiskybrenner in Schottland stoßen jährlich 130.000 Flaschen aus, die größten bis zu 50 Millionen Liter.

Die Schramls nutzen ihren Whisky bislang vor allem als Werbeträger. Der Anteil des Stonewood 1818 am jährlichen Gesamtausstoß von 80.000 Flaschen liegt lediglich im Promillebereich, "aber er hat unsere gesamte Produktpalette hochgezogen". Das Kerngeschäft läuft über ebenfalls international prämierte Liköre, Obstgeiste und Bierbrände. Außerdem lassen einige bayerische Brauereien ihr Bier, überwiegend Bock, in Erbendorf zu Schnaps verarbeiten, den sie dann unter eigenem Namen vertreiben. Auch deshalb ist die Brennerei Schraml gut ausgelastet: Die Umsatzsteigerungen in den vergangenen Jahren fielen stets zweistellig aus, mittlerweile beschäftigt der Betrieb sechs Mitarbeiter.

Ein interessanter Tropfen: Bavarian Dry Krammelbeer Gin

Weil die Schramls wissen, was sie ihrer Kundschaft schuldig sind, werden sie aber auch in Zukunft nicht an ihrer Philosophie rütteln: Frucht, Holz, Erfahrung und Zeit, von allem gut und reichlich, "sonst kommt nur Müll heraus", sagt Gregor Schraml. Hin und wieder müsse ein gutes Produkt einfach nur ein bisschen anders präsentiert werden, ohne die Tradition zu verraten.

Den Ehrgeiz, seinen Whisky bei weiteren internationalen Verköstigungen auf die Probe zu stellen, verspürt der 37-Jährige nicht. "Es ist zwar schön, wenn er dem Experten-Urteil standhält, aber wir produzieren für normale Menschen", sagt er. Allerdings habe er da noch einen anderen interessanten Tropfen im Sortiment, den Bavarian Dry Krammelbeer Gin. Vielleicht werde er den demnächst zur Wine and Spirits Competition nach London schicken.

© SZ vom 18.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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