Neubelebt:Ein Ort zum Ratschen

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Gemütlich: Frauen aus Haindling und Umgebung haben den früheren Eiskeller zum Sonntags-Café umgebaut. (Foto: privat)

Der ehemalige Eiskeller wurde zum Wohnzimmer von Haindling

Mitten zwischen Wiesen und Wäldern etwa 15 Kilometer südwestlich von Straubing liegt der kleine Ort Haindling, der heute zur Stadt Geiselhöring gehört. Kein Supermarkt, keine Bank, nicht mal eine Bäckerei findet sich in Haindling, das gerade mal 100 Einwohner hat. Eine Hauptstraße führt durch das Dorf hindurch. Dass Haindling mehr als nur ein Ort zum Durchfahren ist, versuchten vor einigen Jahren mehrere Dorfbewohner zu beweisen - und zwar nicht nur den Auswärtigen, sondern vor allem sich selbst. Mit einem ehemaligen Eiskeller wollten sie ein Zentrum schaffen und wieder Leben in den Ort bringen. Mit Erfolg, wie man beim genaueren Erkunden feststellt.

Für den einen oder anderen mag Haindling durch den Musiker Hans-Jürgen Buchner bekannt sein. Bis heute gilt die einst eigenständige Gemeinde als einer der ältesten Wallfahrtsorte Bayerns. Die Marien- und Kreuzkirche sowie die Alte Schule, heutiges Kulturzentrum, bilden den Kern des Dorfes. Früher traf man sich am Wochenende im Wirtshaus zum Plaudern. Eines Tages gab der Wirt seinen Betrieb auf und der Eiskeller, der bis in die Fünfzigerjahre als Speicher für Getränke diente, wurde zu einem Holzlager und später zu einem Abstellraum umfunktioniert. 2003, im Zuge der Dorfsanierung, drohte dem Eiskeller der Abriss.

Da taten sich schnell einige Frauen zusammen, die es leid waren, ihren Ratsch immer nur noch an den Gräbern auf dem Friedhof abzuhalten. Ein Treffpunkt musste her, an dem man gemütlich beisammensitzen und sich austauschen konnte: der Eiskeller. Von Grund auf renovierten sie das Häuschen direkt an der Hauptstraße und errichteten ein kleines Sonntags-Café mit seinem ganz eigenen Charme. Betrieben wird es nun seit zehn Jahren vom Verein Eiskeller Haindling, den Umbau finanzierte die Stadt Geiselhöring.

Auf reichlich Skepsis stieß die Idee anfangs bei vielen Dorfbewohnern. Doch mit der Zeit verflogen die Zweifel. Mittlerweile finden sich jeden Sonntagnachmittag zur Kaffeezeit zahlreiche Besucher im Eiskeller ein, machen es sich auf den gepolsterten Holzbänken gemütlich und probieren selbst gebackenen Kuchen. Egal ob alteingesessener Dorfbewohner oder Fahrrad- Tourist auf der Durchreise - hier kommt jeder schnell ins Gespräch. Das Wohnzimmer des Dorfes, das die Menschen wieder zusammenbringt.

Neben Kaffee und Kuchen stehen auch Eine-Welt-Waren und Bücher zum Verkauf. Ein Teil des Erlöses finanziert Mädchen in Tansania die Schulbildung, der Großteil fließt jedoch in den Ort zurück. Beispielhaft dafür stehen die sechs Pilgerfiguren aus Eisen auf dem Feldweg hinter der Marienkirche und weisen den Pilgern den Weg. Auch zahlreiche kulturelle Veranstaltungen sind den Frauen zu verdanken. Durch Lesungen, Konzerte, bayerisches Theater, Kabarett und thematische Führungen zeichnet sich Haindling seither aus. Nicht zu vergessen ist das mittlerweile weit bekannte "Nacht & Nebel Fest", das im vergangenen Winter 5000 Besucher in das kleine Dorf lockte. Lampions, Kerzen, Laternen und Fackeln leuchten in der Dunkelheit, verschiedenste Generationen kommen zusammen, während Musik und Kunst den ganzen Ort füllen.

© SZ vom 06.10.2015 / dri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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