Politikum:Friendly fire in der SPD

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Die bayerischen Jusos blasen zur Attacke - auf ihren Parteichef Sigmar Gabriel

Von Wolfgang Wittl

Zum Privileg der Jugend gehört es, sich Sachen leisten zu dürfen, die man im fortgeschrittenen Alter besser bleiben lässt: etwa in angeheitertem Zustand über die Tanzfläche einer rappelvollen Disco zu stolpern. Oder bei einem Limbo-Wettbewerb unter einer Stange durchzugleiten, bis man die Gesetze der Schwerkraft auch für sich anerkennen muss. Oder einfach nur mal blöd daherzureden. So gesehen kann es ganz amüsant sein, sich einem politischen Jugendverband anzuschließen.

Um die bayerische SPD war es zuletzt ja etwas still geworden. Im Bund haben andere das Sagen - und im Freistaat weiß man nicht recht, was man alles sagen darf, wo man doch ausgerechnet diejenigen kritisieren soll, mit denen man im Bund wiederum koaliert. Ein Teufelskreis. Nur gut, dass es die bayerischen Jusos gibt, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Dumm aus SPD-Sicht, dass sie selten die CSU ins Visier nehmen, sondern lieber den eigenen Parteichef.

"Es reicht", hatte Sigmar Gabriel via Bild nach Griechenland gekabelt. In der Tat, es reicht, antworten jetzt die Jusos: Und zwar "der deutsche Chauvinismus und die süffisante Überheblichkeit, mit der du (Gabriel) und andere (. . .) auftreten!" Man erwarte "mehr von einem Vorsitzenden der SPD, als unreflektiert Stammtischparolen zu wiederholen und im trübbraunen Wasser zu fischen". Fast harmonisch klingt der Schluss: "Uns jedenfalls reicht es schon lange - und zwar mit solchen Aussagen von dir! Mit solidarischen Grüßen, Deine Jusos Bayern."

Solch offene Denkanstöße reichen andererseits Bayerns SPD-Chef Florian Pronold, der mit Gabriel am Kabinettstisch sitzt. Jedes Verständnis fehle ihm für diese ehrenrührige Kritik, er fordert: "Für den rotzigen Tonfall und die Wortwahl in dem Brief ist eine Entschuldigung des Juso-Landesvorstandes fällig!" Und wer wüsste besser um die Benimmregeln bayerischer Jusos, schließlich war Pronold fünf Jahre deren wortmächtiger Chef. Der "Lattengustl", mit dem er einst von Jesus Christus sprach, wird ihn wohl bis ans Ende seiner politischen Tage begleiten. Daran gemessen ist der Brief an Gabriel also gar nicht so schlimm, zumal er eine besondere SPD-Spezialität unterstreicht: Früh übt sich, wer sich gegenseitig abwatschen will.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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