Nach Kommunalwahl:Bürgermeister im Schnellkurs

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Für Bürgermeister-Neulinge wird es im Mai ernst. In einem dreitägigen Seminar bekommen sie die Grundlagen der Kommunalpolitik eingeimpft - vom Baurecht bis zur Öffentlichkeitsarbeit.

Florian Fuchs

Thomas Herker ist im Stress. Und das ausgerechnet, als Professor Christoph Ewert seinen Vortrag über Stressbewältigung und Zeitmanagement hält. Während Ewert im Multimediaraum von Schloss Hohenkammer wild gestikulierend Schaubilder mit dem Tagesablauf eines Bürgermeisters erläutert, hört Herker in der fünften Sitzreihe nur halb hin - denn gleichzeitig versendet der SPD-Politiker von seinem Notebook aus Emails und verlässt zwei Mal den Raum, um zu telefonieren.

Blumen und den Stadtschlüssel erhalten die neuen Bürgermeister: Wer nicht so erfahren ist wie der SPD-Abgeordnete Jürgen Dupper, der bald in Passau regiert, kann ein Schnellseminar belegen. (Foto: Foto: dpa)

In der Schule hätte es Ärger gegeben für den 29-Jährigen, der vom 1. Mai an Pfaffenhofen an der Ilm regieren wird. Beim Seminar für neue Bürgermeister in Hohenkammer, das der Bayerische Gemeindetag ausrichtet, erteilt der Professor nicht einmal eine Rüge.

40 Bürgermeister in spe, die sich bei den jüngsten Kommunalwahlen durchgesetzt haben, sind zur dreitägigen Veranstaltung ins Tagungshotel gekommen. In ganz Bayern haben sich mehr als 300 Wahlsieger angemeldet. Für 530 Euro bekommen sie die Grundlagen der Kommunalpolitik eingeimpft, vom Baurecht bis zur Öffentlichkeitsarbeit. "Wer glaubt, schon alles zu wissen, hat alles verloren", hatte Johann Keller, Direktor des Bayerischen Gemeindetags, den Lehrlingen zu Beginn seines Vortrags über Kommunalfinanzen schon am Vormittag mit auf den Weg gegeben.

Zeit für Denkpausen

Ewerts Vortrag nach dem Mittagessen lockert die Stimmung ein wenig auf, nachdem die harten Fakten über Vergaberecht und Kommunalfinanzen zuvor die Konzentration der Seminarteilnehmer arg strapaziert hatten. "Ab sofort sind Sie keine normalen Menschen mehr", sagt Ewert zu den Seminarteilnehmern, "sondern Bürgermeister".

Solche bräuchten Visionen, Strategie und Taktik. Ewerts Vorschlag zum Zeitmanagement im Rathaus: 60 Prozent des Tages planen, 20 Prozent für spontane Termine verwenden, und die letzten 20 Prozent für kreative Denkpausen freihalten. Und zum Stressausgleich trotz Terminhatz das Privatleben nicht vernachlässigen.

Über Stress braucht man Herker nichts mehr erzählen, über Privatleben allerdings auch nicht. "Ich bin schon im Wahlkampf um 2 Uhr früh ins Bett und um 6 Uhr wieder aufgestanden, um alles zu schaffen. Aber der Stress macht Spaß", sagt der junge SPD-Politiker, der in Pfaffenhofen den seit 18 Jahren amtierenden CSU-Bürgermeister in der Stichwahl aus dem Amt gedrängt hat. Als einziger hat er ein Notebook dabei, als einer von wenigen trägt er Anzug und Krawatte.

"Eigentlich habe ich gar keine Zeit für das Seminar, aber ich wollte mein Wissen noch einmal auffrischen", sagt Herker, der bis zu seinem Amtsantritt noch weiter als Organisationsmanager in einem Agrarhandelskonzern arbeitet. "Deshalb muss ich auch noch nebenbei was tun", erklärt Herker seine Unaufmerksamkeit im Stress-Seminar. Das meiste von dem, was die Dozenten vortragen, kenne er ohnehin schon.

Vorbereitung für Neulinge

Carolina Zehnpfennig dagegen saugt jede Einzelheit des dreitägigen Seminars auf. Erst am 28. Dezember hatte sie zugesagt, für die Freie Wählergemeinschaft in Ederheim bei Nördlingen zu kandidieren. Mit 58 Prozent setzte sie sich schließlich gegen den SPD-Kandidaten durch. In Kürze wird sie das 1138-Einwohner-Dorf ehrenamtlich regieren. "Ich bin heilfroh, dass der Gemeindetag so etwas anbietet. Vorher hatte ich noch nie was mit Kommunalpolitik am Hut", sagt die baldige Bürgermeisterin.

Dass sie bestimmte Bauprojekte EU-weit ausschreiben muss, hat Carolina Zehnpfennig in Hohenkammer schon gelernt. Dass sie die Möglichkeit hat, den Beschluss des alten Gemeinderats über einen neuen Kreisverkehr wieder zu kippen, weiß sie nun auch. Besonders wichtig ist der 45-Jährigen aber der Kontakt zu ihren künftigen Kollegen, abends zum Beispiel, wenn die Teilnehmer im Bierstüberl des Schlosses zusammen sitzen. "Im Gespräch lernt man viel. Hier kann man sich auch für die Zukunft ein Informationsnetz aufbauen."

Gut vernetzen will sich auch Volker Müller, der in seinem Heimatort Woringen schon seit zwölf Jahren im Gemeinderat sitzt. Vom 1. Mai an wird er Bürgermeister des kleinen Ortes in der Nähe von Memmingen sein. Müller interessiert sich besonders dafür, wie man einen Haushaltsplan aufstellt. "Bisher hab ich die Zahlen halt auf den Tisch bekommen, jetzt muss ich mich selbst drum kümmern." Stressen lässt sich der 59-Jährige beim Seminar aber auch nicht. Denn eines sei ohnehin klar: "Man lernt hier vor allem viel Theorie, die dann in der Praxis aber oft ganz anders aussieht."

© SZ vom 1. April 2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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