Der normale Bürger hat oft einen völlig falschen Eindruck von seinen Volksvertretern. Er sieht sie bei Sitzungen im Landtag, wenn sie verbal aufeinander einhauen. Oder im Fernsehen, wie sie sich am Nockherberg mühsam ein Lächeln abringen (oder verkneifen) - strikt getrennt nach Parteizugehörigkeit. Tatsächlich verstehen sich die meisten Abgeordneten über die Fraktionsgrenzen hinweg recht gut, oft sogar besser als mit eigenen Parteifreunden.
Eine schöne Gelegenheit, sich der gegenseitigen Freundschaft zu versichern, ist der Reigen an Sommerfesten, der derzeit wieder einsetzt. Sehr beliebt ist das Fest der SPD, der ja eher ein spaßfreies Image nachgesagt wird: Einerseits feiert sie als einzige Partei auf dem pittoresken Landtagsgelände, andererseits geht es dort besonders gemütlich zu. Diese Woche jedoch fand das Sommerfest der SPD ohne Beteiligung der Medien statt, was im Landtag prompt wüste Spekulationen ausgelöst hat, da nicht mal die eigenen Abgeordneten wussten, dass sie unter sich bleiben würden.
Erklärungsversuch eins: Da auswärtige Gäste bei derlei Anlässen besonders eifrig hinlangen (vulgo: Freibierlätschn), hat man aus Kostengründen auf sie verzichtet. Nummer zwei: Die SPD ist so sehr mit der Ablösung der Regierung beschäftigt, dass sie halt mal was vergisst. Nummer drei: Weil die Presse vergangenes Jahr dem gleichzeitig angesetzten Fest des Ministerpräsidenten den Vorzug gab, waren die Genossen beleidigt. Favorisierte These: Die Stimmung in der SPD ist inzwischen derart am Boden, dass sie lieber keine Beobachter mehr dabeihaben will, falls Parteifreunde zu fortgeschrittener Stunde alle Regeln des höflichen Miteinanders vergessen.
Die offizielle Nachfrage brachte zunächst keine Klarheit: Das Sommerfest sei schon immer eine interne Veranstaltung gewesen, hieß es. Was mit der Frage kollidiert, warum dann jahrzehntelang Einladungen versandt wurden? Sogar im Februar ging noch eine E-Mail raus, dass man sich bereits auf die Feier im Juni freue. Wahrscheinlicher ist daher die inoffizielle Version: Die SPD und ihre Mitarbeiter wollen künftig einfach unter sich sein - nur keiner hat es kommuniziert. Ein Prinzip, das bei Wahlen schon länger angewendet werden soll.