Oberbayern:Die Heimniederlage der CSU

Lesezeit: 3 min

Ausgerechnet in ihrer Kraftzentrale Oberbayern muss die Partei drastische Verluste hinnehmen. Und schon heißt es: "Auch der Vorsitzende trägt die Verantwortung."

Heiner Effern

Fünf Niederlagen in sechs Stichwahlen um Landratsposten - die Kommunalwahl 2008 hat sich mit dem zweiten Urnengang für die CSU in Oberbayern zu einem regelrechten Desaster ausgewachsen. Denn der erfolgsverwöhnte Bezirk, seit Jahrzehnten ein Garant für die starke Stellung der CSU in Bayern, musste schon im ersten Wahlgang einen massiven Einbruch in den Kreistagen und den Räten der kreisfreien Städte hinnehmen: ein Minus von 7,3 Prozent im Schnitt. "Das ist eine bittere Niederlage und war so nicht zu erwarten", sagte der Bezirksvorsitzende Siegfried Schneider am Tag nach der Wahl. "Die oberbayerische CSU ist geschwächt und natürlich trägt auch der Vorsitzende mit die Verantwortung."

Armageddon in Bayern (Foto: Karikatur: Dieter Hanitzsch, SZ)

Einen Grund für die Niederlage sieht Schneider aber im Erscheinungsbild der CSU vor den Wahlen: "Eines steht fest, wo Streit herrscht, wendet sich der Wähler ab." Auch sei es notwendig, dass man auf Landesebene intern diskutiere und dann nach außen geschlossen auftrete. Ein negativer Einfluss durch die landespolitische Diskussion der vergangenen 14 Tage sei "mit Sicherheit nicht auszuschließen". Doch vor der Landtagswahl im Herbst stellt sich für Schneider nun vor allem eine wichtige Frage: "Warum sind Wähler, die beim ersten Mal für die CSU gestimmt haben, bei der Stichwahl nicht mehr hingegangen?"

Das fragt sich auch Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer in Berlin. "Wir haben eine Reihe von sehr schmerzlichen Niederlagen erlitten, vor allem in Oberbayern", sagte der Partei-Vize der CSU aus Ingolstadt. Wenn die Landtagswahl ein Erfolg werden solle, "müssen wir in Oberbayern andere Ergebnisse erzielen". Seehofer forderte nach dem CSU-Ergebnis ausdrücklich eine Struktur- und Inhaltsdebatte, aber keine Personaldiskussion.

Der Präsident des oberbayerischen Bezirkstags, Franz Jungwirth, sieht im Wahlergebnis ebenfalls "einen deutlichen Fingerzeig, dass wir mehr unterwegs sein müssen, um an die Bürger ranzukommen". Diese seien wegen der immer schnelleren Entwicklung der Gesellschaft verunsichert und verängstigt und fühlten sich von den Politikern nicht mitgenommen: "Das hat man unterschätzt, dass sich das so deutlich gegen uns, aber auch die SPD auswirkt." Wenn die CSU immer nur auf die Wirtschaftskompetenz verweise, reiche das nicht. Eine direkte Folge davon sei die schlechte Wahlbeteiligung. "Die haben uns gezeigt: So nicht!"

Dieser "Denkzettel" fiel vor allem bei den Stichwahlen in Oberbayern heftig aus. Die drei amtierenden Landräte Luitpold Braun (Weilheim-Schongau), Rudi Engelhard (Pfaffenhofen) und Heiner Janik (Landkreis München) wurden abgewählt, in Bad Tölz-Wolfratshausen und Neuburg-Schrobenhausen konnte die CSU die Nachfolger für Landräte, die in den Ruhestand gehen, nicht durchsetzen - lediglich in Starnberg gelang dies. Wenigstens gehe es der SPD auch nicht besser, ist immer wieder zu hören. CSU und SPD hätten zugunsten der Freien Wähler verloren, sagte zum Beispiel Renate Dodell, stellvertretende CSU-Vorsitzende in Oberbayern. Gerade auf die Freien Wähler müsse die CSU im Vorfeld der Landtagswahlen "sehr stark ihr Augenmerk legen".

Der Verlierer schweigt

Doch einfach mit der Politikverdrossenheit über CSU und SPD lässt sich das Ergebnis nicht erklären: Die SPD stellt mit Friedrich Zeller (Weilheim-Schongau) und Johanna Rumschöttel (München Land) acht Jahre nach dem Rückzug von Seban Dönhuber (Kreis Altötting) wieder zwei Landräte in Oberbayern. "Wo unsere Kandidaten über Jahre hinaus ihre Verwurzelung in der Bürgerschaft gefunden haben, verbucht die SPD gute oder eben sehr gute Ergebnisse", sagte der oberbayerische SPD-Chef Ewald Schurer.

Die Bezirks-CSU dagegen muss sich in ihrem Kerngebieten auf dem Land nicht mit ungewohnten Erfolgen, sondern mit Niederlagen auseinandersetzen. Nach der Kommunalwahl 2008 gibt es Landkreise wie Weilheim-Schongau oder Altötting, in denen die CSU in keinem einzigen größeren Ort mehr den Bürgermeister stellt. Renate Dodell, in deren Heimat Weilheim-Schongau die CSU im Kreistag 12,6 Prozent verloren hat, glaubt, dass die Gründe für die "herben Verluste" unterschiedlich seien.

Nachdem die Wähler der CSU auf dem Land in Scharen davongelaufen sind, liegen die Nerven bei den Verlierern blank: Luitpold Braun zum Beispiel, abgewählter Landrat und Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CSU, verweigerte am Tag nach der Wahl jede Auskunft. Braun lege mit dem heutigen Tag alle seine Ämter nieder, hieß es aus seinem Vorzimmer, er sei nicht zu sprechen.

Bezirkstagspräsident Jungwirth hofft, dass nun Schneider die Oberbayern-CSU aus der Krise führt. "Er muss schauen, dass er sich freischwimmt." Schneider müsse im Kultusministerium viele Dinge aufarbeiten, die er sich nicht eingebrockt habe. "Er hat da alle Hände voll zu tun und vielleicht nicht ausreichend Zeit, um Parteiarbeit zu machen." In der Wirkung nach außen würde er sich den Bezirks-Chef öfter so temperamentvoll wünschen wie bei der Rede vor der Wahl zum Bezirksvorsitz der CSU Ende Juni 2007 in Mühldorf.

© SZ vom 18.03.2008/bosw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: