Nikolaus:"Ein Opfer der Aufklärer"

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Überall wimmelt es von Weihnachtsmännern. Die Dominanz dieser Figur hat Nikolaus und Christkind schwer zugesetzt. Die Kommerzialisierung ist nur ein Grund für diese Entwicklung, sagt die Historikerin Cornelia Oelwein.

Hans Kratzer

In den Kaufhäusern und auf den Christkindlmärkten wimmelt es wieder von Weihnachtsmännern mit Zipfelmützen. Die Dominanz dieser Figur hat in den vergangenen Jahren vor allem dem Nikolaus und dem Christkind, den alten Ikonen der Weihnachtszeit, schwer zugesetzt. Die Historikerin Cornelia Oelwein hat indessen herausgefunden, dass die Verdrängung des Nikolaus durch den Weihnachtsmann schon im 19. Jahrhundert ein Thema war.

Ein Nikolaus im Einsatz (Foto: Foto: dpa)

SZ: Brauchtums- und Heimatpfleger beklagen die Übermacht des Weihnachtsmanns und das Verschwinden des Nikolaus. Gibt es Hoffnung für den Nikolaus?

Oelwein: Ich glaube schon. Der Konflikt ist älter als man denkt. In München hat der Weihnachtsmann vor mehr als hundert Jahren Einzug gehalten, in manchen Familien wurden Nikolaus und Weihnachtsmann bemüht. Und das Neue Münchner Tagblatt befürchtete schon im Jahr 1900 die "Entchristlichung des Weihnachtsfests".

SZ: Als Gabenbringer ist der Nikolaus ja nach wie vor populär. Wie kam er zu dieser Aufgabe?

Oelwein: Vermutlich hat sich der Nikolausbrauch im 14. und 15. Jahrhundert herausgebildet. In einer Handschrift des Klosters Tegernsee aus dem 15. Jahrhundert ist die Nikolausbescherung bezeugt. Von da an war der Nikolaus der Gabenbringer schlechthin. Sogar in einer Hausrechnung Martin Luthers von 1535 sind Nikolausgeschenke erwähnt. Trotzdem verdrängten ihn die Reformatoren und brachten das Christkind als weihnachtlichen Gabenbringer ins Spiel. Im katholischen Altbayern schafften erst die Aufklärer den Nikolausbrauch ab.

SZ: Welche Gründe hatten sie?

Oelwein: Sie witterten falschen Schein, Lug und Trug. Und es kam häufig zu Ausschreitungen und Unfällen, vor allem unter dem Deckmantel des Klaubaufs, der den Nikolaus begleitete. 1779 wurde wegen vieler Missbräuche das Herumfahren des Nikolaus und seines Gefolges verboten. In Reichenhall soll ein Klaubauf einem Buben sogar die Zunge abgeschnitten haben. Der Übergang zwischen Brauchtum, Betteln und Kriminalität war fließend.

SZ: Und doch war der Nikolaus nicht totzukriegen.

Oelwein: Tatsächlich lief ihm das Christkind im 19. Jahrhundert als Gabenbringer langsam den Rang ab. Am Kindererschrecken entzündeten sich heftige pädagogische Diskussionen. Als Vorbote des Christkinds konnte er sich allerdings bis heute halten - und immer mehr Menschen merken wieder, dass der Weihnachtsmann nicht der Nikolaus ist.

© SZ vom 6. 12. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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