Der Kreis der ehemaligen Heimkinder, die dem Augsburger Bischof Walter Mixa körperliche Züchtigung vorwerfen, wird größer. Jutta Stadler aus Pfaffenhofen bestätigt die in der Süddeutschen Zeitung vom Mittwoch veröffentlichten Beschuldigungen und schreibt in einer eidesstattlichen Versicherung: "Er hat mir mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen." Der SZ liegen damit sechs eidesstattliche Erklärungen vor, in denen berichtet wird, dass Walter Mixa in seiner Zeit als Stadtpfarrer Heimkinder in Schrobenhausen geschlagen habe.
Jutta Stadler lebte von 1968 bis 1977 im Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef in Schrobenhausen. Die 47-Jährige legt großen Wert darauf, mit vollem Namen genannt zu werden, "damit ich dieses Thema endlich abschließen kann". Sie berichtet davon, dass Mixa als damaliger Stadtpfarrer "öfters sein Auto" zum Kinderheim gebracht habe. "Dieses musste dann von jeweils vier Kindern stundenlang geputzt werden", schreibt sie. Jutta Stadler bestätigt auch brutale Übergriffe zweier Klosterschwestern, die damals als Erzieherinnen tätig waren. "Ich hatte am ganzen Körper blaue Flecken", sagt sie. Als sie einmal ihr Essen nicht aufessen wollte, habe ihr eine Schwester die heiße Suppe "über den Kopf gegossen".
Eine weitere Frau, die in dem Kinderheim als Erzieherin tätig war und die ihren Namen nicht veröffentlichen will, berichtet, dass noch im Jahre 2005 ein Kind von einer Schwester geschlagen worden sei. Sollte dies zutreffen, wäre das der erste Fall von körperlicher Gewalt in dem Heim, der noch nicht verjährt ist. Die Regierung von Oberbayern als Aufsichtsbehörde ging am Mittwoch den Vorwürfen in Schrobenhausen nach. Bislang ist laut Regierung nur ein Übergriff aus diesem Kinderheim aktenkundig: 1999 habe ein Mitarbeiter einem Kind einen Kinnhaken verpasst, der Mann sei sofort suspendiert worden. Der aktuelle Heimleiter Herbert Reim bestätigt auf Anfrage, dass die zwei von den ehemaligen Heimkindern schwer belasteten Schwestern bis heute im Kinderheim als Erzieherinnen tätig seien. Sie sollen die Kinder mit Holzpantoffeln, Holzbesen und Kleiderbügeln geschlagen haben. "Wir gehen diesen Vorwürfen nach", sagt Heimleiter Reim, er kündigt für diesen Donnerstag eine Presseerklärung an.
Der Orden der Mallersdorfer Schwestern war bis 1990 für die pädagogische Leitung des Kinderheimes zuständig, danach ging die Verantwortung in weltliche Hände über. "Sollte ein Kind geschlagen worden sein, tut uns das sehr leid", sagt Schwester Godehard, die Generalrätin des Ordens in Mallersdorf. "Schlagen gehört nicht zu unserem pädagogischen Konzept, wir wollen die Berichte offen aufarbeiten", beteuert sie. Sie betont, dass die zwei beschuldigten Schwestern eine pädagogische Ausbildung hätten - und dass sowohl der Heimleiter als auch Kinder darum gebeten hätten, dass die Schwestern ihre Tätigkeit im Heim fortsetzen dürften.
Walter Mixa war von 1975 bis 1996 Stadtpfarrer von Schrobenhausen. Die ehemaligen Heimkinder berichten von Ohrfeigen, Fausthieben und Schlägen auf das Gesäß mit Stock oder Teppichklopfer. Alle Vorfälle sollen sich in den siebziger und achtziger Jahren abgespielt haben, damit wären sie heute verjährt. Das Bistum Augsburg weist die Vorwürfe weiterhin zurück, bezeichnet sie als "Versuch der Diffamierung" und behält sich rechtliche Schritte vor. Eine falsche eidesstattliche Erklärung kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. "Kein Problem", sagt Hildegard Sedlmair, 48, die nach eigenen Angaben mehrmals von Mixa geschlagen wurde, "ich sage Herrn Mixa vor Gericht gerne ins Gesicht, was er mir angetan hat."