Politikum:18:20 Minuten im Labmagen

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Sommerinterviews sind dazu da, altbekannte politische Wahrheiten nochmal durchzukauen. Das ist selten unterhaltsam - es sei denn, der Gast heißt Horst Seehofer und ist vom Interviewer hochgradig genervt

Von Sebastian Beck

Das einzige, was in diesem August noch mehr nervt als die Wespenplage, sind Sommerinterviews mit Politikern. Wahrscheinlich hatte sich das auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer gedacht, als er seinen Urlaub für die ZDF-Sendung "Berlin direkt" unterbrechen musste. Der Journalist Thomas Walde hatte für Seehofer eine ebenso spaßfreie wie vorhersehbare Abfrageliste vorbereitet, die er Punkt für Punkt nach fast staatsanwaltschaftlicher Manier abarbeitete: Asyl, Maut, Betreuungsgeld, Energiewende und Bayern-Egoismus - das waren die Themen, mit denen Walde den CSU-Chef konfrontierte. Das war alles wenig überraschend, aber bitte: Im politischen Verdauungsprozess kommt Sommerinterviews die Funktion des Labmagens zu, in dem der Grasschnitt der vergangenen Wochen zu Buttersäure und diversen Gasen umgewandelt wird.

Seehofer sagte im Biergarten von Walting zwar nichts Neues, auf welche Weise er aber seine bekannten Thesen wiederholte und verteidigte, war dann doch einigermaßen sehenswert. Vom ersten Satz an ließ er erkennen, dass er sowohl den Interviewer als auch dessen Fragen für ungefähr so sympathisch hielt wie Finanzminister Markus Söder. "Sie ziehen jetzt für diese Sendung einen Satz raus. Und genau das ist der Journalismus, den ich nicht für qualitätsorientiert halte", motzte Seehofer gleich zu Beginn. In seinen Augen funkelte die Wut. Damit gab er die Tonlage vor, und er behielt sie auch die ganzen 18:20 Minuten über bei: "Sie reden heute nur über das, was Sie selber wahrnehmen."

Waldes erkennbares Bemühen war es, Staatsregierung und CSU als sektiererisch, erfolglos und tendenziell ausländerfeindlich zu entlarven, aber zur Beweisführung hätte es dann doch etwas mehr als ein paar hingeworfene Zitate gebraucht. Die Positionen Bayerns und der CSU seien differenzierter, entgegnete Seehofer, womit er zumindest nicht völlig unrecht hatte.

Am Ende waren Walde und Seehofer dann doch froh, dass sie sich voneinander verabschieden durften, und man kann zusammenfassen: Schade, das hätte für beide ein schöner Urlaubstag im Altmühltal sein können, wäre bloß nicht das doofe Interview gewesen.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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