Politischer Aschermittwoch in Geretsried:Stoiber ist wieder auf Sendung

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Beim Politischen Aschermittwoch in Geretsried brach Edmund Stoiber sein Schweigegelübde - und kündigte an, sich weiterhin einmischen zu wollen: "Sie haben gemerkt, das Feuer brennt."

Sebastian Beck

Nach einer halben Stunde ist es wieder so weit. Schweißperlen haben sich auf Edmund Stoibers Stirn ausgebreitet, er nimmt die Brille ab und packt beide Mikrofone mit den Händen.

Edmund Stoiber ist wieder in seinem Element: Rede zum politischen Aschermittwoch vor dem CSU-Ortsverband Geretsried (Foto: Foto: dpa)

Er ist gerade bei der schwierigen Lage der deutschen Aluminium-Industrie angelangt, bei den Energiepreisen, aber auch bei der Binnenkonjunktur und der Bildungspolitik. Es ist die Passage, in der er zu schreien beginnt - ein sicheres Zeichen dafür, dass ihn die Leidenschaft mitreißt und das Ende der Rede in ungewisse Ferne rückt.

Gebrochenes Schweigegelübde

Was muss der Mann auch gelitten haben in den vergangenen drei Monaten. Eine Art Schweigegelübde hatte sich Stoiber nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident auferlegt. Er, der so gerne und vor allem so viel redet.

Eigentlich wollte er das bis nach den Kommunalwahlen am 2.März durchhalten. Einige öffentliche Äußerungen vergangene Woche ließen erahnen, dass der Druck auf die Stoibersche Staumauer zugenommen hatte.

Das alte, neue Idol

Am Mittwoch musste Stoiber in Passau auch noch mitverfolgen, wie seine Nachfolger Erwin Huber und Günther Beckstein ihre Zuhörer in den Mittagsschlaf redeten, unterbrochen von ein paar "Edmund"-Rufen, die allenfalls auf Stoiber selbst ermunternd wirkten.

Am Abend schwappt in Geretsried dann die erlösende Flutwelle über die 500 Zuhörer. Hier ist Stoiber seit 40 Jahren Mitglied im Ortsverband, und die JU hat im Saal Pappschilder verteilt mit der Aufschrift: "Wir haben ein Idol: Edmund Stoiber!"

"Italienische Verhältnisse" in Deutschland

Er wolle gleich zum Punkt kommen, der ihn umtreibe, sagt der CSU-Ehrenvorsitzende: "Die Union ist nach den letzten Landtagswahlen in keiner leichten Situation - politisch, inhaltlich und strategisch."

Es ist der Aufstieg der Linkspartei, der Stoiber Sorgen macht. Er sieht Deutschland auf dem Weg zu italienischen Verhältnissen - ein großartiges Land, das wegen seiner politischen Instabilität zu einem "ganz kranken Mann" geworden sei.

Mit so einem Fünf-Parteien-System, wie es sich in Deutschland nun etabliert hat, lässt sich nach Ansicht Stoibers jedenfalls keine vernünftige Politik machen.

Gerade die Union müsse deshalb die Sorgen der Bürger ernst nehmen, um ihre Wähler zu halten: "Ein Großteil der Menschen hat immer weniger Geld in der Tasche", sagt Stoiber. An ihnen gehe der Aufschwung vorbei.

Lesen Sie auf Seite 2, was Stoiber mit Gregor Gysi teilt.

Und ehrlicherweise könne man es niemandem erläutern, warum Nokia trotz Gewinnsteigerung in Bochum Mitarbeiter entlasse. Das Kreditgeschäft sei immer mehr in der Hand von internationalen Hedgefonds, die anders als Banken keinerlei Aufsicht hätten.

"Wir haben eine Revitalisierung des Kapitalismus", ruft Stoiber in den Saal. "Diese Dinge müssen wir auch mit den Bürgern diskutieren."

Nur ein paar Stunden zuvor war ein anderer Politiker in Tiefenbach bei Passau zu einer ähnlichen Einschätzung gekommen - ausgerechnet Gregor Gysi, der Fraktionschef der verhassten Linken.

"Das letzte Thema"

In Geretsried kommen Stoibers Gysi-Thesen dennoch gut an, es gibt Zwischenapplaus. Nach gut einer Stunde schaut der eine oder andere im Saal allerdings schon recht angestrengt aus, während es Stoiber im Trachtenanzug nur so reißt.

Immer wieder zieht es ihn zur Energiepolitik zurück, was beim dritten Mal etwas langatmig wird, obwohl Stoiber auf maximale Lautstärke aufgedreht hat. Als er auch noch zur Integration kommt - "vielleicht das letzte oder vorletzte Thema" -, grinsen die Zuhörer.

Nie aus der Diskussion heraushalten

Auch ein Bekenntnis zu Heimat und Vaterland darf nicht fehlen, bevor Stoiber nach eineinhalb Stunden den Bremsschirm zieht. Für einige in der Parteispitze mag es wie die Bestätigung böser Vorahnungen klingen: "Ich werde mich natürlich nie aus der großen, allgemeinen Diskussion heraushalten", kündigt Stoiber an.

Er grinst glücklich ins Publikum, das ihm im Stehen zujubelt. Fast wie beim Politischen Aschermittwoch in Passau. Nur schöner. "Das haben Sie gemerkt, das Feuer brennt", sagt er. "Das ist keine Frage des Alters, sondern der Leidenschaft. Wenn du nicht begeistert bist von etwas, dann kannst du keine Begeisterung bei den Menschen entfachen."

Rückkehr von Stoiber als Landtags-Kandidat?Stoiber ist noch sichtlich begeistert von sich und der CSU-Welt, als sein alter Parteispezl Gerhard Meinl ans Mikro tritt und irgendwas von "der Geretsrieder Rede" daherredet. Am Morgen nach dem Dammbruch sagt Meinl, der Vorsitzende des Geretsrieder CSU-Ortsverbands, Stoiber solle unbedingt nochmal für den Landtag kandidieren.

Das sei zwar aus Sicht des Kandidaten eine Zumutung, aber der Mann sei halt einfach so gut verdrahtet. Stoiber selbst kündigt an, dass er sich nach der Kommunalwahl entscheiden werde. Aber auch ohne Amt habe er noch einiges zu sagen.

© SZ vom 08.02.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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