Politikum:Ihr armen Abgeordneten

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Die bayerischen Parlamentarier müssen ihre Nebenjobs nach neuen Regeln offenlegen. Doch diese erweisen sich als völlig unsinnig

Von Wolfgang Wittl

Ein Landwirt muss nicht zwingend eine Schweinezucht haben, um erklären zu können, wie sich ein Dasein als arme Sau anfühlt. Dass Politiker in Brüssel einem das Landleben vermiesen, gehört zu den alten Bauernregeln. Aber plötzlich soll man als bayerischer Landwirt entlang von Flüssen auch noch gutes Ackerland für Flutpolder abtreten, um so das nächste Hochwasser zu beherrschen. Wer seine Ferkelmast um ein paar tausend Tierchen aufstocken will, muss sich mit lästigen Emissionsgutachten herumschlagen. Die Milch macht's sowieso schon lange nicht mehr. Und wer gegen das Preisdumping rebelliert, wie der oberbayerische Bauernobmann Anton Kreitmair, der muss sich zu allem Übel verspotten lassen, nur weil die eigene Frau ihren Einkaufswagen manchmal selbst beim Discounter füllt.

Jener Kreitmair sitzt als Abgeordneter auch im Landtag, und wie andere Landwirte taucht er auf der Liste mit den höchsten Nebeneinkünften weit vorne auf. Nun könnte man behaupten, dass Bauern oft zu Unrecht jammern - in diesem Fall jedoch nicht. Mehr Transparenz wollte der Landtag herstellen, als er die Regeln zu den Nebeneinkünften vom Bundestag übernahm. Stattdessen entsteht ein völlig verzerrtes Bild, weil Abgeordnete zwar sämtliche Bruttoeinkommen angeben müssen, jedoch keinerlei Ausgaben gegengerechnet werden. So verdient ein Bauer vermeintlich Millionen. Andererseits werden Inhaber lukrativer Rechtsanwaltskanzleien lediglich einmalig mit einem Höchstbetrag von 250 000 Euro aufgeführt, der nach oben aber völlig offen ist. Wie viel Geld sie tatsächlich einnehmen und vor allem von wem es kommt, erfährt man nicht.

Natürlich müssen auch Unternehmer dem Landtag angehören, um die Gesellschaft abzubilden. Von ihnen ist nicht zu verlangen, dass sie für ihre (befristete) Zeit im Parlament alle beruflichen Verbindungen kappen. Es ist an sich auch nicht verwerflich, zusätzlich Geld einzunehmen. Erwarten dürfen die Wähler aber, dass ihr Abgeordneter vollen Einsatz bringt und nicht zugunsten von Nebentätigkeiten vielleicht seine Arbeit vernachlässigt. Doch darüber sagen die neuen Regeln nichts. Sie sind - nicht nur in der Sprache der Landwirte - noch ein bisschen wie Kraut und Rüben.

© SZ vom 03.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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